GKV-Pflicht für Beamte

Idee stößt auf harsche Kritik

Beamte in die GKV: Der Vorstoß der Bertelsmann Stiftung stößt bei vielen auf Kritik. Die Politik hingegen lobt. Eine Übersicht.

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Die privaten Krankenversicherer, Beamtenbund und Hartmannbund weisen die Studienergebnisse zurück. Grüne und SPD hingegen sehen sich in ihrer Forderung nach einer Bürgerversicherung bestätigt. BÄK-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery vermisst "Realitätssinn" in der Studie. "Die Autoren selbst gestehen ein, dass eine verfassungs- oder beamtenrechtliche Bewertung nicht erfolgt ist", so Montgomery. Das Modell sei "nichts anderes als der Totengräber des dualen Krankenversicherungssystems und der Wegbereiter der Einheitskasse".

Der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) kritisiert auch, dass der Studie jegliche Grundlage fehle, weil das IGES-Institut die beamten- und verfassungsrechtlichen Fragen explizit außen vor gelassen habe. "Eine solche ‚Studie‘ ist auf Sand gebaut und kann schon im Ansatz nicht ernst genommen werden", so Verbandsdirektor Volker Leienbach. Den Ersatz der kapitalgedeckten Vorsorge in der PKV durch die Umlagefinanzierung in der GKV hält er für keine gute Lösung.

Der Bundesvorsitzende des Beamtenbundes dbb, Klaus Duderstädt, reagiert ebenfalls skeptisch. Er sieht "viel Spekulation" bei den prognostizierten Steigerungen der Beihilfezahlungen sowie der Annahme, dass die Behandlung in der GKV weniger kosten würde als in der PKV. "Das Konzept würde nicht nur die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes gefährden (...), es ignoriert zudem die beamten- und verfassungsrechtlichen Hindernisse und ersetzt seriöse Prognostik durch Wunschdenken."

Beim Vorsitzenden des Hartmannbunds findet der Vorstoß der Bertelsmann Stiftung keine Gnade. "Dass diese Studie pünktlich zum Auftakt des Wahljahres 2017 präsentiert wird, kann angesichts der bevorstehenden politischen Debatte um die Zukunft der PKV wohl kaum als Zufall bezeichnet werden", sagt Klaus Reinhardt. Er wirft der Stiftung einen "Rückfall in eine eher demagogisch-populistische Diskussionskultur" vor.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink, sieht hingegen den Weg ihrer Partei bestätigt: Erst mit einer Bürgerversicherung würden die Beamten Wahlfreiheit in der Krankenversicherung erhalten, sagt sie. "Darüber hinaus macht der hohe Anteil der Beamten unter den Versicherten in der PKV wieder einmal deutlich, dass die PKV künstlich staatlich, also durch Steuergelder, alimentiert wird."

Der Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Karl Lauterbach sieht in der Studie ebenfalls ein Argument für die Bürgerversicherung. "Wenn nur Beamte das Recht des Wechsels in die GKV bekommen und sowohl der Staat als auch die Beamten vor höheren Kosten geschützt werden, stellt sich die Frage, weshalb die anderen Privatversicherten in dem teureren und weniger effizienten System verbleiben sollten", polemisiert er. Die Zeit sei reif für eine geordnete Einführung der Bürgerversicherung, die von den meisten Bürgern gewünscht werde. "Das Thema wird im Wahlkampf daher eine große Rolle spielen", kündigt Lauterbach an.

Linke-Fraktionsmitglied Susanna Karawanskij begrüßt die Studienergebnisse. Mit einem Wegfall der staatlichen Beihilfe für Beamte wäre an dieser Stelle die Subventionierung der privaten Versicherungswirtschaft gestoppt, sagte sie am Dienstag. Ihr Motto: "Solidarität statt Beamten-Privileg". Karawanskij nutzt die Gelegenheit, um das Plädoyer ihrer Partei für die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung zu erneuern. (iss)

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Kommentare
Thomas Georg Schätzler 12.01.201723:24 Uhr

Aus dem Vorwort des IGES-BERTELSMANN-Gutachten!

"VORWORT - Obwohl eine große Mehrheit der Bevölkerung dafür ist, alle Bürger in eine solidarische Krankenversicherung einzubeziehen, entscheiden in Deutschland immer noch das Einkommen und die Berufsgruppe darüber, wie jemand krankenversichert ist." ... "Darin werden Schritte aufgezeigt, wie die Dualität von gesetzlicher und privater Krankenversicherung überwunden werden kann."
Aus "Krankenversicherungspficht für Beamte und Selbstständige - Teilbericht Beamte"

Wie geruhen Herr Prof. Dr. jur. Ingo Heberlein zu schreiben? "Herr Schätzler hat es nicht verstanden: es geht nicht um die Bürgerversicherung,..." Um was soll es denn sonst gehen??

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Ingo Heberlein 12.01.201711:25 Uhr

Nettoentlastung für den Steuerzahler!

Herr Schätzler hat es nicht verstanden: es geht nicht um die Bürgerversicherung, sondern darum, ob Bund, Länder und Kommunen das verfassungsrechtlich nicht gebotene teure Beihilfesystem fortführen. Die Nettoentlastung von über 3 Mrd. € p.a. berücksichtigt nicht einmal die Kommunen und hat mit den Altersrückstellungen der PKV nichts zu tun. Was damit geschieht, lässt die Studie ausdrücklich offen. Warum nicht auf ergänzende Zusatzversorgungsmodelle innerhalb der PKV übertragen?
Jedenfalls sind die Staathaushalte nicht dazu da, die PKV und privatwirtschaftlich betriebene Arztpraxen zu subentionieren.
Prof. Dr. Ingo Heberlein

Thomas Georg Schätzler 11.01.201711:22 Uhr

Um es nochmal genauer zu formulieren!

Das im Auftrag der Bertelsmann Stiftung verfasste IGES-Gutachten geht voreingenommen und tendenziös von einer gerade eben n i c h t vorhandenen Bürgerversicherung aus.

Grundlage der Berechnungen bei der Umwidmung von PKV- in GKV-Verträge (Private- und Gesetzliche Krankenversicherung) nebst allen negativen Folgen für die Leistungserbringer, welche allerdings gar nicht ertst betrachtet werden, ist schlicht und ergreifend der Zugriff auf Altersrückstellungen der PKV.

Dies ist eine verfassungsrechtlich verbotene entschädigungslose Enteignung: M. E. kann man durchaus das duale System der Krankenversicherungen mit PKV und GKV (Private und Gesetzliche Krankenversicherung) kritisieren, aber dann müssen Argumente und logisch nachvollziehbare Kritikpunkte formuliert werden.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 14, lautet:
"(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen."

Über diese Konsequenzen haben IGES und die Bertelsmann Stiftung nicht mal ansatzweise berichtet oder nachgedacht!
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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