Ostdeutschland

Für die Pflege fehlt „eine ganze Generation“

Das wissenschaftliche Institut der Bundesagentur für Arbeit skizziert die demografischen Trends im Osten. Ohne mehr Zuwanderung sinkt das Arbeitskräftepotenzial dramatisch.

Von Florian Staeck Veröffentlicht:
Das Arbeitskräftepotenzial in Ostdeutschland wird dramatisch sinken. Das hat Folgen für die Gewinnung von Fachkräften vor allem in der Pflege.

Das Arbeitskräftepotenzial in Ostdeutschland wird dramatisch sinken. Das hat Folgen für die Gewinnung von Fachkräften vor allem in der Pflege.

© Bojan Stepancic / Stock.Adobe.com

Berlin. Ostdeutschland steht bei der Gewinnung von Fachkräften für die Versorgung alter Menschen vor besonderen Herausforderungen. Denn die demografische Entwicklung unterscheidet sich deutlich von der in den alten Ländern. Im Fokus dürfte auch hier die Pflege stehen.

Die Altersstruktur der Bevölkerung hat für die künftige Entwicklung des Arbeitskräftepotenzials eine zentrale Bedeutung, schreiben Johann Fuchs und Kollegen vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB). Denn die aktuell 25-Jährigen bilden in Ostdeutschland heute die zahlenmäßig kleinste Altersgruppe. Nach dem Mauerfall sanken die Geburtenzahlen in der ehemaligen DDR von einstmals rund 200 .000 pro Jahr auf unter 80 .000.

Hinzu kommt die starke Abwanderung in der Gruppe der zwischen 1975 bis 1989 Geborenen. Aus diesen vergleichsweise starken Alterskohorten – aufgrund der Familienförderung der DDR-Regierung als „Honecker-Buckel“ bezeichnet – verließ jeder Fünfte seine Heimat und ist seit 1990 in den Westen abgewandert.

Einwohnerzahl um 15 Prozent geschrumpft

Im Ergebnis fehle „heute in Ostdeutschland fast eine ganze Generation“, konstatieren die Autoren. Die Bevölkerung sei seit 1990 um fast zwei Millionen Menschen geschrumpft, ein Rückgang um 15 Prozent. Zuletzt lag die Geburtenziffer in Ostdeutschland mit 1,6 Geburten pro Frau geringfügig über dem gesamtdeutschen Durchschnitt von 1,57. Doch angesichts der zahlenmäßig kleinen Elterngenerationen könnten selbst steigende Geburtenzahlen den Bevölkerungsrückgang nicht aufhalten, heißt es in der Studie.

Bald werden die Babyboomer-Jahrgänge und danach die Alterskohorten des „Honecker-Buckels“ sukzessive in Rente gehen. Doch die nachrückenden Geburtsjahrgänge mit einem Umfang von rund 100 .000 Personen werden viel zu klein sein, um die geburtenstarken Jahrgänge mit teils über 200 .000 Personen zu ersetzen, so die Autoren. In 30 Jahren wird als Folge das Potenzial der Erwerbspersonen von ehemals über zehn Millionen (2002) auf dann noch etwa 5,3 Millionen geschrumpft sein.

Zuwanderung als „stärkster Hebel“

Die vorhandenen Optionen, um diesem Trend entgegenzusteuern, sind politisch brisant und/oder schwer umzusetzen:

  • Mehr Zuwanderung: Ende 2018 lebten in Ostdeutschland – ohne Berlin – rund 600 .000 Auslander. Das entspricht einem Anteil von fünf Prozent. In den alten Ländern sind es 13 Prozent. Zuwanderung setze jedoch „attraktive Jobs, geeignete Zuwanderungsregeln und eine entsprechende Willkommenskultur voraus“. Zuwanderung – ob aus dem Westen oder aus dem Ausland – sei der „mit Abstand stärkste Hebel, kurz- und mittelfristig den Rückgang der Erwerbsbevölkerung zu bremsen und das Niveau der wirtschaftlichen Wertschöpfung in Ostdeutschland aufrechtzuerhalten.“
  • Anhebung des Rentenalters: Ein höheres Renteneintrittsalter könnte helfen, dass die Zahl der Erwerbspersonen weniger stark sinkt.
  • Höhere Produktivität: Aktuell liegt die Produktivität im Osten noch rund 20 Prozent unter der im Westen. Automatisierung und Digitalisierung könnten zumindest teilweise das demografisch bedingte Sinken der Erwerbspersonenzahl ausgleichen.

Greift langfristig keine dieser Optionen ausreichend, könnte der Wohlstandsrückstand in den neuen Ländern im Vergleich zum Westen sogar noch zunehmen.

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