Corona-Lockerungen

Infektionsschutzgesetz: Bouffier sieht Beziehungen von Bund und Ländern „am Tiefpunkt“

Die Zustimmung des Bundesrats zu den COVID-19-Lockerungen ist für die Ministerpräsidenten eine bittere Pille: Die meisten Länder stehen dabei nicht an der Seite der Ampel-Koalition. Woran sich die Kritik entzündet.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
„Unsäglich“: Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) während seiner Rede zur Novelle des Infektionsschutzgesetzes am Freitag.

„Unsäglich“: Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) während seiner Rede zur Novelle des Infektionsschutzgesetzes am Freitag.

© Jens Krick/Flashpic/picture alliance

Berlin. Der Bundesrat hat die Novelle des Infektionsschutzgesetzes am frühen Freitagnachmittag trotz heftiger Kritik der Länder einstimmig durchgewunken. Mehrere Rednerinnen und Redner, zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD), hoben darauf ab, dass der Vermittlungsausschuss nur deshalb nicht angerufen werde, um eine Regelungslücke zu vermeiden. In einer Protokollnotiz zum Beschluss haben die Länder mit wenigen Ausnahmen ihren Protest gegen das Vorgehen der Bundesregierung niedergelegt.

Der Bundestag hatte zuvor weitreichende Lockerungen bei den Corona-Schutzmaßnahmen beschlossen. Ab Sonntag, 20. März, können die Länder demnach nur noch niedrigschwellige Maßnahmen anordnen, zum Beispiel Maskenpflicht in Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen sowie im öffentlichen Personennahverkehr. Jede Entscheidung muss vom jeweiligen Landesparlament einzeln getroffen werden.

Bouffier: Unsäglicher Umgang

Die Länder sehen sich bei dem Gesetzgebungsverfahren weitgehend übergangen. Entgegen anderslautender Ankündigungen habe die Ampelkoalition in einer Phase steigender Corona-Inzidenzen den Wegfall der meisten Corona-Schutzregeln beschlossen. „Bund und Länder haben einen Tiefpunkt ihrer Beziehungen erreicht“, sagte ein sichtlich angefasster hessischer Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Das Verfahren, wie der Bund in diesem Zusammenhang mit den Ländern umspringe, sei „unsäglich“.

Lesen sie auch

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) rückte Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in die Nähe des Wortbruchs. Entgegen anderslautender Ankündigungen seien die Länder an diesem Verfahren „nicht beteiligt“ worden, sagte Ramelow. Das Gesetz sei ohne das Fachwissen der Länder geändert worden. Der Bund habe den Ländern in Sachen Corona den Stuhl vor die Tür gestellt. Die Pandemie sei kein gemeinsamer Auftrag von Bund und Ländern mehr.

Ramelow: Gefährlicher Widerspruch

Nun seien den Ländern viele Möglichkeiten weitgehend genommen. „Impfen, Testen, Abstandhalten und Maskentragen – das sind die Basics, mit denen wir arbeiten müssen. Schutzmaßnahmen gälten weitgehend nicht mehr, wohl aber die Quarantäneregeln nach Infektionen. Das sei ein gefährlicher Widerspruch, warnte Ramelow.

Unverständnis rief auch die neue geschaffene Möglichkeit für die Länder hervor, Corona Hotspots ausrufen und dort strenge Schutzmaßnahmen aufrufen zu können. Es sei überhaupt nicht klar, was ein Hotspot sei, sagten mehrere Redner. Die Formulierungen im Gesetz dazu seien unpraktikabel und nicht rechtssicher umzusetzen.

Koalitionäre verteidigen sich

Die parlamentarische Gesundheitsstaatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) widersprach. Ein Hotspot könne sogar ein ganzes Bundesland sein, wenn die Infektionszahlen hoch seien oder stark anstiegen. Der Bund werde nicht zögern nachzuschärfen, wenn sich das als notwendig erweisen sollte. Dittmar kündigte zudem eine neue Testverordnung für die kommende Woche an.

Skepsis zu den Hotspot-Regelungen äußerte auch der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Gassen. Sie sei zwar vom Grundsatz her richtig, werde aber nicht mit nachvollziehbaren und einheitlichen Kriterien hinterlegt. „So droht uns wieder ein föderaler Flickenteppich mit von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Regelungen“, bedauerte Gassen in einer Mitteilung im Anschluss an die Sitzung der Länderkammer. Die Hotspot-Regelung sei dann ein gangbarer Weg, wenn sie einheitlich angewendet werde, mahnte Gassen.

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
Kommentare
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung

Symposium der Paul-Martini-Stiftung

COVID-19 akut: Früher Therapiestart effektiv

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
BDI-Präsidentin Christine Neumann-Grutzeck

© Rolf Schulten

Interview mit BDI-Chefin

Neumann-Grutzeck: „Wir dürfen uns durch die GOÄ nicht spalten lassen“