Hessen

Italien-Reisender bringt Corona-Virus nach Hessen

31-jähriger Wetzlarer Bürger liegt mit milden grippeähnlichen Symptomen in der Lahn-Dill-Klinik. Mediziner rechnen mit weiteren Fällen im Bundesland.

Christoph BarkewitzVon Christoph Barkewitz Veröffentlicht: | aktualisiert:
Pressekonferenz in Wetzlar zum ersten Coronavirus-Patienten in Hessen mit Gisela Ballmann, Leiterin des Gesundheitsamtes Lahn-Dill-Kreis, Landrat Wolfgang Schuster und Hessens Sozialminister Kai Klose (v.l.).

Pressekonferenz in Wetzlar zum ersten Coronavirus-Patienten in Hessen mit Gisela Ballmann, Leiterin des Gesundheitsamtes Lahn-Dill-Kreis, Landrat Wolfgang Schuster und Hessens Sozialminister Kai Klose (v.l.).

© Malte Glotz/dpa

Wetzlar/Frankfurt. Hessen hat seinen ersten Corona-Fall. Ein 31 Jahre alter Mann aus Wetzlar, der am vergangenen Sonntag von einer Dienstreise in der Lombardei zurückgekehrt war, ist positiv auf den Erreger Sars-CoV-2 getestet worden. Er hatte nach seiner Rückkehr aus der mittlerweile vom Robert Koch-Institut zum Coronavirus-Risikogebiet erklärten norditalienischen Region selbst beim Gesundheitsamt des Lahn-Dill-Kreises vorgesprochen, wo ein Abstrich vorgenommen wurde.

„Der Patient hat alles richtig gemacht: Nachdem er aus der Lombardei zurückgekommen war, hat er sich in dieser Woche bei unserem Gesundheitsamt gemeldet“, sagte Landrat Wolfgang Schuster (SPD) auf einer eilends für Freitagmorgen einberufenen Pressekonferenz in Wetzlar, nachdem das Ergebnis des Abstrichs der Uniklinik Marburg gegen 22 Uhr am Donnerstagabend feststand. Der Mann werde im Klinikum Wetzlar in einem Isolierzimmer behandelt. Sein Gesundheitszustand sei stabil, er sei nicht schwer erkrankt.

Erster Fall seit Wuhan-Rückkehrern

Zuvor waren in Hessen lediglich zwei Menschen behandelt worden, die mit dem Erreger infiziert waren. Dabei hatte es sich um Rückkehrer aus der chinesischen Stadt Wuhan gehandelt, die nach ihrer Ankunft am Frankfurter Flughafen in eine Quarantänestation nach Germersheim gebracht wurden. Als sie dort positiv getestet worden waren, wurden sie in die Frankfurter Uniklinik verlegt. Beide waren nur leicht erkrankt und sind inzwischen wieder entlassen.

Das Gesundheitsamt Lahn-Dill sucht nun nach Menschen, die in Kontakt mit dem Wetzlarer Patienten standen. „Wir werden alle kontaktieren, befragen und dann entsprechende Maßnahmen ergreifen“, sagte die Leiterin des Gesundheitsamtes, Dr. Gisela Ballmann. Wie viele Kontaktpersonen es genau seien, stehe noch nicht fest. Es seien aber sicherlich mehr als 20. Wer in direktem Kontakt zu dem Mann gestanden habe, müsse sich in Quarantäne begeben.

Standard-Verfahren hat gegriffen

Hessens Sozialminister Kai Klose (Grüne) betonte auf der Pressekonferenz, „wir haben hier im Lahn-Dill-Kreis ein standardisiertes Verfahren gesehen, das beispielhaft abgelaufen ist. Am Mittwoch hatte er darauf hingewiesen, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst in besondere Bereitschaft versetzt sei. „Wir stehen in regelmäßigem Kontakt mit Gesundheitsämtern, Krankenhäusern, niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, dem Rettungsdienst sowie Wissenschaft und Forschung, damit wir schnell und angemessen auf mögliche Covid-19-Infektionen reagieren können“, so Klose.

„Wir werden uns darauf einrichten müssen, dass weitere Fälle auftreten“, sagte der Direktor des Instituts für Virologie der Uni Marburg, Professor Stephan Becker. Es spreche vieles dafür, dass sich Sars-CoV-2 auch in den oberen Atemwegen vermehre, damit sei es leichter übertragbar. Allerdings scheine die Krankheit meist mild zu verlaufen.

„Eine Pandemie, das ist keine Frage“

Dies sieht auch der Leiter des Frankfurter Gesundheitsamts, Professor René Gottschalk, so. „Wir haben eine Pandemie, das ist keine Frage, aber es ist nicht so, dass das Virus die Menschen besonders schwer krank macht“, sagte er auf einer Pressekonferenz am Freitagmittag in Frankfurt. Er hofft, dass „in ein- bis eineinhalb Monaten alles vorbei ist“ – wenn sich nicht mehr so viele Menschen in geschlossenen Räumen aufhalten, wo die Ansteckungsgefahr höher ist.

„Wir erleben zunehmend mehr Fälle , die in die Notaufnahme kommen“, berichtete Professor Jürgen Graf, Ärztlicher Direktor der Frankfurter Uniklinik – „und die Telefone stehen nicht still“. Bis Freitagnachmittag war allerdings kein Fall in Frankfurt bekannt.

Zwei Testläufe täglich an Uniklinik

Seine Kollegin Professor Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für medizinische Virologie, sagte, an der Uniklinik würden jeden Tag zwei Testläufe – morgens und abends – erfolgen. Theoretisch sei jeder Lauf mit 50 Proben möglich, also 100 Proben am Tag. Die brauchen wir aber im Moment gar nicht, so Ciesek. An der Marburger Uni stünde ein vergleichbares Testvolumen zur Verfügung. Niedergelassene Ärzte könnten die Proben von ihren Patienten also jederzeit an die Unikliniken weiterreichen.

Dr. Antoni Walczok, Infektiologe am Frankfurter Gesundheitsamt, rät Hausärzten nach wie vor, bei Verdachtspatienten eine Reiseanamnese vorzunehmen. Der Umgang sollte wie auch mit Influenza-Patienten erfolgen: also nicht in ein volles Wartezimmer setzen.

Isolation oder Quarantäne?

Bei tatsächlich an Sars-CoV-2 erkrankten oder krankheitsverdächtigen Menschen, könne das Gesundheitsamt eine sogenannte Isolationsverfügung aussprechen, sagte Behördenleiter Gottschalk. In diesem Fall übernähmen die Krankenkassen Kosten und Lohnausfall. Ansteckungsverdächtige, aber sonst gesunde Menschen erhielten hingegen eine Quarantäneverfügung – hier zahle das Gesundheitsamt.

Menschen mit grippeähnlichen Symptomen sollten zu Hause bleiben und zunächst telefonisch ihren Hausarzt kontaktieren, riet am Freitag Hessens Ärztekammerpräsident Dr. Edgar Pinkowski. Dabei müsse abgeklärt werden, ob sie sich zuvor in den bekannten Risikogebieten aufgehalten oder mit anderen Personen aus diesen Gebieten Kontakt gehabt hätten. Der Hausarzt entscheide dann, ob ein Praxisbesuch und der Test auf das Coronavirus erforderlich seien. „Wichtig sind Transparenz der Informationen und besonnenes Handeln.“

Schutzausrüstung wird knapp

Während alle Beteiligten also vermitteln, die Lage sei unter Kontrolle, gibt es doch einen Punkt, der die Mediziner besorgt: „Das Thema Schutzausrüstung beschäftigt uns“, sagt Direktor Graf von der Uniklinik Frankfurt. Einweghandschuhe, Masken, viele auf Kunststoff basierende Materialien kommen aus den besonders vom Virus betroffenen Ländern China und Taiwan. „Da wird es Probleme geben“, so Graf. Zunächst gelte es, besonnen mit dem vorhandenen Material umzugehen, um möglichst lange damit auszukommen. Zudem gilt das Prinzip Hoffnung: Acht Wochen brauche ein Containerschiff von China bis Europa – „ich gehe davon aus, dass noch ein paar Schiffe unterwegs sind“, so Graf.

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