Nichtärztliche Gesundheitsberufe
Für die Union ist Substitution von Ärzten kein Tabu
Nichtärztliche Gesundheitsberufe sollen stärker in die Versorgung eingebunden werden, fordert die Union. Ärztepräsident Montgomery benennt die Fallstricke für solche Pläne.
Veröffentlicht:BERLIN. Die CDU will dem demografischen Wandel und einem sich abzeichnenden Ärztemangel eine Aufwertung der nichtärztlichen Gesundheitsberufe entgegensetzen. Das geht aus einem Positionspapier des Fachausschusses Gesundheit und Pflege hervor, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt. Das Papier soll Grundlage des Gesundheitskapitels des CDU-Wahlprogramms werden. "Die CDU bekennt sich zur Delegation ärztlicher Leistungen", heißt es darin. Der Einsatz von qualifizierten nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen, die delegierte ärztliche Leistungen erbringen, solle daher weiter ermöglicht und leistungsgerecht vergütet werden.
Was darunter zu verstehen ist, wurde am Montag bei einem Kongress der CDU/CSU-Fraktion deutlich. Die nichtärztlichen Gesundheitsberufe sollen einen Schwerpunkt der Arbeit der Gesundheitspolitiker in der kommenden Legislaturperiode ausmachen, kündigte die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Maria Michalk (CDU) an. Die Berufsgesetze sollen novelliert werden. Konkret: Das Schulgeld solle entfallen, die Akademisierung nach vorne gebracht, der Direktzugang der Patienten ohne ärztliche Verordnung zu Therapeuten erprobt werden.
Zunächst aber sollen die Modellvorhaben zur Blankoverordnung mit Leben erfüllt werden, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Georg Nüßlein (CSU).
Für Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist die Einbindung nichtärztlicher Gesundheitsberufe eine der Antworten darauf, dass die Menschen immer älter werden, mithin der Bedarf an ärztlichen und pflegerischen Leistungen steigt. "Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen sind weit hinter dem zurückgeblieben, was die Versorgung braucht", sagte Gröhe bei dem Kongress. Die Sorge, dass jemandem etwas weggenommen werden könnte, sei überflüssig, sagte der Minister in Richtung Ärzteschaft. "Ein Jurist, der Sorge hat, dass ihm ein Rechtspfleger die Arbeit wegnimmt, ist vor allem eines: ein schlechter Jurist", schob der gelernte Jurist Gröhe beißenden Spott hinterher.
Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Professor Frank Ulrich Montgomery, zeigte sich unbeeindruckt skeptisch. "Wir Ärzte sollen die Lotsen im Gesundheitssystem sein, aber gleichzeitig wollen sich die Gesundheitsberufe abkoppeln", sagte Montgomery. Die Kernfrage sei, wie die Verantwortlichkeiten geregelt würden. Für Diagnose und Indikationsstellung müssten die Ärzte zuständig bleiben. Ein Direktzugang zu Therapeuten bedeute auch, einen Direktzugang zur gesetzlichen Krankenversicherung zu schaffen. "Das müssen Sie regeln", wandte er sich an die Gesundheitspolitiker.
Von einer vollständigen Akademisierung der Gesundheitsberufe riet Montgomery ab. "Wir sollten keine Truppe von Akademikern schaffen, denen die grundständigen Fähigkeiten fehlen", sagte der Ärztepräsident. Wie weit die Akademisierung der Gesundheitsberufe gehen sollte, ist gleichwohl umstritten. "Wenn alle Gesundheitshandwerker Akademiker sind: Wer macht dann die Arbeit?" fragte der Präsident des Bundesinnungsverbands für Orthopädietechnik Klaus-Jürgen Lotz. Es würden nicht nur Meister, sondern auch Gesellen gebraucht, sagte Professor Birgit Schulte-Frei von der Hochschule Fresenius. Die Vorsitzende des Spitzenverbands der Heilmittelverbände Ute Repschläger forderte, zum Beispiel einen Direktzugang nicht von der Akademisierung abhängig zu machen, sondern von den Kompetenzen, die heute schon vorhanden seien.