Entprivatisierung
Gutachter schlägt Neuorganisaton der Unabhängigen Patientenberatung vor
Findet die Unabhängige Patientenberatung (UPD) eine neue organisatorische Heimat? Ein am Freitag veröffentlichtes Gutachten setzt darauf, die Beratung zu entprivatisieren.
Veröffentlicht:Berlin. Eine Neuorganisation der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) schlägt der Gesundheits- und Sozialrechtler Professor Thorsten Kingreen von der Universität Regensburg vor.
Die UPD sollte durch eine Unabhängige Verbraucher- und Patientenberatung gGmbH verantwortet werden, deren Träger wiederum allein gemeinnützige und freie Einrichtungen und Organisationen sein könnten, heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Gutachten Kingreens für den Verbraucherzentrale Bundesverband.
Nicht wie bisher die Krankenkassen sollten die UPD finanzieren, sondern der Bund via Bundesministerium für Gesundheit.
Ausschreibung in der Kritik
Damit wäre die bislang vorgesehene periodische Ausschreibung hinfällig. „Es ist sowohl mit europäischem Vergaberecht als auch mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar, die Leistungen der unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung institutionell zu verstetigen“, heißt es im Gutachten.
Auch der Bundesrechnungshof und die Patientenbeauftragte der Bundesregierung hatten sich bereits für eine solche Verstetigung ausgesprochen. Der Bundesrechnunghof hatte Mitte des Jahres moniert, dass mit der privaten Neuausrichtung der Beratung die finanzielle Ausstattung der UPD deutlich erhöht worden sei.
Patientenbeauftragte hat Qualitätsrisiken ausgemacht
Die Zahl der Beratungen sei aber nicht in gleichem Maße gestiegen kritisierten die Prüfer in dem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages.
Qualitätsrisiken hat die Patientenbeauftragte ausgemacht. Das Ausschreibungsmodell führe zu regelmäßigem Abfluss von Kompetenz und Wissen aus der UPD. Jeder neue Ausschreibungsgewinner müsse sich die Kompetenz wieder neu erarbeiten, hatte die Patientenbeauftragte Professorin Claudia Schmidtke erst im Juni im Interview mit den „Stuttgarter Nachrichten“ gesagt.
In der gegenwärtigen Aufstellung könne die UPD ihre Potenziale nicht entfalten, kommentierte die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion der Grünen im Bundestag Maria Klein-Schmeink die Ergebnisse des Gutachters. „Wir plädieren zusätzlich zur Unabhängigkeit und institutionellen Verstetigung dafür, die maßgeblichen Patientinnen- und Patientenorganisationen in die Trägerschaft einzubinden“, sagte Klein-Schmeink am Freitag.
Gesetzesänderung nötig
Voraussetzung für ein Ende der Ausschreibung nach Ende der laufenden Vergabeperiode 2023 sei eine Änderung des Paragrafen 65 SGB V, heißt es bei Kingreen. Die Patientenberatung werde rechtssystematisch eher wie ein Modellvorhaben behandelt.
Der Vorschlag des Gutachters lautet daher, die Patientenberatung aus dem Abschnitt „Weiterentwicklung der Versorgung“ in den Abschnitt „Leistungen der Krankenversicherung“ unterzubringen.
Seit vier Jahren eine gemeinnützige GmbH
Seit 2016 ist die UPD eine gemeinnützige GmbH. Sie arbeitet aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem GKV-Spitzenverband und der privaten Sanvartis GmbH, die zur Zeit das operative Geschäft versieht.
Nach dem Verkauf der Schweizer Muttergesellschaft Sanvartis Group sind seit zwei Jahren auch zwei Kölner Unternehmer Miteigentümer der UPD gGmbH. Deren Unternehmen Careforce GmbH ist nach eigenen Angaben ein „führendes Unternehmen“ bei Personal und Vertriebsdiensten für die Pharmaindustrie.
Bis Ende 2015 wurde die UPD vom Sozialverband VdK, dem Verbraucherzentrale Bundesverband und einem aus zahlreichen Organisationen gebildeten Verbund unabhängiger Patientenberatung betrieben.
Finanziert wird die UPD aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung mit derzeit rund neun Millionen Euro im Jahr.