Neue Patientenrechte
In der Praxis ein Schuss vor den Bug?
Das Patientenrechtegesetz hat ein Vierteljahr nach seinem Inkrafttreten noch kaum positive Wirkungen entfaltet. Experten sehen an vielen Stellen Weiterentwicklungsbedarf.
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Neue Patientenrechte: Auch für Ärzte lohnt sich der Blick in das Gesetzeswerk. Es betrifft den Praxisalltag.
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BERLIN. Damit Patienten mit Ärzten und Krankenversicherungen auf Augenhöhe kommen, ist das Patientenrechtegesetz ein Anfang, doch muss noch einiges geschehen. Das war Fazit der Expertenrunde beim Patientenrechtetag in Berlin.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bezeichnete das Gesetz als "Basis". Es sei nur so viel wert, wie es gelebt werde, sagte er. "Es muss eben auch bekannt werden", so Bahr.
Zu diesem Zweck hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) eine Broschüre aufgelegt, die die Patientenrechte nach der neuen Rechtslage zusammenfasst.
Die Broschüre soll auch Ärzte und Krankenkassen informieren, erklärte der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Wolfgang Zöller (CSU). "Das Informationsdefizit ist nicht allein bei den Patienten", so Zöller.
Blockadereaktion einiger Kassen
Der Patientenbeauftragte sieht noch viele Baustellen bei den Patientenrechten. Er forderte die Länder auf, die Empfehlungen umzusetzen, die mit dem Gesetz gegeben wurden: Für Behandlungsfehlerprozesse sollen die Länder Spezialkammern bei den Gerichten einrichten.
In die Schlichtungsstellen der Ärztekammern sollen Patientenvertreter aufgenommen werden. Beides ist offenbar bislang kaum umgesetzt. Erste Nebenwirkungen des Gesetzes scheinen sich indes schon bemerkbar zu machen.
Zöller berichtete, dass manche Krankenkassen nun beantragte Leistungen erst einmal grundsätzlich ablehnen würden, um die neuen Fristen von drei bis fünf Wochen einzuhalten. "Davor möchte ich dringend warnen", sagte er.
Die Berichtspflicht werde nach einem Jahr klar zeigen, welche Kasse so verfahre. Auch Michael Weller vom GKV-Spitzenverband verurteilte dieses Vorgehen als inakzeptabel. "Das ist nicht Selbstverständnis der Krankenkassen und des Spitzenverbandes", sagte er.
Für das neue Widerrufsrecht der Patienten bei der Teilnahme an Selektivverträgen stehen praktische Lösungen auch noch aus.
Durch die Neuregelung kann es passieren, dass ein Patient seine Teilnahme erklärt, Selektivvertragsleistungen in Anspruch nimmt und anschließend vom Vertrag zurücktritt. Dann ist die formale Grundlage für die Abrechnung der erbrachten Leistung entfallen.
Umstritten bleiben die Regelungen zur Beweislast bei Behandlungsfehlern. Kritik übte Martin Danner von der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe.Der Prozessausgang hängt, so seine Auffassung, vom Votum des ärztlichen Gutachters bei Gericht ab.
Ärztlicher Gutachter trifft auf Kritik
"Das ist einem Rechtssystem wie dem unseren unwürdig", sagte der Jurist. Wenn der Gutachter entscheidet, dass es sich um einen groben Behandlungsfehler handelt, ist der Arzt in der Beweispflicht.
Bei einfachen Behandlungsfehlern muss die Gegenseite die Schuld des Arztes nachweisen. Laut Danner kann das prozessentscheidend sein.