TTIP-Abkommen

Gesundheit muss ein Tabu bleiben

Das kontrovers diskutierte Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA könnte auch die Gesundheitssysteme treffen. Wir dokumentieren eine gemeinsame Erklärung der Präsidenten und Vorsitzenden der Heilberufe-Organisationen.

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Seit vielen Monaten wird gegen Inhalte und Intransparenz des zwischen der EU und den USA verhandelten TTIP protestiert.

Seit vielen Monaten wird gegen Inhalte und Intransparenz des zwischen der EU und den USA verhandelten TTIP protestiert.

© dpa

"Freihandelsabkommen dürfen die Behandlungsqualität, den schnellen Zugang zur Gesundheitsversorgung und das hohe Patientenschutzniveau in Deutschland und der EU nicht beeinträchtigen.

Das deutsche Gesundheitswesen ist geprägt von den Prinzipien der Selbstverwaltung und der Freiberuflichkeit.

Art. 168 Abs. 7 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union stellt klar, dass die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung zu wahren ist.

Die sich daraus ergebende Vielfalt kommt den Patienten zugute. Darüber hinaus hat die Europäische Union die Sonderstellung des Gesundheitssystems anerkannt. Gesundheitsdienstleistungen sind besonders sensibel, allgemeinwohlbezogen und schützenswert.

Wir erwarten, dass die Verhandlungsführer der Europäischen Union diese Grundsätze bei den Verhandlungen beachten und unsere erfolgreichen Gesundheitssysteme schützen.

Die Rechte der Patienten wie auch die Freiberuflichkeit von Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten und Apothekern sowie die Kompetenzen ihrer Selbstverwaltungsorgane dürfen nicht eingeschränkt oder aufgehoben werden.

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union müssen in Fragen der Gesundheitspolitik und der Ausgestaltung der Gesundheitssysteme ihre Souveränität behalten. Wir fordern daher eine Positivliste, die klarstellt, dass TTIP keine Anwendung auf das Gesundheitswesen und die Heilberufe findet.

Patienteninteressen vor Kapitalinteressen

Kapitalinteressen dürfen medizinische Entscheidungen nicht beeinflussen. In Deutschland existiert ein weitgehend selbstverwaltetes, am Gemeinwohl orientiertes Gesundheitswesen.

Das US-amerikanische Gesundheitssystem ist im Gegensatz dazu stark marktwirtschaftlich geprägt und weist deutlich weniger solidarische Elemente auf. Die Struktur unseres Gesundheitswesens ist maßgeblich gekennzeichnet durch Schutzmechanismen wie die Zulassungsvoraussetzungen für Vertrags(zahn)ärzte, die Bedarfsplanung oder den Sicherstellungsauftrag der Körperschaften.

Diese dürfen nicht durch Freihandelsabkommen aufgebrochen werden, um rein gewinnorientierten Unternehmen Profitmöglichkeiten durch das Betreiben von (Zahn)Arztpraxen, Apotheken oder MVZs zu eröffnen (...)

Die Vorschriften für den Berufszugang und die Berufsausübung der Heilberufe dienen dem Schutz der Patienten und der Sicherung einer qualitativ hochwertigen gesundheitlichen Versorgung. Sie dürfen nicht durch die geplanten Freihandelsabkommen ausgehöhlt werden.

Die Heilberufe sind besorgt, dass der Anwendungsbereich der Freihandelsabkommen Gesundheitsdienstleistungen erfassen, deregulieren und darüber hinaus einer Normung unterziehen könnte...

Die Aufgaben der Kammern der Heilberufe sind im Wesentlichen in den Heilberufe- und Kammergesetzen verankert. Sie beinhalten die Förderung der Qualitätssicherung und der Fortbildung, die Gestaltung der Weiterbildung ihrer Mitglieder, die Mitwirkung an der Berufsausbildung, die Wahrung der Interessen des Berufsstandes und die berufsrechtlich Überwachung ihrer Mitglieder. Diese Bestimmungen sind notwendig, um ein hohes Qualitätsniveau der medizinischen Versorgung im Interesse der Patientinnen und Patienten sicherzustellen.

Der EuGH hat mehrfach entschieden, dass ein zwingender Grund des Allgemeininteresses eine Beschränkung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen kann. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses sind die Gewährleistung des Patientenschutzes (...)

Die Verhandlungsführer der Europäischen Union müssen zwingend dafür Sorge tragen, dass der Patientenschutz und die hohe Qualität der medizinischen Versorgung nicht einem rein marktwirtschaftlich motivierten Liberalisierungsstreben zum Opfer fallen.

Wir fordern daher, dass Gesundheitsdienstleistungen aus dem Anwendungsbereich von Freihandelsabkommen ausgeschlossen werden. Freihandelsabkommen dürfen unsere Standards nicht senken.

Teilnahme am medizinischen Fortschritt sichern

Der medizinische Fortschritt basiert auch darauf, medizinische Verfahren anzuwenden und sie stetig zu verbessern. Anders als in den USA, die sogenannte "Medical Procedure Patents" zulassen, sind in Europa Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers und Diagnostizierverfahren von der Patentierbarkeit ausgeschlossen.

Ärzten muss die Freiheit erhalten bleiben, sich für die am besten geeignete Maßnahme zur Behandlung ihrer Patienten entscheiden zu können.

Durch "Medical Procedure Patents" können Behandlungsmöglichkeiten blockiert werden. Dies führt letztlich dazu, dass Patienten von der Teilhabe am Fortschritt in der Medizin ausgeschlossen werden."

Professor Frank Ulrich Montgomery, Bundesärztekammer

Dr. Andreas Gassen, KBV

Dr. Peter Engel, Bundeszahnärzterkammer

Dr. Wolfgang Eßer, KZBV

Friedemann Schmidt, ABDA

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 21.05.201522:21 Uhr

fromme Wünsche, das sind Geheimverhandlungen!

und auch in USA ist der "Gesundheitsmarkt" schon lange Nr. zwei, gleich hinter der Rüstung (Waffen zum töten)

Dr. Wolfgang Bensch 21.05.201508:33 Uhr

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Donnerwetter, da berauschen sich wieder einmal best dotierte und angestellte Funktionäre am Nimbus der "Freiberuflichkeit" eines versklavten Kassenarztes der GKV, dem sogar noch für seine Notfalldienstverpflichtung Quartal um Quartal im Vorwegabzug der Honorarauszahlung Geld abgeknöpft wird, damit ihre Hoheit "Selbstverwaltung" die Illusion des übernommenen Sicherstellungsauftrages im ambulanten Bereich aufrecht erhalten kann.
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