Geplante Gesetzesänderung
Infektionsschutzgesetz: Spahn bringt neue Regeln auf den Weg
Die „Hospitalisierungsinzidenz“ soll zum Maß der Dinge werden: Minister Spahn will künftig für Corona-Regeln die Auslastung der Kliniken in der Region heranziehen. KBV-Chef Gassen ist nur halb-begeistert.
Veröffentlicht:Berlin. Geimpfte und Genesene sollen im Corona-Alltag privilegiert werden können. Wesentlicher Maßstab für Schutzmaßnahmen gegen eine Ausbreitung von SARS-CoV-2 soll die Hospitalisierungsinzidenz werden, also die Leistungsfähigkeit der regionalen stationären Versorgungskapazitäten. Landesbehörden sollen regionale und landesbezogene Hospitalisierungs-Inzidenzen erheben.
Das geht aus einer Formulierungshilfe des Bundesgesundheitsministeriums für die Fraktionen von Union und SPD hervor, die das Infektionsschutzgesetz (IfSG) in diese Richtung ändern wollen. Der Entwurf liegt der „Ärzte Zeitung“ vor. Nach aktuellen Informationen hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) das Gesetzgebungsverfahren in der Nacht auf Donnerstag mit der Einleitung der Ressort-, Länder- und Verbändeabstimmung eingeleitet. Die Änderung soll an die Gesetzgebung zum Aufbau von Hilfen für die von der Flutkatastrophe betroffenen Gebiete angehängt werden (Aufbauhilfe 2021).
Konkret soll die Liste der Schutzmaßnahmen, zu denen zum Beispiel die Verpflichtung zum Maskentragen, Reisebeschränkungen oder die Regelungen für Großveranstaltungen gehören können, um die Möglichkeit erweitert werden, gültige Impf-, Genesenen- oder Testnachweise zu verlangen. Die steht bislang nicht im Gesetz.
Entwurf: Inzidenz nachrangig
In diesem Sommer ist bereits ausgiebig darüber gestritten worden, ob die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen angesichts des Impffortschritts noch Einschränkungen des Alltags rechtfertigen kann. Dies wird mit dem nun vorliegenden Entwurf aus dem Gesundheitsministerium verneint. „Vor dem Hintergrund der zunehmenden Durchimpfung der Bevölkerung in (…) Deutschland tritt die Bedeutung der Anzahl der Neuinfektionen in den Hintergrund“, heißt es darin. Es scheine nicht mehr angemessen, die Sieben-Tage-Inzidenz weiterhin als Indikator vorzusehen.
Mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes soll nun die Anzahl der stationär zur Behandlung aufgenommenen COVID-19-Patienten je 100.000 Einwohner binnen einer Woche zum „wesentlichen Maßstab“ werden. Ein Wert wird nicht vorgegeben. Stattdessen soll konkret auf die regionalen Strukturen und Besonderheiten der stationären Versorgung abgestellt werden. Um eine Überlastung der Versorgung jeweils vor Ort zu vermeiden, sollen sich die Schwellenwerte an den vorhandenen Kapazitäten orientieren. Zudem können weitere Parameter einbezogen werden, zum Beispiel die Zahl der geimpften Personen in einer Region.
Gassen: Mehr Parameter einsetzen
Die Inzidenz der Neuinfektionen sei nie wirklich geeignet gewesen und sei bei einer Impfquote von 60 Prozent Durchgeimpfter inzwischen „völlig unsinnig“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Dr. Andreas Gassen. Er warnte allerdings in diesem Zusammenhang davor, die Belegung der Intensivbetten zu stark zu gewichten. Das sei aus seiner Sicht nicht ausreichend. Diese Zahl sei „nicht in Stein gemeißelt“. Durch Verlegungen könne es zu Doppelzählungen kommen.
Wichtig sei daher, zudem den regionalen Impfgrad sowie Alter und Anamnesen der an COVID Erkrankenden zu erheben. Daraus ließen sich künftige Entwicklungen des Krankheitsgeschehens ablesen, nicht nur des Infektionsgeschehens, hatte Gassen bereits am Mittwoch geäußert. „Politik muss einfach nur auf die Fachleute aus dem Gesundheitssystem hören, dann hat man die Parameter an der Hand und kann sehr schnell ein differenzierteres System implementieren.“