Sterbehilfe-Gesetz tritt in Kraft

In Spanien ist in Kürze Tötung auf Verlangen erlaubt

Vor drei Monaten hatte das spanische Parlament bereits sein Plazet gegeben. Jetzt ist Spanien das vierte Land in Europa, in dem „aktive Sterbehilfe“ gesetzlich geregelt ist.

Manuel MeyerVon Manuel Meyer Veröffentlicht:
Der seit einem Unfall vom Hals an abwärts gelähmte Ramon Sampedro im Jahr 1994. Vier Jahre später beging er Suizid. Sein Schicksal hat die Diskussion über Sterbehilfe in Spanien geprägt.

Der seit einem Unfall vom Hals an abwärts gelähmte Ramon Sampedro im Jahr 1994. Vier Jahre später beging er Suizid. Sein Schicksal hat die Diskussion über Sterbehilfe in Spanien geprägt.

© epa efe Lavandeira Jr./ dpa / picture-alliance

Madrid. Während in Deutschland über ein neues Gesetz zur Sterbe- und Suizidbeihilfe diskutiert wird, der Gesetzgeber aber keine Fakten schafft, ist Spanien einen Schritt weiter. Am Freitag tritt in Spanien endgültig das umstrittene Sterbehilfegesetz in Kraft.

Bereits vor drei Monaten hatte das spanische Parlament der Legalisierung der aktiven Sterbehilfe – sprich: der Tötung auf Verlangen – und der Beihilfe zur Selbsttötung mit einer deutlichen Mehrheit zugestimmt. Damit ist Spanien nach den Niederlanden, Belgien und Luxemburg nun das vierte Land in Europa, in dem aktive Sterbehilfe erlaubt ist.

Weder die Proteste der Katholischen Kirche noch die Verfassungsklage der rechtspopulistischen Vox-Partei konnten die Legalisierung verhindern. Für die Tötungen auf Verlangen oder Beihilfe zum Suizid durch einen Arzt müssen allerdings mehrere Bedingungen erfüllt werden: Voraussetzung ist, dass die Patienten volljährig und im Besitz ihrer vollständigen geistigen Fähigkeiten sind.

Patienten mit psychischen Erkrankungen sind ausgeschlossen

Zudem müssen sie an unheilbaren Krankheiten oder schweren chronischen Behinderungen leiden, die mit anderen Mitteln nicht gemildert werden können und mit „nicht hinnehmbaren Schmerzen“ verbunden sind. Psychische Erkrankungen sind ausgeschlossen. Dies galt ursprünglich auch für das niederländische Sterbehilfegesetz. Mittlerweile werden dort immer häufiger auch bei Demenzpatienten oder bei Menschen mit psychischen Erkrankungen Fälle von „Sterbehilfe“ gemeldet.

Bevor eine Sterbehilfe erlaubt wird, muss der Kranke zunächst zwei Mal seinem Arzt schriftlich den Willen bekunden, sein Leben beenden zu wollen. Anschließend muss eine von der jeweiligen Regionalregierung gebildete medizinisch-ethische Kontroll- und Evaluierungskommission dem Antrag zustimmen, den der Patient dann nochmals zu bestätigen hat.

Um „Sterbetourismus“ zu verhindern, müssen die Sterbewilligen zudem spanische Staatsbürger sein oder in dem Land wohnen. Obwohl die rechtliche Grundlage ab nun in Spanien die aktive Sterbehilfe erlaubt, dürfte es mit der praktischen Umsetzung aber wohl noch dauern. Denn bisher haben nur sechs der insgesamt 17 spanischen Autonomie-Regionen Strukturen für die Kontrollkomitees aufgebaut. Die Kosten für die Sterbehilfe trägt die staatliche Krankenkasse.

Stärkung der palliativen Versorgung wurde versäumt

Ärzten und Krankenpflegern wird das Recht eingeräumt, aus „Gewissensgründen“ keine Sterbehilfe zu leisten. Allerdings sprachen sich bei der letzten großen Umfrage im Jahr 2019 fast 70 Prozent aller spanischen Mediziner für die Einführung eines Sterbehilfegesetzes aus. Dennoch ist das neue Sterbehilfe-Gesetz keineswegs unumstritten.

„Wir hätten uns gewünscht, dass die Neuregelung gleichzeitig auch mit einer Verstärkung der Palliativbetreuung einhergegangen wäre“, stellte Serafín Romero, Vorsitzender des spanischen Ärzteverbands (Cgcom), klar. Die Strukturen des spanischen Gesundheitssystems zur Behandlung von Patienten mit einer nicht heilbaren Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartungen seien immer noch unzureichend ausgebaut.

Ein Schritt hin zu einer „humaneren Gesellschaft“?

Mit diesem Gesetz „kommen wir einer humaneren und gerechteren Gesellschaft näher“, sagte Spaniens sozialistische Gesundheitsministerin Carolina Darias bereits Ende März nach der Verabschiedung der neuen Sterbehilfegesetze. Die Neuregelung erfolgte nach einer langen Auseinandersetzung um Schicksale wie dem Fall von Ramon Sampedro, der nach einem Badeunfall vom Hals abwärts gelähmt war und jahrelang vergeblich vor der spanischen Justiz um das Recht auf einen selbstbestimmten Tod kämpfte. 1998 brachte er sich schließlich selber um. Sein Schicksal wurde von Hollywoodstar Javier Bardem 2004 in dem Oscar-prämierten Film „Das Meer in mir“ verkörpert.

Laut Spaniens Ministerpräsidenten Pedro Sánchez handelte es sich um eine „transversale Forderung der Gesellschaft“. Die Umfragen geben ihm Recht. Rund 84 Prozent der Spanier unterstützen seit Jahren die Legalisierung der Sterbehilfe. Im vergangenen Jahr waren es sogar 87 Prozent.

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