Sterbehilfe
In Holland mehr Fälle von Tötung auf Verlangen in 2019
In Holland sind im Vorjahr 6361 Menschen im Rahmen der gesetzlich erlaubten Sterbehilfe von ihren Ärzten getötet wurden. Das sind rund vier Prozent mehr als noch 2018.
Veröffentlicht:Den Haag. 6361 Menschen sind in den Niederlanden im Vorjahr auf ihren eigenen Wunsch von einem Arzt getötet worden. Das sind rund 3,8 Prozent mehr Fälle als 2018, aber weniger als noch 2017 (6585). Damit gingen im Vorjahr 4,2 Prozent aller Sterbefälle in den Niederlanden auf die vom Gesetzgeber erlaubte Sterbehilferegelung zurück. Das geht aus dem Jahresbericht der Kontrollkommission hervor, an die Ärzte die Tötungsfälle melden müssen.
In 95,8 Prozent der Fälle handelte es sich um Tötung auf Verlangen, 245 Mal (3,9 Prozent) assistierten die Ärzte beim Suizid. Die gemeldeten Fälle verteilten sich auf 3309 Männer (52 Prozent) und 2935 Frauen (48 Prozent). In 91 Prozent der Meldungen litten die Betroffenen an schweren Erkrankungen, vor allem Krebs (4100), Erkrankungen des Nervensystems wie Parkinson, MS oder ALS (408), an Herzkreislauf- (251) oder Lungenerkrankungen (151) oder an einer Kombination dieser Erkrankungen (846).
160 Tötungen bei Patienten mit Demenz
160 Fälle, die von Ärzten berichtet wurden, betrafen Patienten mit einer beginnenden Demenz, in der sie noch „kompetent“ gewesen seien, ihren Sterbewunsch zu äußern. Zwei weitere Patienten indes litten an Demenz in einer fortgeschrittenen Phase. Diese hatten ihren Sterbewunsch zuvor schriftlich dokumentiert. Die Kontrollkommission kam in beiden Fällen zu dem Schluss, dass die beteiligten Ärzte ihre Sorgfaltskriterien erfüllt hätten.
Am Dienstag war in den Niederlanden in einem ähnlich gelagerten Fall eine Ärztin vom Vorwurf des Mordes freigesprochen worden. Der Hohe Rat urteilte, eine schriftliche Patientenfügung werde auch dann anerkannt, wenn der demenziell erkrankte Patient nicht mehr ansprechbar sei.
15 Patienten, die im Vorjahr getötet wurden, waren unter 30 Jahre alt, in der Gruppe der 30- bis 40-Jährigen wurden 45 Fälle gemeldet. Die zahlenmäßig stärkste Gruppe war die der 70- bis 80-Jährigen mit 2083 Fällen. 504 Personen, die getötet wurden, waren 90 Jahre oder älter.
Hausärzte melden die meisten Fälle
In 83 Prozent der berichteten Fälle erfolgte die Meldung über die Tötung eines Patienten durch einen Hausarzt, 269 Mal erfolgte die Meldung durch einen Geriater oder aber andere Fachärzte.
Sterbeort der Patienten war in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle die eigene Wohnung (5098), ein Hospiz (489), ein Pflegeheim (273), ein Krankenhaus (178) oder andere Einrichtungen.
Lediglich vier der über 6300 Fälle sind im Vorjahr von der Kontrollkommission beanstandet worden. Diese beziehen auf den ersten Punkt der sechs Sorgfaltskriterien, die in Artikel 2 des niederländischen Sterbehilfegesetzes (Wet toetsing levensbeëindiging op verzoek en hulp bij zelfdoding) verbrieft sind. Danach muss der behandelnde Arzt sich davon überzeugt haben, dass der Sterbewunsch des Patienten freiwillig und nach reiflicher Überlegung geäußert wurde.
Das Aufgreifen einer ärztlichen Meldung durch die Kontrollkommission bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass dem Arzt berufs- oder gar strafrechtliche Konsequenzen drohen. Das zeigen die 2017 und 2018 aufgegriffenen Fälle: Insgesamt bei zwölf Meldungen sah die Kommission Sorgfaltskriterien verletzt.
Druck durch Strafverfolgung ist gering
In acht Fällen wurde das Verfahren nach einem Gespräch mit dem betroffenen Arzt eingestellt. Dabei ging es um die Unabhängigkeit des zweiten hinzugezogenen Arztes oder die „nicht fachgerechte“ Ausführung der Tötung auf Verlangen. Beide Punkte werden in der Durchführungsbestimmung zum Sterbehilfegesetz als „nicht substanziell“ beschrieben, sodass es nicht zu einer Strafverfolgung gekommen ist.
In den übrigen vier Fällen leitete die Staatsanwaltschaft im März 2018 Ermittlungen ein. Dort geht es um den Vorwurf schwerwiegenderer Verfehlungen – so etwa der Frage, ob der Arzt nach vernünftigem Ermessen zum Urteil gekommen ist, dass der Patient seinen Sterbewunsch freiwillig und nach reiflicher Überlegung geäußert hat. Doch auch hier wurde in zwei von vier Fällen das Verfahren ohne weitere Auflagen eingestellt.
Im Jahresbericht 2018 zieht die Kontrollkommission aus ihrer Arbeit die Schlussfolgerung, angesichts der sehr geringen Zahl aufgegriffener Meldungen bestehe für „Ärzte kein Grund zu großer Besorgnis“. Die strenge Kontrolle trage zu einem sorgfältigen Vorgehen der Ärzte bei, sodass diese „nicht unnötig mit gegen sie gerichteten Verfahren konfrontiert werden“.