Ärzte-Zuwanderung in der Schweiz

Geschlossene Schranken kommen teuer zu stehen

Etwas mehr als die Hälfte der Eidgenossen hat für eine restriktive Zuwanderungspolitik gestimmt. Dabei basiert der Wohlstand der Schweizer zu einem Gutteil auf dem Können der Einwanderer. Das zeigt sich nirgends so deutlich wie im Gesundheitswesen.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Grenze zur Schweiz: Müssen deutsche Ärzte hier bald Kehrt machen?

Grenze zur Schweiz: Müssen deutsche Ärzte hier bald Kehrt machen?

© Steffen Schmidt / epa / dpa

BERN. Das Schweizer Gesundheitssystem kann durch eine restriktive Zuwanderungspolitik langfristig großen Schaden nehmen. Am Sonntag haben sich 50,3 Prozent der Schweizer Wähler für die Volksinitiative "Gegen Masseneinwanderung" ausgesprochen.

Durch diesen Volksentscheid werden Höchstzahlen und Kontingente für Ausländer eingeführt. Bei der Besetzung von Arbeitsplätzen sollen Schweizer stets Vorrang haben.

Die Höhe der Kontingente und die Kriterien, die dabei anzuwenden sind, waren nicht Gegenstand des Volksentscheids und müssen von der Schweizer Regierung nun in einem Gesetz geregelt werden.

Im Gesundheitswesen ist die Schweiz hochgradig von Einwanderern abhängig. Von den landesweit rund 32.000 Ärzten hat ein Fünftel ein ausländisches Diplom. In einzelnen Einrichtungen wie dem Universitätsspital Genf betrug der Anteil der Mitarbeiter aus EU-Ländern schon vor vier Jahren 46 Prozent.

Seit jeher bildet die Schweiz zu wenig eigene Ärzte aus. Geschlossen wird die Lücke durch hoch qualifizierte Einwanderer. Allein im Jahr 2009 sind nach Zahlen des Schweizerischen Bundesamtes für Migration insgesamt 1323 Ärzte eingewandert, 862 davon aus Deutschland.

Jährlich 850 Medizinstudierende schließen in der Schweiz ihr Studium der Humanmedizin ab. 1200 müssten es nach Angaben der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte sein (FMH), um die Versorgung der Eidgenossen auch künftig sicherzustellen.

"Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Anzahl Studienplätze an den medizinischen Fakultäten der Universitäten unverzüglich erhöht werden", heißt es in einem Beschluss der FMH vom November 2013.

Deutscher Steuerzahler subventioniert die Schweiz

Da tritt die Schweizerische Universitätskonferenz (SUK) lieber auf die Bremse. In einer Stellungnahme im Frühjahr 2013 verwies das Gremium auf Kapazitätsengpässe bei der Ausbildung. Die Rechnung der SUK ist einfach: "Wenn wir mehr Schweizer Ärzte ausbilden, mindert das in keiner Weise die Attraktivität unseres Landes für die ausländischen Ärzte. Es besteht sogar die Gefahr, dass die Zahl der verfügbaren Weiterbildungsplätze nicht mehr ausreicht."

Das Schweizer Magazin "Die Weltwoche" beziffert die Einsparungen, die die Eidgenossen durch die deutschen Ärzte allein in Schweizer Spitälern erzielen, auf 1,9 Milliarden Franken (rund 1,55 Milliarden Euro). "Der deutsche Staat subventioniert das schweizerische Gesundheitswesen", folgert "Die Weltwoche".

Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) hat in einer Studie ermittelt, dass das Land angesichts der demografischen Entwicklung bis zum Jahr 2020 "mindestens 25.000 Fachkräfte zusätzlich" in Gesundheitsversorgung und Pflege brauchen wird.

Schon bei der heftigen Diskussion, ob die Schweiz ab 2011 die EU-Regeln der Freizügigkeit für Personen adaptieren soll, hatten Klinik- und Pflegeverbände im Jahr 2009 massiv für eine liberale Zuwanderungspolitik geworben.

Anderenfalls könnten die Krankenhäuser "die bisher erbrachten Leistungen in der gewohnten Qualität nicht mehr erbringen, und die Wartezeiten für Patienten würden sich verlängern", warnten die Verbände damals. Künftig könnten ihre Probleme noch größer werden.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Die irrationale Angst vor der "Verwelschung"

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Kommentare
Dr. Ernst Weiland 12.02.201408:56 Uhr

Unqualifiziert?

Sehr geehrter Herr Arghir,

womöglich haben sie sich durch meinen Beitrag persönlich angegriffen gefühlt, was allerdings unverständlich wäre, da Sie sich dann selbst Kategorien zugeordnet hätten, zu denen ich Sie als Diskutant in der Ärztezeitung nicht zählen möchte.

Es ist allerdings bedenklich, wenn Sie mit den Mitteln, die Sie kritisieren, selbst die Kriterien mangelnder Qualifikation und Substantiierung erfüllen.

Zu Ihren Einlassungen folgendes:

Der Hinweis auf Gesetze muss differenziert gesehen werden. Gesetze können auch falsch sein, denn sie entspringen stets dem Willen der Machthaber. Wäre es anders, dann wären auch die Rassengesetze des Dritten Reichs völlig in Ordnung, schliesslich waren es ja "Gesetze". Ich denke, wir sind uns beide darüber einig, dass diese "Gesetze" natürlich völlig unakzeptabel waren.

Da Gesetze auch falsch sein können, muss man sie auch kritisieren und ändern können. Dass die Nutzniesser solcher Gesetze dann stets aufschreien, ist natürlich und erwartbar. Dass diejenigen, die unter diesen Gesetzen zu leiden haben, eine Änderung verlangen, ist jedoch legitim. Dabei rede ich nicht vom Strafgesetzbuch, obwohl auch dort richtigerweise Änderungen vorgenommen wurden und werden, z.B. die Abschaffung des § 175 (Strafbarkeit der Homosexualität).

Wenn Sie "Ethik" als Grundlage der Politik postulieren, dann ehrt Sie dies, ist jedoch wie wir alle wissen, in der Regel realitätsfremd. Politik ist Machtausübung, und die kennt keine oder nur wenig Ethik.

Darüber hinaus sollten Sie die Ethik zuallererst bei denjenigen Machthabern von Staaten einfordern, die die eigenen Bürger drangsalieren und damit zum Auswandern bewegen. Nun kann allerdings ein Staat wie Deutschland mit seinen komfortablen Sozialsytemen nicht für die ganze Welt sorgen und ebensowenig haben wir genügend Arbeitsplätze zur Verfügung. Oder wie sonst erklären Sie sich, dass wir in Deutschland über 3 mio Arbeitslose (offiziell), inoffiziell sogar mehr als 5 mio Arbeitslose haben? Lesen Sie einmal die einschlägigen Publikationen der Sozialverbände.

Darüber hinaus ist der Brain drain, der mit unserer Anwerbung von "Fachkräften" aus anderen EU-Staaten dort entsteht, für diese Länder fatal, denn sie benötigen diese Fachkräfte selbst sehr dringend für ihre wirtschaftliche Weiterentwicklung. Wenn diese Entwicklung stockt oder sogar rückwärts geht, werden noch mehr Menschen sich gezwungen sehen, auszuwandern - ein Teufelskreis!

Als letzten Punkt: Sie erwähnten die Menschenrechte. Es ist gut, dass wir diese haben. Gleichwohl gibt es kein Menschenrecht auf Einwanderung in fremde Staaten oder Sozialsysteme. Diese Rechte werden jemandem, der in Not ist, ggf. "gewährt", stellen also eine freiwillige Leistung der Aufnahmegesellschaft dar.

Dass einige Leute ein hohes Interesse daran haben, diesen Vorgang zu automatisieren, ist klar. Dagegen jedoch muss man sich schon im Sinne der andere, rechtmäßigen Leistungsbezieher und auch der Bürger, die mit ihrer Arbeit und ihren Steuergeldern diese Leistungen schaffen müssen, verwahren.

Mit kollegialem Gruß

vlad arghir 11.02.201417:40 Uhr

Wohl kaum, es gibt ja die Feuerwehr

Gegen diese unqualifizierte und unqualifizierbare Position ist Einspruch zu erheben. Beweismaterial fehlt, Kompetenz zum Thema ist nicht erkennbar. rigens was „legitim“ und vor allem legal ist definieren besipielsweise Gesetze oder internationale Menschenrechtsabkommen. Per „Meinungsäusserung“ und Volksentscheid In Sachen Ethik kann keine Politik gemacht werden – bloß Stimmung. Das Abendland wird wohl an derlei nicht untergehen. Hier haben aber Politiker Ihre Verantwortung wahrzunehmen.

Dr. Ernst Weiland 11.02.201410:48 Uhr

Der Untergang des Abendlandes?

Nein, das Abendland wird nicht daran untergehen, dass ein souveränes Volk eine Entscheidung demokratisch getroffen hat.

Die Überzeichnungen dessen, was aus diesem Entscheid angeblich folgt, ist nur Teil der repressiven EU-Politik, die nicht einsehen will, dass die Freizügigkeit, wie sie in der EU praktiziert wird, schlichtweg falsch ist und eben nicht nur Arbeitnehmerfreizügigkeit sondern auch Sozialhilfefreizügigkeit und Kriminalitätsfreizügigkeit bedeutet.Über die Anteile der einzelnen Kategorien mag man trefflich streiten, jedoch sind unabhängig vom Prozentsatz die beiden letzteren Kategorien nicht hinnehmbar. Wenn uns die Politik verkaufen will, dass wir diese Kollaterlaschäden hinzunehmen hätten, weil wir unterm strich mehr Vorteile hätten, dann ist das schlichtweg Volksverdummung, bestenfalls jedoch Ignoranz gegenüber dem politischen Auftrag, solche Wirkungen zu vermeiden.Wenn die Politik dafür keine Abhilfe anbietet und weiterhin auf ungebremster Zuwanderung besteht, muss sie sich nicht wundern, wenn der widerstand in der Bevölkerung wächst.

Zum Thema deutsche Ärzte in der Schweiz: wer den Abstimmungstext sorgfältig gelesen hat, der wird folgendes feststellen:
- nirgendwo steht, dass bereits in der Schweiz lebende und arbeitende Ausländer jetzt ausgewiesen werden sollen.
- das Primat Schweizer Arbeitnehmer vor ausländischem Arbeitnehmer gilt nur dort, wo der Bedarf auch gedeckt werden kann. Für Arbeitsplätze, für die die Schweiz selber nicht genug Spezialisten hat, werden auch weiterhin ausländische Arbeitnehmer akzeptiert. Und das sind viele, besonders im Gesundheitssektor!
- Es ist davon auszugehen, dass Leute mit viel Kapital und/oder guter Ausbildung auch weiterhin gerne als Schweizer Staatsbürger akzeptiert werden, da wird es keine Quote geben.

Es ist völlig legitim, Leute abzuweisen, die ausschliesslich wegen der besseren Sozialsysteme einwandern wwollen, hingegen für Arbeit in einer hochindustrialisierten Gesellschaft unterqualifiziert sind oder an Arbeit ohnehin wenig Interesse haben. Ich wünschte mir, dass auch deutsche Politiker endlich einmal begreifen, dass die Zukunft unseres Landes nicht mit einem wachsenden Prekariat gesichert werden kann.Dieses sprengt nicht nur den Generationenvertrag, sondern den Zusammenhalt der Gesellschaft an sich.

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