Früherkennung

HIV-Test bei Frauen oft zu spät

Bei Männern wird eine HIV-Infektion meist früher entdeckt als bei Frauen. Jede Zweite befindet sich schon im fortgeschrittenen Stadium, wenn HIV festgestellt wird.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Die frühe Erkennung von HIV durch einen Test ist ein essenzieller Schritt für eine wirksame HIV-Therapie.

Die frühe Erkennung von HIV durch einen Test ist ein essenzieller Schritt für eine wirksame HIV-Therapie.

© jarun011 / fotolia.com

BERLIN. Viele Frauen erfahren erst, dass sie HIV-positiv sind, wenn lebensbedrohliche Erkrankungen auftreten. Oft schöpfen Ärzte und die Frauen selbst über lange Zeit sogar dann keinen Verdacht, wenn bereits hartnäckig wiederkehrende, schwere Infektionen oder sehr rasch wachsende Krebserkrankungen aufgetreten sind.

Späte Diagnose, irreparabler Schaden

Da HIV oft mit Drogenkonsum und mit häufig wechselndem, ungeschütztem Sex assoziiert wird, denken Ärzte und Patientinnen nicht an HIV, oder es bestehen Hemmungen, das Thema anzusprechen.

"Oft wird die Diagnose so spät gestellt, dass bereits irreparable Gesundheitsschäden entstanden sind", betonte Steffen Taubert, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Deutschen AIDS-Hilfe, auf der Pressekonferenz des Fortbildungskongresses (FOKO) der Frauenärztlichen Bundesakademie Anfang März in Düsseldorf.

Auch die Vorstellung, dass eine HIV-Infektion nur bei jüngeren Frauen in Betracht kommt, ist falsch: Das durchschnittliche Alter bei der Diagnose liegt bei 34 Jahren, und im Jahr 2014 war die älteste Frau, bei der eine HIV-Infektion neu diagnostiziert wurde, 76 Jahre alt.

Dass HIV-Infektionen bei Frauen oft über einen langen Zeitraum übersehen werden, belegen die Statistiken des Robert Koch-Instituts: Eine HIV-Infektion wurde im Jahr 2013 in Deutschland bei 2838 Männern und bei 463 Frauen neu festgestellt. Im Spätstadium der Erkrankung waren zu diesem Zeitpunkt 30 Prozent der infizierten Männer, aber 54 Prozent der infizierten Frauen.

Kassen zahlen meist den Test

Hinzu kommt: Je älter die Patientin und je kleiner der Wohnort, umso häufiger wird die Krankheit erst spät diagnostiziert. Die HIV-Infektion kann heute in den allermeisten Fällen gut beherrscht werden, wenn sie frühzeitig entdeckt wird. "Frauen, die irgendwann im Leben einmal ein HIV-Risiko hatten, sollten keine Scheu haben, einen HIV-Test durchführen zu lassen", rät Taubert.

Für diesen Test kann man entweder zum örtlichen Gesundheitsamt gehen, wo der Test kostenlos oder gegen geringe Gebühr und anonym durchgeführt wird. Oder man bittet in der Frauenarztpraxis des Vertrauens um eine Untersuchung. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten im Rahmen der Schwangerenvorsorge oder wenn Symptome einen Test nahelegen oder wenn ein bedeutsames Übertragungsrisiko vorliegt.

Ein erhöhtes Risiko besteht zum Beispiel auch bei Entzündungen oder anderen Schleimhautschäden im Intimbereich oder - bei oralen Praktiken - im Mund-Rachen-Raum. Auch in diesen Fällen übernehmen die Krankenkassen die Kosten für die Testung.

Über Sex lassen sich auch andere sexuell übertragbare Infektionen übertragen, die wegen der Schleimhautschäden das Risiko für eine HIV-Übertragung erhöhen.

Frauen mit häufig wechselnden Partnern sollten sich deswegen regelmäßig auch auf Syphilis, Chlamydien und andere STD testen lassen. "Kondome schützen zuverlässig vor HIV und reduzieren zwar das Risiko sich mit anderen sexuell übertragbaren Infektionen anzustecken," erklärt Taubert. "Die meisten Geschlechtskrankheiten sind aber viel leichter übertragbar als HIV; das Kondom kann sie nicht immer verhindern."

HIV in der Schwangerschaft

Durch eine frühzeitige Behandlung der Infektion ist es heute auch für HIV-positive Frauen möglich, schwanger zu werden und ein Kind mit einer natürlichen Geburt zu bekommen. Die beste Chance haben Mutter und Kind, wenn die Infektion spätestens bei Beginn der Schwangerschaft entdeckt wird.

Deshalb sollten Frauen auch das Angebot zum HIV-Test im Rahmen der Schwangerenvorsorge wahrnehmen, empfiehlt Taubert.

In dem Vorsorgepass wird auf Wunsch der Frau lediglich eingetragen, dass eine Beratung stattgefunden hat, nicht aber, dass ein Test durchgeführt wurde und welches Ergebnis der Test hatte.

Der Test bleibt anonym

So können Dritte, die den Mutterpass in die Hände bekommen - zum Beispiel Flugpersonal im Zusammenhang mit einer Flugreise - nicht erkennen, ob der Test positiv war.

Im Lauf der Schwangerschaft kann mit geeigneten Medikamenten, die das Baby nicht schädigen, die Belastung des Körpers mit Viren so weit gesenkt werden, dass eine Übertragung der Erreger auf das Kind während der Geburt faktisch ausgeschlossen ist.

Zur Sicherheit bekommt das Baby nach der Geburt für eine kurze Zeit ebenfalls Medikamente gegen die Viren als Prophylaxe. Eine Übertragung von HIV auf das Kind kann mit diesen Maßnahmen fast immer verhindert werden.

"Auch hier gilt: Der Schlüssel ist die rechtzeitige Diagnose!", betont Taubert. "Wird die Infektion rechtzeitig entdeckt, ist, können Frauen heute auf Grund der gut wirksamen Medikamente ein weitgehend normales Leben führen."

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Kommentare
Dr. Klaus Günterberg 19.05.201610:45 Uhr

Es gibt neben dem Selbstbestimmungsrecht unserer Patienten auch ein Recht auf Gesundheit des medizinischen Personals und des Ungeborenen

Ja, ein HIV-Test wird oft erst zu spät gemacht. Der Patient muss dazu immer vorher ausdrücklich einwilligen. Etwas anderes verstößt gegen das Selbstbestimmungsrecht des Patienten.
Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ist ein hohes Gut, zweifellos. Man sollte aber auch an die Helfer, an das medizinische Personal denken. Die Helfer haben doch zweifellos auch Rechte, auch das Recht auf Schutz ihrer Gesundheit. In der Ambulanz, im Krankenhaus und bei der Geburt kann die (noch) unerkannte HIV-Infektion, wie wir wissen, leider leicht übertragen werden. Man sollte im Falle von Schwangerschaft auch an das Recht des ungeborenen Kindes denken. Ist es nicht an der Zeit, in bestimmten Situationen den HIV-Test verbindlich vorzuschreiben?

Schon lange ist es selbstverständlich: Wer ins Krankenhaus geht oder wer schwanger ist, der muss die Lues-Serologie akzeptieren. Schwestern, Laborantinnen und Ärzte sind gefährdet, insbesondere Operateure, Geburtshelfer und Hebammen, natürlich auch das noch ungeborene Kind. Darum ist in den Mutterschaftsrichtlinien der Lues-Test sogar verbindlich vorgeschrieben.

Ich sehe aber heute bei einer beruflichen oder geburtsbedingten Infektion, ob Lues oder HIV, für die Betroffenen keinen Unterschied mehr. Und ich sehe auch juristisch im Widerspruch zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten einerseits und dem Schutz des medizinischen Personals anderseits auch keinen Unterschied zwischen HIV und Lues. Darum ist es längst an der Zeit, wo die Lues-Serologie längst vorgeschrieben ist, auch den HIV-Test vorzuschreiben!
Und man könnte ihn, zum Schutz des Ungeborenen, im Rahmen des Mutter- (und Kindes-) Schutzes auch den werdenden Vätern anbieten. Dann wird man auch manche HIV-Infektion früher erkennen.

Dr. Klaus Günterberg
Gynäkologe. Berlin

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