Digitales Gesundheitswesen in der EU

Gesundheitsdaten – für Apple oder für den Hausarzt?

Die EU will die Digitalisierung der Gesundheitsdienste voranbringen – Sprechstunde via Smartphone?

Von Detlef Drewes Veröffentlicht:

BRÜSSEL. Loreta arbeitet als Software-Ingenieurin bei einem großen litauischen Unternehmen. Spezialgebiet: E-Health-Programme. „Das ist ja wie in der Steinzeit“, sagt die 42-jährige Mutter von drei Kindern, als wir über das deutsche Rezeptwesen sprechen.

„Ihr geht also wirklich zum Arzt, holt dort einen Zettel, der Rezept heißt, ab, tragt ihn in die Apotheke, von dort wird er zur Krankenkasse gebracht, die ihn dann weiter verarbeitet? Das ist vorsintflutlich. Es gibt Apps, die das besser können.“ Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat im Norden der Europäischen Union längst begonnen. Zumindest in den baltischen Staaten.

Ärztliche Untersuchungsergebnisse, Röntgen-Bilder, Verordnungen – alles landet auf Servern. Von dort aus können Ärzte in Praxen oder Kliniken mit der Gesundheitskarte der Patienten die gespeicherten Informationen abrufen. Fazit: Die Krankenversicherung arbeitet effizienter und kostensparender. Die Digitalisierung verändert das Gesundheitswesen.

Vor wenigen Monaten hat der zuständige EU-Kommissar Vytenis Andriukaitis nach langen Beratungen eine Verordnung über elektronische Verschreibungen vorgestellt. Sie sollen es Versicherten ermöglichen, ihre Arzneimittel auch in den Apotheken anderer Mitgliedstaaten abholen zu können. Bisher beteiligen sich Finnland und Estland. Deutschland will erst 2021 in das System einsteigen.

In Brüssel wird derweil weitergedacht – der Ausbau der Telemedizin gilt als wichtiges Feld, um die Versorgung der europäischen Bürger zu verbessern. Eines der Modelle, an denen man sich orientiert, stammt aus der Schweiz, wo Dermatologen die Plattform www.derma2go.ch aufgebaut haben. „Arztbesuche werden in Zukunft immer häufiger auch digital stattfinden“, sagt Initiator und Klinikarzt Christian Greis.

Per Handykamera könne man mit dem behandelnden Arzt reden, ihm Fotos von Symptomen schicken. Vor allem bei „niedrigschwelligen Untersuchungen“ werde dies die Mediziner vor Ort entlasten, um sich auf beratungsintensive Erkrankungen zu konzentrieren.

In der EU-Strategie für den digitalen Binnenmarkt sind solche Erfahrungen und Versuche bereits enthalten. Blockiert wird die Umsetzung derzeit noch von den Mitgliedstaaten. Da geht es um Datenschutz und die Informationshoheit der Versicherten.

Die Kommission will deshalb in der nächsten Legislaturperiode des EU-Parlamentes zunächst eine digitale Patientenkurzakte einführen. Sie soll „Hintergrund-Informationen über wichtige Gesundheitsanliegen wie Allergien, derzeitige Medikation, Viruserkrankungen, Operationen usw.“ enthalten. Zugriff könnten Ärzte und Klinikmediziner über die Gesundheitskarte der Versicherten erhalten, auf der selbst keine Angaben hinterlegt werden.

Vorteil: Die elektronische Patientenakte stünde in den Sprachen aller Mitgliedstaaten zur Verfügung. Ein französischer Patient könnte beim Urlaub in Spanien viel individueller betreut werden. Außerdem setzt man in Brüssel auf „tragbare Geräte zur Überwachung von Patienten, Software für Operationssäle, Operationsroboter zur Überwachung von Patienten sowie Grundlagenforschung am virtuellen physiologischen Menschen“.

Ein hochrangiges Mitglied der EU-Kommission brachte das anschaulich auf den Punkt: „Die Leute laufen mit Uhren und Trackern durch die Gegend, die wichtige physiologische Funktionen erfassen. Es kann doch nicht sein, dass diese anschließend zwar an Apple oder Samsung, aber nicht an die behandelnden Ärzte gehen.“ Die Digitalisierung werde in den kommenden Jahren das Gesundheitswesen zum „Vorteil aller“ tiefgreifend verändern.

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