Hungersnot in Afrika: Ärzte ohne Grenzen schlagen Alarm
Die Ärzte ohne Grenzen rufen laut um Hilfe. In Afrika bahne sich eine humanitäre Katastrophe an. Dort herrscht die schlimmste Dürre seit 60 Jahren.
Veröffentlicht:BERLIN. Es sind keine guten Nachrichten, die die Vertreter von Ärzte ohne Grenzen am Dienstag zu vermeldeten. Das am Wochenende als jüngstes Mitglied der Völkerfamilie begrüßte Südsudan starte mit einer veritablen humanitären Krise in seine Geschichte als unabhängiger Staat, sagte Dr. Tankred Stöbe.
Der Präsident der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen fasste die Situation in drei Worten zusammen: "Krankheit, Hunger, Flucht".
Im Südsudan gibt es keine medizinische Infrastruktur
Neun Millionen Einwohner soll das Land haben, in dem es noch nie einen belastbaren Zensus gab. "Dreiviertel der Bevölkerung des jungen Staates hat keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung", berichtete Stöbe, der den Südsudan vor kurzem besucht hatte.
Eine von sieben Schwangeren sterbe bei der Geburt. Zahlreiche Kinder litten an chronischer Mangelernährung. Malaria sei weit verbreitet, Infektionskrankheiten wie Masern, Hirnhautentzündung und Kala Azar, eine Form der Leishmaniose, brächen häufig aus.
Stöbe forderte die Regierung des jungen Staates auf, ein Gesundheitswesen aufzubauen. Bislang gebe es praktisch keine medizinische Infrastruktur.
6.000 Menschen stationär und 140.000 ambulant behandelt
In die Bresche springen vor allem ausländische Hilfsorganisationen. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit 32 Jahren im Süden des Sudans. Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres hätten die Ärzte und ihre einheimischen Helfer mehr als 6.000 Patienten in mobilen Kliniken stationär und 140.000 Hilfesuchende ambulant behandelt.
Bei 40 Prozent lautete die Diagnose Malaria, sagte Stöbe. Der Zustrom von Flüchtlingen und Rückkehrern aus dem Norden des Sudans verschlimmere die Situation täglich. Die Preise für Lebensmittel stiegen. Ärzte ohne Grenzen rechne mit Hungersnot und Krankheitsausbrüchen.
Krankheit, Hunger und Flucht prägen auch die Nachbarschaft des Südsudans. In Somalia, Äthiopien und Kenia herrsche nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerkes die schlimmste Dürre seit 60 Jahren. Mehr als zehn Millionen Menschen seien vom Verhungern bedroht, berichtet das Welternährungsprogramm (WFP).
"Schlimmste humanitäre Katastrophe der Welt"
Allein in diesem Jahr würden rund 500 Millionen Euro benötigt. Die Dürre und der Bürgerkrieg in Somalia haben das größte Flüchtlingslager der Welt entstehen lassen. Geschätzte 380.000 Flüchtlinge leben in drei Lagern bei der Stadt Dadaab im Nordosten Kenias.
Für den Chef des UN-Flüchtlingshilfswerkes, Antonio Guterres, spielt sich in der Region die "schlimmste humanitäre Katastrophe der Welt" ab.
Um die medizinische Versorgung der etwa 113.000 Menschen im Lager Dagahaley kümmern sich ausschließlich Ärzte ohne Grenzen. Dafür stehen fünf Gesundheitsposten und ein Krankenhaus mit 170 Betten zur Verfügung. 2010 hätten die Ärzte dort 120.000 ambulante Sprechstunden abgehalten.
Zustrom an Flüchtlingen übersteige die Kapazitäten
Zusätzlich organisieren die Helfer Notimpfkampagnen und ambulante Ernährungsprogramme für mangelernährte Kinder.
Der Zustrom an Flüchtlingen übersteige die Kapazitäten der Organisation, sagte Tankred Stöbe. Kaum das absolute Minimum an humanitärer Hilfe könne dort noch geleistet werden.
Er forderte andere Hilfsorganisationen und die internationale Staatengemeinschaft auf, in den Lagern einen Beitrag zur Versorgung mit Wasser, Nahrung, sanitären Einrichtungen und ärztlicher Versorgung zu leisten.
Libyenflüchtlinge werden psychologisch betreut
Krankheit und Hunger begleiten auch die Menschen, die vor dem Bürgerkrieg in Libyen flüchten. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen versorge die Betroffenen des Konflikts mit kostenloser medizinischer und psychologischer Hilfe, sagte der Geschäftsführer der deutschen Sektion Dr. Frank Dörner.
Dies geschehe in Libyen selbst, in den Flüchtlingscamps in Tunesien und in den Auffanglagern auf der italienischen Insel Lampedusa.
Dass europäische Staaten Flüchtlinge in Kriegsgebiete zurückschickten, verstoße gegen das Völkerrecht, sagte Dörner. Ärzte ohne Grenzen hätten Angela Merkel im Mai darüber informiert. Die Bundeskanzlerin habe aber bisher nicht geantwortet.
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