Bürgerversicherung reanimiert
SPD gräbt Traumziel für 2017 aus
Um ihr soziales Profil zu schärfen, hat die SPD im Wahljahr die Idee Bürgerversicherung wiederentdeckt. Gutverdienende Leistungsträger und Steuerzahler werden dabei teils kräftig zu Kasse gebeten. Die "Ärzte Zeitung" zeigt, welche Probleme das Konzept hinter sich herzieht.
Veröffentlicht:BERLIN. Die SPD will Gerechtigkeit und ihr soziales Profil zum Thema der anstehenden Wahlen machen. Dazu soll ein gesundheitspolitischer Wiedergänger reanimiert werden, der bislang noch bei jeder Koalitionsverhandlung in die Kryo-Konservierung verbannt worden war: die Bürgerversicherung mit einer Egalisierung von privater und gesetzlicher Krankenversicherung.
Dazu soll die SPD-Bundestagsfraktion am Donnerstag und Freitag kommender Woche in einer Klausurtagung ein Positionspapier verabschieden, in dem erste Elemente eines komplexen und langwierigen Umgestaltungsprozesses festgeschrieben werden sollen.
Dieses Papier basiert auf einem Stufenplan, der von der Friedrich-Ebert-Stiftung im Herbst publiziert worden war und in dem die Wege und enormen Hürden einer Egalisierung dezidiert beschrieben worden waren.
Agenda 2010 korrigieren
Im ersten Schritt soll dazu ein Ärgernis aus der Hinterlassenschaft der Agenda 2010 beseitigt werden: der krankenkassenindividuelle Zusatzbeitrag, der heute im Schnitt bei 1,1 Prozent liegt.
Zukünftig soll der Gesamtbeitrag für die Krankenversicherung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer paritätisch finanziert werden. Den Einfluss auf die Lohnnebenkosten hält die SPD für marginal.
Weitaus einschneidender ist aber die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung: Sie soll von derzeit 52.200 auf 76.200 Euro steigen. Das heißt, dass bei gut verdienenden Arbeitnehmern ein Einkommen von 24.000 Euro zusätzlich für Kranken- und Pflegekasse verbeitragt würde.
Beim aktuellen durchschnittlichen Beitragssatz in der GKV von 15,7 Prozent und in der Pflegeversicherung von 2,55 Prozent wären das jährlich 4380 Euro, die sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer künftig als zusätzliche Last zu teilen hätten.
Sinkt der Beitragssatz?
Auf der anderen Seite stünden – als Folge gestiegener Beitragseinnahmen der Kassen – Kompensationseffekte wegen eines möglicherweise niedrigeren Beitragssatzes, wovon allerdings nur Bezieher von Einkommen unter der bisherigen Beitragsbemessungsgrenze profitieren würden.
Zugleich müsste aber auch der Weg in die private Krankenversicherung zumindest für Neuzugänge ein für alle mal verstopft werden. Das heißt: Auch Freiberufler hätten keine Wahlmöglichkeit mehr zwischen privater und gesetzlicher Kranken- und Pflegeversicherung.
Das würde einen selbstständigen Arzt jährlich 13.906,50 Euro Versicherungsbeiträge kosten – der nicht arbeitende Ehegatte sowie die Kinder wären dafür mitversichert.
Harmonisierung von GOÄ und EBM
Auf der Agenda steht weiter, die tatsächlichen oder vermeintlichen Privilegien, die aus der Privatliquidation folgen, einzuebnen: GOÄ und EBM sollen harmonisiert werden.
Eine GOÄ-Reform unter Federführung der SPD würde damit in die Einheitsvergütung führen. Dabei sieht man durchaus das Problem der Niveauunterschiede, von denen zumindest ein Teil kompensiert werden soll.
Als ein besonderes Problem erweist sich das Privileg der Beamten, grundsätzlich den Status eines Privatpatienten zu genießen und Gesundheitsleistungen teils durch die Beihilfe, teils durch private Zusatzversicherungen bezahlt zu bekommen.
Da in diese Privilegien, die wahrscheinlich einen verfassungsrechtlich geschützten Status haben, nicht ohne weiteres eingegriffen werden kann, plant die SPD, den Beamten dieses Privileg quasi abzukaufen: Sie sollen einen Zuschuss erhalten, wenn sie sich in einer gesetzlichen Krankenkasse versichern.
Wer die Kosten für den Aufkauf solcher Privilegien bezahlen soll, liegt auf der Hand: der Steuerzahler.
4.380 Euro zusätzlich müssten Besserverdienende bezahlen, wenn die Beitragsbemessungsgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung, wie von der SPD geplant, von derzeit 52.200 auf 76.200 Euro steigen würde.
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