Coronavirus

Gesundheitsweiser Gerlach kritisiert schlechte Daten und Entscheidungen im Blindflug

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats fordert, systematisch die Schwachpunkte in der Versorgung bei der Bewältigung der Corona-Pandemie aufzuarbeiten: Warum erhält das RKI beispielsweise nicht alle Daten digital?

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Der Gesundheitsweise Professor Ferdinand Gerlach fordert, die Erfahrungen im Gesundheitssystem beim Umgang mit der Pandemie systematisch auszuwerten, um daraus zu lernen.

Der Gesundheitsweise Professor Ferdinand Gerlach fordert, die Erfahrungen im Gesundheitssystem beim Umgang mit der Pandemie systematisch auszuwerten, um daraus zu lernen.

© ©Stiftung Gesundheitswissen

Berlin. Professor Ferdinand Gerlach, Vorsitzender des Gesundheit-Sachverständigenrats, sieht in der Corona-Pandemie große Probleme bei der Datenqualität.

In einem Interview mit der Online-Publikation „Gerechte Gesundheit“, das am 24. März geführt wurde, beklagt Gerlach, die Qualität der Berichte von regionalen Behörden und Landesbehörden an das Robert Koch-Institut sei „schlechter als man in unserem Land denken sollte“. Er habe „große Zweifel an der Validität der Daten, auf deren Basis wir jetzt extrem weitreichende Entscheidungen treffen“, so Gerlach.

Digitale und vollständige Datensätze

Daher sei es zu früh für „fundierte Aussagen“ über Ausbruchsgeschehen und Versorgungsqualität. Das RKI müsse Daten auf digitalem Wege erhalten – und vor allen Dingen vollständige Daten. So müssten zum Beispiel alle Testergebnisse berichtet werden, auch die nicht positiven Tests. Unterschieden werde auch nicht, welche Patienten mit SARS-CoV-2 und welche Patienten an COVID-19 gestorben sind.

Wenn aktuell über Infektionsraten und die Effektivität ergriffener Eindämmungsmaßnahmen diskutiert werde, geschehe dies „teilweise im Blindflug, weil die Daten, die wir dazu brauchen, nicht in der Qualität und nicht vollständig vorliegen“, kritisierte Gerlach.

Nötig in der aktuellen Krise sei eine „gestufte Strategie und ein Public-Health-Ansatz“ für die Versorgung der COVID-19-Patienten. Der Vorsitzende des Sachverständigenrats verweist auf Berichte aus Italien, wo Klinik-Mitarbeiter und Sanitäter selbst die Super-Spreader für das Virus seien. 41 Prozent der Patienten hätten sich dort überhaupt erst im Krankenhaus angesteckt.

Gefragt seien daher „unter Versorgungs- und Infektionsschutzaspekten durchdachte, kluge Konzepte“, wie Verdachtsfälle von anderen Patienten getrennt werden können. Auch die Frage, wie viele Patienten überhaupt zwingend krankenhauspflichtig sind, müsse sorgfältig ausgewertet werden.

Telefonische Ersteinschätzung ist zentral

Gerlach sieht in der aktuellen Pandemie die Empfehlungen des Sachverständigenrats für eine Notfallreform als bestätigt an. Dringend geboten sei ein gemeinsames Notfall-Leitsystem aus einem Guss. „Wir brauchen eine qualifizierte telefonische Ersteinschätzung, die Patienten in die richtige Versorgungsebene steuert“, forderte Gerlach.

Der Sachverständigenratsvorsitzende warnte davor, nach der Pandemie zur Tagesordnung überzugehen. „Wir müssen systematisch aus der Situation lernen und da gibt es sehr sehr viel.“

Noch vor Bekanntwerden der zahlreichen Corona-Todesfälle in Heimen bezeichnete Gerlach den Schutz der dort lebenden Patienten als größte Herausforderung. „Dort leben die Hochrisikopatienten. Normalerweise müsste man genau dort den Einsatz der Mittel konzentrieren.“ Dies alles gelte es aufzuarbeiten, um „besser für die nächste Pandemie vorbereitet zu sein“.

Lesen sie auch
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Systematisches Review

Dermatosis papulosa nigra: Diese Behandlungsoptionen gibt es

Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung

Symposium der Paul-Martini-Stiftung

COVID-19 akut: Früher Therapiestart effektiv

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Finanzielle Lage der GKV

Zusatzbeiträge 2025: Hiobsbotschaften im Tagesrhythmus

Lesetipps
Dreidimensionale Darstellung des Syphilis-Erregers.

© Christoph Burgstedt / stock.adobe.com

Hinweis von Infektiologin

Syphilis täuscht Rheumaerkrankungen und Schübe vor

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (l.) bei der Übergabe des Aktionsplans für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen an Jürgen Dusel, Beauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderungen und Verena Bentele, Sprecherin des Deutschen Behindertenrats.

© picture alliance/dpa | Carsten Koall

Aktionsplan vorgelegt

Lauterbach forciert Umbau zu barrierefreien Arztpraxen