Ärzte-Zuwanderung in der Schweiz
Geschlossene Schranken kommen teuer zu stehen
Etwas mehr als die Hälfte der Eidgenossen hat für eine restriktive Zuwanderungspolitik gestimmt. Dabei basiert der Wohlstand der Schweizer zu einem Gutteil auf dem Können der Einwanderer. Das zeigt sich nirgends so deutlich wie im Gesundheitswesen.
Veröffentlicht:BERN. Das Schweizer Gesundheitssystem kann durch eine restriktive Zuwanderungspolitik langfristig großen Schaden nehmen. Am Sonntag haben sich 50,3 Prozent der Schweizer Wähler für die Volksinitiative "Gegen Masseneinwanderung" ausgesprochen.
Durch diesen Volksentscheid werden Höchstzahlen und Kontingente für Ausländer eingeführt. Bei der Besetzung von Arbeitsplätzen sollen Schweizer stets Vorrang haben.
Die Höhe der Kontingente und die Kriterien, die dabei anzuwenden sind, waren nicht Gegenstand des Volksentscheids und müssen von der Schweizer Regierung nun in einem Gesetz geregelt werden.
Im Gesundheitswesen ist die Schweiz hochgradig von Einwanderern abhängig. Von den landesweit rund 32.000 Ärzten hat ein Fünftel ein ausländisches Diplom. In einzelnen Einrichtungen wie dem Universitätsspital Genf betrug der Anteil der Mitarbeiter aus EU-Ländern schon vor vier Jahren 46 Prozent.
Seit jeher bildet die Schweiz zu wenig eigene Ärzte aus. Geschlossen wird die Lücke durch hoch qualifizierte Einwanderer. Allein im Jahr 2009 sind nach Zahlen des Schweizerischen Bundesamtes für Migration insgesamt 1323 Ärzte eingewandert, 862 davon aus Deutschland.
Jährlich 850 Medizinstudierende schließen in der Schweiz ihr Studium der Humanmedizin ab. 1200 müssten es nach Angaben der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte sein (FMH), um die Versorgung der Eidgenossen auch künftig sicherzustellen.
"Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Anzahl Studienplätze an den medizinischen Fakultäten der Universitäten unverzüglich erhöht werden", heißt es in einem Beschluss der FMH vom November 2013.
Deutscher Steuerzahler subventioniert die Schweiz
Da tritt die Schweizerische Universitätskonferenz (SUK) lieber auf die Bremse. In einer Stellungnahme im Frühjahr 2013 verwies das Gremium auf Kapazitätsengpässe bei der Ausbildung. Die Rechnung der SUK ist einfach: "Wenn wir mehr Schweizer Ärzte ausbilden, mindert das in keiner Weise die Attraktivität unseres Landes für die ausländischen Ärzte. Es besteht sogar die Gefahr, dass die Zahl der verfügbaren Weiterbildungsplätze nicht mehr ausreicht."
Das Schweizer Magazin "Die Weltwoche" beziffert die Einsparungen, die die Eidgenossen durch die deutschen Ärzte allein in Schweizer Spitälern erzielen, auf 1,9 Milliarden Franken (rund 1,55 Milliarden Euro). "Der deutsche Staat subventioniert das schweizerische Gesundheitswesen", folgert "Die Weltwoche".
Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) hat in einer Studie ermittelt, dass das Land angesichts der demografischen Entwicklung bis zum Jahr 2020 "mindestens 25.000 Fachkräfte zusätzlich" in Gesundheitsversorgung und Pflege brauchen wird.
Schon bei der heftigen Diskussion, ob die Schweiz ab 2011 die EU-Regeln der Freizügigkeit für Personen adaptieren soll, hatten Klinik- und Pflegeverbände im Jahr 2009 massiv für eine liberale Zuwanderungspolitik geworben.
Anderenfalls könnten die Krankenhäuser "die bisher erbrachten Leistungen in der gewohnten Qualität nicht mehr erbringen, und die Wartezeiten für Patienten würden sich verlängern", warnten die Verbände damals. Künftig könnten ihre Probleme noch größer werden.
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