GBA-Chef
Innovationsfonds hat Konstruktionsmängel
Der Innovationsfonds hat das Potenzial, die medizinische und pflegerische Versorgung in Deutschland ein Stück weit zu verändern. Aber starre Haushalts-Vorgaben erschweren sinnvolle Projekte.
Veröffentlicht:BERLIN. Der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), Professor Josef Hecken, macht auf einen Konstruktionsfehler des Innovationsfonds aufmerksam, der einen nachhaltigen Erfolg des Projekts in Frage stellt.
Der mit dem Versorgungsstärkungsgesetz, am Mittwoch im Bundesgesetzblatt erschienen, aufgelegte Fonds soll, beginnend 2016, vier Jahre lang mit jeweils 300 Millionen Euro aus Mitteln der Krankenkassen und der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds gespeist werden.
Diese Summe teilt sich auf in 225 Millionen Euro, mit denen gezielt Projekte gefördert werden sollen, die die Sektorengrenzen überwinden helfen könnten und die das Potenzial haben, die Regelversorgung zu verbessern.
Mit 75 Millionen Euro soll Versorgungsforschung gefördert werden, die "auf einen Erkenntnisgewinn zur Verbesserung der bestehenden Versorgung" in der Krankenversicherung ausgerichtet ist, heißt es im Gesetz.
Würde der Fond in einem Jahr diese Summen nicht vollständig ausgeben, müsste er das übrige Geld wieder zurückgeben.
Diese Vorgabe folgt üblichen haushaltsrechtlichen Regeln. Finanzminister Wolfgang Schäubles Beamte haben sie durchgesetzt, obwohl die Gesundheitsfachpolitiker vehement dagegen argumentierten.
Kleine Projekte ohne Chance?
Hecken hat bei mehreren Gelegenheiten plastisch beschrieben, was geschehen würde, wenn die Fondsmittel nicht von einem ins andere Haushaltsjahr übertragbar würden.
Der Innovationsausschuss, der möglichst noch in diesem Jahr die Arbeit aufnehmen soll, müsste sich sofort überlegen, wie er die ersten 225 Millionen Euro möglichst komplett ausgeben könnte.
Nach einer Entscheidung wären die Mittel für die Folgejahre nämlich an diese Projekte gebunden. "Wir hätten dann im zweiten, dritten, vierten Jahr keine Möglichkeiten mehr, neue Projekte zu befördern", warnt Hecken.
Mit den Ausschüttungen der Folgejahre müsse den berücksichtigten Projekten Finanzierungssicherheit für die gesamte Laufzeit geboten werden, so Hecken.
Kleine Projekte, die gleichwohl innovativ sein können, hätten bei diesem Modell kaum Chancen, berücksichtigt zu werden. Schließlich muss das Geld beizeiten weg.
Die Qualität der Vorschläge einiger weniger potenzieller, großer Abnehmer der Förderung lässt sich bis zum Start des Fonds 2016 bewerten. Die Bedeutung vieler kleiner eher nicht.
Ein Nachteil, wie Hecken findet: "Wir könnten nicht nachjustieren. Und was weiß denn ich, welche versorgungsrelevanten Probleme in zwei oder drei Jahren auftauchen, die wir heute alle gemeinsam noch nicht kennen", macht Hecken auf die starre Konstruktion ausgerechnet desjenigen Instruments aufmerksam, dass die Verkrustungen der Regelversorgung aufbrechen helfen soll.
Hecken: Fondsmittel sollten übertragbar sein
Hecken denkt weiter. Er fordert sowohl die Übertragbarkeit der Fondsmittel als auch eine Entfristung der Gesamtlaufzeit des Innovationsfonds. Er würde die zur Verfügung stehenden Millionen am liebsten auf bis zu acht Jahre verteilen.
Im ersten Jahr würde der Fonds rund ein Viertel des für das Jahr zur Verfügung stehenden Geldes ausschütten. Der Rest bliebe im Fonds, um die Finanzierung der geförderten Projekte für eine Laufzeit von vier Jahren sicher zustellen.
Im zweiten Jahr und in den beiden Jahren danach gäbe es dann jeweils wieder einen frischen Topf, gefüllt mit 300 Millionen Euro. Das Laufzeitende würde sich ins Jahr 2023 verschieben.
"Statt einer Beschränkung auf vier Jahre hätten wir einen Prozess von fast acht Jahren, in denen man in kleinen, auch handhabbaren und vernünftig zu begutachtenden Dosen Entscheidungen treffen könnte", wirbt Hecken für eine nachträgliche Änderung des Versorgungsstärkungsgesetzes an dieser Stelle.
Andere den Innovationsfonds betreffende Formulierungen des Gesetzestextes kann Hecken freihändig weiter auslegen. Und das dürfte der Arbeit des Fonds gut tun.
Wo der Gesetzgeber insbesondere Versorgungsformen gefördert sehen will, die die sektorenübergreifende Zusammenarbeit fördern, hält Hecken es für möglich, die Fondsmittel auch dort einzusetzen, wo es innersektorale Problemstellungen beseitigt werden sollen.
Wirtschaftlichkeitsüberlegungen spielen anders als bei der Integrierten Versorgung keine Rolle. Der Innovationsfonds könnte auch Projekten die Tür öffnen, die nur die Versorgungsqualität verbessern, ohne den Kassen gleichzeitig Ausgaben zu ersparen.