Kommentar
Generationenkonflikte: Man muss auch verstehen wollen
Nicht jeder, der lieber telefoniert statt zu mailen, ist ein Dinosaurier. Und nicht alle, die keine 60-Stunden in der Woche arbeiten möchten, sind Faulpelze.
Veröffentlicht:Verstehen die Baby-Boomer die junge Generation – ihre Ausdrücke, ihre digital first-Kommunikation, ihren Drang zum Gendern? Wie kommen die älteren Beschäftigten mit der Einstellung der jungen zurecht? Mit der immer wieder bemühten Work-Life-Balance, dem Wunsch nach Sabbaticals, Elternzeiten.
Hand aufs Herz: Viele schütteln darüber den Kopf. Und wie wirken die älteren Kollegen auf den Nachwuchs? Mit ihren häufigen Verweisen auf die angeblich funktionierenden Lösungen aus der Vergangenheit. Mit ihrer Forderung, die Arbeit stärker in den Mittelpunkt zu rücken und nicht so sehr auf die Arbeitszeit zu schielen. Mit ihrem Drang, Mitteilungen persönlich oder am Telefon zu übermitteln.
Viele jüngere sehen solche Verhaltensweisen als überholt an, sie stellen „Dinosaurier“-Vergleiche an und schieben damit erfahrene Kollegen gedanklich auf´s Abstellgleis.
Starre Trennlinien können wir uns vor allem in der Medizin nicht erlauben
Es scheint, als würde eine nicht überwindbare Trennlinie zwischen den Generationen verlaufen. Manche winken bei den genannten Themen frustriert ab, haben innerlich gekündigt oder den Beruf aufgegeben. Diese Trennung und die daraus erwachsenen Konsequenzen können wir uns nicht erlauben. In der Medizin noch weniger als in anderen Berufen. Jede Generation muss aufgeschlossen bleiben für die Anliegen und für die Lösungsansätze anderer Altersgruppen. Erstens, weil wir auf keine gut ausgebildeten Beschäftigten verzichten können und zweitens, weil die Lösungsansätze anderer es immer wert sein sollten, sie zu überdenken. Vielleicht helfen sie ja weiter.
Ein Workshop der Jungen DIVI auf dem jüngsten DIVI-Kongress in Hamburg zeigte, wie es gehen kann: Teilnehmende aus allen Generationen suchten nach Verständnis für Lösungen und Herangehensweisen von Menschen, die in anderen Zeiten aufgewachsen sind. Anderen zuhören ist ein wichtiger erster Schritt für einen Perspektivwechsel. Das muss nicht bedeuten, dass die GenZ-Ärztin plötzlich die 60 Stundenwoche anstrebt. Aber vielleicht versteht sie besser, warum ihr erfahrener Kollege so schroff auf ihren Wunsch nach einer Auszeit reagiert hat. Und der merkt, dass die Kollegin versucht, auch mit über 60 Jahren noch arbeitsfähig zu sein – und nicht ausgebrannt.
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