Beratung in der Länderkammer
GKV-Spargesetz sorgt im Bundesrat für schlechte Stimmung
Durchweg kritisch urteilt der Bundesrat über das geplante GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Auch links-grün regierte Länder machen klar: Der zweite Reformaufschlag Lauterbachs muss sitzen.
Veröffentlicht:Berlin. Das geplante GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hat im Bundesrat Kritik aus allen politischen Lagern erfahren. Der Gesetzentwurf, über den der Bundestag am nächsten Freitag (23. September) erstmals beraten wird, ist nicht zustimmungspflichtig und kann somit von der Länderkammer nicht gestoppt werden.
Tritt das Gesetz so wie derzeit vorgesehen in Kraft, werde es zu neuen „Instabilitäten“ in der GKV führen, sagte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) am Freitag im Bundesrat. Nötig sei eine „strukturelle Reform“ und nicht ein auf „schnelle Effekte“ ausgerichtetes Gesetz.
Die dort vorgesehenen Sparmaßnahmen brächten niedergelassene Ärzte „in Bedrängnis“, der Pharmastandort Deutschland werde geschwächt. Die von Rhein vorgeschlagenen „handfesten Reformen“ zielen auf eine auskömmliche Finanzierung der Krankenversicherung von ALG-2-Beziehern oder von versicherungsfremden Leistungen.
Kolumne zum Wochengeschehen in Berlin
Die Glaskuppel: Milliardenpoker im Bundestag
Bund hat sich „viel Zeit gelassen“
Die Bilanz von Berlin Gesundheitssenatorin Gote (Grüne) fiel nicht viel besser aus. Obwohl sich die Bundesregierung „recht viel Zeit“ bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs gelassen habe, komme dieser über kurzfristige Lösungsansätze nicht hinaus, monierte Gote. Als sehr kritisch beurteilte sie, dass die Rücklagen von Krankenkassen weiter abgeschmolzen werden. Zugleich forderte die Senatorin, dass der Bund beim Bundeszuschuss an die GKV „Verantwortung übernehmen müsse“.
Der aktuelle Gesetzentwurf sieht vor, dass die GKV über den regulären Steuerzuschuss von 14,5 Milliarden Euro hinaus zwei Milliarden Euro zusätzlich im Jahr 2023 erhalten soll. Hinzu soll eine weitere Milliarde Euro kommen, die der GKV als Darlehen gewährt wird. Dies müsse eine Ausnahme bleiben, forderte Gote. „Nach der Reform ist vor der Reform“ folgerte die Grünen-Politikerin und mahnte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), beim nächsten Mal das „Gesprächsangebot der Länder früher anzunehmen“.
Mit einer Ausnahme nahm das Plenum des Bundesrats alle Empfehlungen der Fachausschüsse zum Gesetzentwurf an. Dazu gehört auch die Forderung, auf die Streichung der Neupatientenregelung zu verzichten. Für Lauterbachs Behauptung, dass die extrabudgetäre Vergütung der Behandlung von Neupatienten zu keiner verbesserten Versorgung geführt hätte, seien „bisher keine Anhaltspunkte ersichtlich“, heißt es.
Der Bundesrat spricht sich in seiner Stellungnahme einerseits für Abstriche beim geplanten Pharma-Sparpaket aus, kritisiert andererseits, dem Gesetzentwurf mangele es an Ansätzen, „um die Einnahmen und Ausgaben der GKV anzugleichen und das Krankenversicherungssystem zukunftsfest zu machen“. Es müssten „auch Ausgaben reduziert und gleichzeitig Effizienz und Qualität erhalten werden“.
Kassenärzte protestieren
50.000 Unterschriften gegen das Aus der Neupatientenregelung
Beifall von Ärzteverbänden
Der Hartmannbund reagierte mit Zufriedenheit auf das Votum der Länderkammer. „Dort, wo man näher an den Menschen ist, wird erkannt, welche dramatischen Folgen für die Versorgung ein solcher Schritt hätte“, sagte der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt. Er hoffe, dass Bundestagsabgeordnete Ende Oktober bei der abschließenden Beratung über den Gesetzentwurf „dieses klare Signal aus ihren ‚Heimatländern‘ nicht ignorieren werden.
Mit ähnlichem Tenor äußerte sich Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des Spitzenverbands der Fachärzte (SpiFa): „Hier zeigt sich deutlich, dass die Länder die Probleme in der Gesundheitsversorgung verstanden haben und ernst nehmen. Jetzt sind der Bundesminister, die Bundesregierung und das Parlament gefragt“, so Heinrich.
KBV: Proteste tragen erste Früchte
Die KBV bewertete das Votum des Bundesrats als Zeichen dafür, dass das „Engagement der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, der Berufsverbände und der Kassenärztlichen Vereinigungen erste Früchte“ getragen habe. Es sei offenbar gelungen, zumindest den Vertretern der Länder deutlich zu machen, dass der Wegfall der Neupatientenregelung „negative Auswirkungen für die Versorgung der Patienten mit sich bringen wird und unvermeidlich mit Leistungskürzungen verbunden ist“.
Nach der ersten Lesung im Bundestag am kommenden Freitag ist für den 28. September eine Anhörung im Gesundheitsausschuss angesetzt. Die finale Beratung des Gesetzentwurfs im Bundestag wird dann voraussichtlich am 20. oder 21. Oktober stattfinden. (fst)