Fette Finanzreserve

GKV-Sparschwein so dick wie noch nie

Die gesetzliche Krankenversicherung hat 2013 einen Überschuss verbucht und ihre Schatztruhe weiter aufgefüllt. Die Finanzreserven sind so hoch wie noch nie. Jetzt will Finanzminister Schäuble den Steuerzuschuss senken - um den Bundeshaushalt zu entlasten.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
30,3 Milliarden Euro sind im GKV-Sparschwein.

30,3 Milliarden Euro sind im GKV-Sparschwein.

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BERLIN. Trotz teilweise stark gestiegener Ausgaben der Krankenkassen - insbesondere für die ambulante ärztliche und zahnärztliche Versorgung - hat das GKV-System im Gesamtjahr 2013 erneut einen Überschuss verbucht: knapp 1,2 Milliarden Euro bei den Krankenkassen und 510 Millionen Euro beim Gesundheitsfonds.

Damit steigt die Finanzreserve zum Stichtag 31. Dezember 2013 auf den Rekordbetrag von 30,3 Milliarden Euro, wie aus den am Mittwoch vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten vorläufigen Finanzergebnissen für das Gesamtjahr 2013 hervorgeht.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe wertete die Reserven in der gesetzlichen Krankenversicherung als ein sehr solides Polster. "Wir können es uns deshalb leisten, aus dieser Reserve im Jahr 2015 vorübergehend Geld zur Haushaltskonsolidierung zur Verfügung zu stellen", sagte der CDU-Politiker mit Blick auf Schäubles Pläne, den laufenden Bundeszuschuss vorübergehend zu kürzen.

In den Haushaltverhandlungen habe er aber klar gestellt: "Das Geld, das wir im Jahr 2015 zur Entlastung des Bundeshaushalts aus der Liquiditätsreserve zur Verfügung stellen, muss wieder in den Gesundheitsfonds zurückfließen." Hier herrsche Einigkeit mit dem Finanzminister.

Kürzung des Bundeszuschusses nur vorübergehend

Vereinbart sei, dass der Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds ab 2017 dauerhaft und über das Jahr 2018 hinaus auf 14,5 Milliarden Euro erhöht werde. "Kürzungen bei den Zuweisungen an die Krankenkassen wird es nicht geben", so Gröhe und wies damit das Argument der Kritiker zurück, die Krankenkassen müssten aufgrund des gekürzten Bundeszuschusses ihre Beiträge erhöhen.

Das gehe an der Wirklichkeit vorbei. Auch in diesem Jahr würden die Zuweisungen, die die Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds erhalten, ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken.

Gröhe: "Es macht aber keinen Sinn, diese Summe nur über Neuverschuldung zu finanzieren und dafür Zinsen zu bezahlen, wenn in der gesetzlichen Krankenversicherung gleichzeitig 30 Milliarden Euro auf der hohen Kante liegen."

Die Kassen widersprachen vehement. "Den Bundeszuschuss zu kürzen, wäre ein Beschleunigungsprogramm für Beitragserhöhungen", sagte Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes.

Die aktuelle Finanzsituation dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben spätestens 2015 wieder aufgehe.

"Statt ständiger politischer Eingriffe brauchen wir eine verbindliche Kopplung der Höhe des Bundeszuschusses an die Entwicklung der versicherungsfremden Ausgaben", so Pfeiffer.

Klage über Unzuverlässigkeit der Politik

Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann, betonte: "Der Steuerzuschuss ist kein Almosen des Bundes an die gesetzliche Krankenversicherung."

Damit würden familienpolitische Leistungen wie die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern und nicht erwerbstätigen Ehegatten oder das Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes mitfinanziert. "Eine erneute Kürzung widerspricht dem Grundsatz der Verlässlichkeit", so Graalmann.

Ein Sprecher der Barmer GEK nannte die Pläne der Bundesregierung "ein Beispiel für die Unzuverlässigkeit politischer Zusagen". Der Gesundheitsfonds sei zentraler Bestandteil zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung.

Er müsse planungssicher sein und eine ausreichende Finanzierung der medizinischen Versorgung garantieren. "Der Gesundheitsfonds eignet sich deshalb nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern", sagte der Sprecher der "Ärzte Zeitung".

Opposition erwartet Zusatzbeiträge

Kritik gab es auch seitens der Opposition. "Die Kürzung wird dazu führen, dass es eher als vorausgesagt zu deutlichen Zusatzbeiträgen für die Versicherten kommt. Die SPD und Minister Gröhe dürfen dieser einseitigen Abwälzung von Kosten auf die Versicherten nicht tatenlos zusehen", betonte Grünen-Politikerin Maria Klein-Schmeink. Bereits der heutige Steuerzuschuss decke bei weitem nicht die Ausgaben der GKV für soziale Aufgaben.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sieht mit der Kürzung des Bundeszuschusses die Grundlage für das Preismoratorium als hinfällig an.

"Es ist schon ein Hohn, wenn man einem Wirtschaftszweig über mehr als sieben Jahre ein Preismoratorium auferlegt und andererseits gesetzlich zugesicherte Steuerzuschüsse kürzt", sagte Henning Fahrenkamp, Hauptgeschäftsführer des BPI.

Die jetzt vorgelegten Finanzdaten zeigen, dass die GKV insgesamt teils stark steigende Ausgaben verkraftet hat. Aus der Sicht einzelner Kassen und Kassenarten ist die Situation allerdings differenziert zu beurteilen.

So erzielten die Ortskrankenkassen insgesamt einen Überschuss von 977 Millionen Euro. Die Ersatzkassen verbuchten ein geringes Minus von 52 Millionen Euro. Die Betriebskrankenkassen kamen auf ein Plus von 193 Millionen Euro, die Innungskassen auf ein Plus von 63 Millionen Euro.

Vor allem Ersatzkassen, aber auch BKKen und IKKen zahlten ihren Versicherten als Folge von Überschüssen im Vorjahr Prämien mit einem Volumen von 611 Millionen Euro aus.

Der Gesundheitsfonds, der noch bis zum Ende des dritten Quartals mit 2,45 Milliarden Euro defizitär war, erreichte zum Jahresultimo ein Plus von 510 Millionen Euro. Ursächlich sind verbeitragte Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld. Somit hat der Gesundheitsfonds den von 14 auf 11,5 Milliarden Euro gekürzten Bundeszuschuss verkraftet.

Wegfall der Praxisgebühr belastet Kassen

Die Ausgaben der Krankenkassen stiegen im vergangenen Jahr auf 194,4 Milliarden Euro. Dabei nahmen die Leistungsausgaben je Versicherten um 5,1 Prozent zu. Auffällig ist der hohe Zuwachs der Ausgaben von 10,6 Prozent für ärztliche Behandlung und 8,5 Prozent für zahnärztliche Behandlung.

Der größte Teil des Ausgabenzuwachses erklärt sich aus der Abschaffung der Praxisgebühr zum 1. Januar 2013. Das hat die Patienten um insgesamt 1,8 Milliarden Euro entlastet - die Krankenkassen entsprechend entlastet. Hinzu kommen zwischen GKV und KVen vereinbarte Vergütungsverbesserungen für die Vertragsärzte.

Die Arzneimittelausgaben sind je Versicherten um 2,4 Prozent gestiegen. Nach einem moderaten Wachstum in den drei ersten Quartalen hat sich dieses im vierten Quartal auf sechs Prozent beschleunigt. Als Ursache nennt das BMG Mengen- und Struktureffekte.

Abermals entlastet wurden die Kassen durch individuelle Rabattverträge. Der Einspareffekt stieg von 2,1 auf 2,8 Milliarden Euro. Die AOK profitierte davon am meisten. Ohne Rabattverträge hätte das Ausgabenwachstum bei vier bis fünf Prozent gelegen.

Eine Trendwende zeigen die Ausgaben für Mütter-Väter-Kind-Kuren: Nach Rückgängen zwischen 2009 und 2011 beträgt das Plus elf Prozent (nach 15 Prozent in 2012).

Für spezialisierte ambulante Palliativversorgung wurden 22 Prozent mehr ausgegeben, für stationäre Hospize 13 Prozent zusätzlich.

Prävention "verbesserungsbedürftig"

"Dringenden Verbesserungsbedarf" sieht das Bundesgesundheitsministerium bei der Prävention. Trotz eines Zuwachses von 8,2 Prozent bleibe das Ausgabenvolumen von insgesamt 260 Millionen Euro "erheblich hinter dem Finanzvolumen zurück, das für eine dringend notwendige Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention notwendig ist".

Eine der vorrangigen Aufgaben des geplanten Präventionsgesetzes werde es sein, gerade in den Bereichen der betrieblichen und nicht-betrieblichen Lebenswelten die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ist Schäuble übergriffig?

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