Abstimmung im Bundesrat

Infektionsschutz-Novelle: Lauterbach schrammt an Niederlage vorbei

Die Bundesländer haben Gesundheitsminister Lauterbach kurzfristig Änderungen bei der Infektionsschutz-Novelle abgenötigt. Für Kinder nachteilige Regelungen werden gestrichen.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Kontrahenten im Streit um die Infektionsschutz-Novelle: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte am Freitag im Bundesrat die geplanten Regelungen. Zuvor hatte Bodo Ramelow (l, Die Linke), Ministerpräsident von Thüringen und Bundesratspräsident, begründet, warum sein Land dem Gesetz nicht zustimmt.

Kontrahenten im Streit um die Infektionsschutz-Novelle: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte am Freitag im Bundesrat die geplanten Regelungen. Zuvor hatte Bodo Ramelow (l, Die Linke), Ministerpräsident von Thüringen und Bundesratspräsident, begründet, warum sein Land dem Gesetz nicht zustimmt.

© Wolfgang Kumm/dpa

Berlin. Nur mit Konzessionen in letzter Sekunde hat Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) am Freitag die Zustimmung der Länder zum novellierten Infektionsschutzgesetz erhalten.

In einer Protokollerklärung sagte die Bundesregierung zu, dass das ursprünglich vorgesehene gesetzliche Betretungsverbot von Kitas und Schulen in einem COVID-Verdachtsfall aus dem Gesetz wieder gestrichen werden soll. Gleiches gilt für die Pflicht von Kindern, sich vor dem Kita- und Schulbesuch wieder freitesten zu müssen.

SARS-CoV-2 sollte eigentlich in den Paragrafen 34 Infektionsschutzgesetz eingefügt werden, der entsprechende Betretungsverbote vorsieht – etwa bei Mumps, Röteln, Keuchhusten oder Lungentuberkulose.

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Wochenlang vom Unterricht ferngehalten

Karin Prien, CDU-Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, sezierte in ihrer Rede im Bundesrat die potenziellen Folgen der ursprünglich vorgesehenen Regelung: Kinder wären – ungeachtet des Bekenntnisses, die Schulen offen halten zu wollen – wochenlang vom Unterricht ferngehalten worden, da jeder Verdachtsfall bei Husten und Schnupfen sie vom Schulbesuch ausgeschlossen hätte, so Prien, die auch Vorsitzende der Kultusminister-Konferenz ist. Hinzu kommt, dass es vergleichbare Regelungen für Erwachsene oder die Arbeitswelt nicht im Gesetz gibt.

Mit gleichem Tenor hatten zuvor auch drei Pädiater-Verbände und -Fachgesellschaften Kritik an dem ursprünglichen Vorhaben geübt. Sie warnten vor einer klaren Benachteiligung von Kindern und vor Vollzugschaos: Unklar sei im Gesetz, was einen Verdachtsfall ausmacht und „ob für diese ‚Verdachtsdiagnose‘ eine wie auch immer definierte Qualifikation benötigt wird“.

Mehrere Ministerpräsidenten hatten daher im Vorfeld der Bundesratsabstimmung mit einem Veto gedroht, falls dieser Passus nicht aus dem Gesetz genommen wird. „Trotz Bedenken“ werde Schleswig-Holstein zustimmen, erklärte Prien am Ende ihrer Philippika.

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Lauterbach: „Ich mache das gerne“

In einer irritierenden Replik referierte Lauterbach zunächst mehrere Minuten über die von einzelnen Virusvarianten ausgehende Gefahr, bevor er zur Änderung des Paragrafen 34 in letzter Minute erklärte: „Ich mache das gerne.“ Die Regelung sei „nur zum Schutz der Kinder“ gedacht gewesen. „Das Ziel, das wir verfolgen, ist das Gleiche“, versucht der Minister die Gemeinsamkeiten herauszustellen.

Zuvor hatte sich Lauterbach eine Generalkritik des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke) anhören müssen – das Bundesland stimmte dem Gesetz nicht zu. Ramelow forderte den Bund auf, die einrichtungsbezogene Impfpflicht sofort aufzuheben.

Ramelow warf dem Bund ein „schwieriges Aussitzen“ dieser Frage vor. Denn gleichzeitig werde er von der CDU-Opposition im Landtag dazu gedrängt, die Gesundheitsämter im Land anzuweisen, das Bundesgesetz nicht zu vollziehen. „So können wir nicht damit umgehen“, resümierte Ramelow.

Kritik an kurzfristiger Vorlage des Gesetzes

Dass dem Bundesrat nur wenige Tage vor dem Auslaufen der bisherigen Regelungen im Infektionsschutzgesetz am 23. September diese Vorlage präsentiert wird, werde „der Bedeutung des Gesetzes nicht gerecht“, kritisiert Ramelow.

Die nun vom Bundesrat mit Mehrheit beschlossene Novelle des Gesetzes „zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19“ tritt zum 1. Oktober in Kraft und soll bis 7. April 2023 gelten. Es sieht unter anderem vor:

Eine bundesweit geltende FFP2-Maskenpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, dort ist außerdem ein Corona-Test verpflichtend. Dies gilt außerdem bundesweit auch in ambulanten medizinischen Einrichtungen, Tageskliniken, Dialyseeinrichtungen oder bei Rettungsdiensten sowie im Fernverkehr bei Bussen und Bahnen.

Apotheker, Zahnärzte und Tierärzte sind noch bis zum 30. April 2023 berechtigt, eine Covid-19-Impfung zu verabreichen.

Obligatorisch ist künftig die Erfassung aller PCR-Testungen, und zwar auch der negativen. Ermöglicht wird auch, die sogenannte Abwasser-Surveillance des Coronavirus fortzusetzen.

In einer begleitenden Entschließung wird moniert, dass die Verlängerung der Coronavirus-Impfverordnung nur bis Ende des Jahres zu kurz greift. Das geplante Aussetzen der Regelung Ende Dezember komme zur „Unzeit“: Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigten, dass Impfzentren und mobile Impfteams gerade im Herbst zur Unterstützung der niedergelassenen Ärzte gefordert seien – dies gelte zumal angesichts des in Kürze verfügbaren variantenangepassten Impfstoffs. Der Bundesrat fordert den Bund auf, die hälftige Mitfinanzierung der Impfzentren und mobilen Impfteams bis mindestens Ende April 2023 fortzusetzen.

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