Immer mehr Ärztinnen - nur nicht in Spitzenpositionen
In Deutschland praktizieren immer mehr Ärztinnen. Das heißt aber noch lange nicht, dass auch mehr Frauen in Führungspositionen aufsteigen. Denn je höher die Position, desto unflexibler die Arbeitszeit. Das gilt auch im Jahr 2011 noch.
Veröffentlicht:
Das System ist nach wie vor familienfeindlich: Dr. Regine Rapp-Engels.
© Dammann / DÄB
BERLIN. Der Anteil der Frauen in der Medizin wächst stetig. Den Weg nach oben schaffen aber bislang immer nur noch verhältnismäßig wenige. Der Deutsche Ärztinnenbund (DÄB) hat auf dem Grünen Ärztetag von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin gleiche Karrierechancen für Frauen in der Medizin gefordert.
"Nach wie vor sind Frauen im wissenschaftlichen Spitzenbereich stark unterrepräsentiert", sagte die Präsidentin des DÄB, Dr. Regine Rapp-Engels. Zwar seien fast 70 Prozent der Studienanfänger in der Medizin weiblich, doch die weitere akademische Laufbahn weise zwischen Männern und Frauen große Unterschiede auf.
Während der Anteil der Promotionen von Frauen bei 50 Prozent liege, seien nur vier Prozent aller ordentlichen Professuren in der Medizin an wissenschaftlichen Hochschulen von Frauen besetzt, beklagte Rapp-Engels.
Grund dafür sei unter anderem die Doppelbelastung der Frauen, Familie und Karriere unter einen Hut zu bekommen. "Das System verlangt viele Überstunden und Nachtdienste. Das ist für Frauen mit Kindern sehr schwierig zu bewältigen", sagte Dr. Ursula Hurst, Chefärztin in Heppenheim und Vorsitzende des Chefärztinnen-Netzwerkes SOPHIA e.V.
Durch die Doppelbelastung seien sie oft nicht an großen Forschungsprojekten beteiligt oder bekommen keine Leitungsfunktion in Kliniken. Zwar gibt es bereits Modelle, die Müttern eine medizinische Karriere erleichtern sollen. In einigen Krankenhäusern würden bereits Teilzeit- oder Halbtagsstellen auch im Ausbildungsbereich angeboten.
Je höher die Ärztin die Karriereleiter klettere, desto weniger Möglichkeiten habe sie aber, ihre Arbeitszeit flexibel zu gestalten. "Teilzeit bei Oberärzten ist nur bedingt akzeptiert", sagte Hurst. "Für Chefärzte besteht die Option, in Teilzeit zu arbeiten, faktisch nicht."
Die Zahlen scheinen das zu bestätigen: Während etwa 40 von 100 Männern in der Gynäkologie eine leitende Position hätten, ist es Hurst zufolge bei nur 12 von 100 Frauen der Fall. "Dabei sind 55 Prozent aller berufstätigen Ärzte in diesem Fach Frauen", kritisiert die Chefärztin. Im Jahr 2008 waren ihren Angaben nach sogar über 80 Prozent der neu anerkannten Fachärzte für Gynäkologie Frauen.
Verbesserungen seien vor allem im Bereich der Ausbildungs- und Arbeitszeitmodelle notwendig. Auch müsse für ausreichende Kinderbetreuung gesorgt werden, wie Rapp-Engels und Hurst übereinstimmend feststellten. Die beiden erfolgreichen Ärztinnen sind sich sicher, dass Frauen erst dann bessere Chancen haben, Karriere in der Medizin zu machen, wenn die Rahmenbedingungen signifikant verbessert werden.