Digitale Gesundheitskompetenz
Jeder Zweite hat Probleme beim Gesundheitssurfen
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen schreitet mit der Einführung von DiGA und elektronischer Patientenakte voran – doch viele Bürger kommen nicht mehr mit. Bei mehr als der Hälfte der Deutschen mangelt es an digitaler Gesundheitskompetenz, zeigt eine AOK-Umfrage.
Veröffentlicht:Berlin. Die Digitalisierung des Gesundheitssystems stellt viele Menschen in Deutschland vor Probleme. So fällt jedem zweiten Bundesbürger der Umgang mit gesundheitsbezogenen digitalen Angeboten und Informationen schwer, wie aus einer am Dienstag in Berlin vorgestellten Studie im Auftrag der AOK hervorgeht.
Das Institut „Skopos“ befragte dafür im September und Oktober 8500 Frauen und Männer im Alter von 18 bis 75 Jahren. Gefragt wurden sie, wie gut sie digitale Gesundheitsinformationen finden, verstehen, bewerten und letztlich für sich nutzen können.
Gut die Hälfte der Befragten (52 Prozent) hat demnach eine nur eingeschränkte digitale Gesundheitskompetenz. Knapp der Hälfte der Befragten (48 Prozent) fällt es zudem schwer, zu beurteilen, ob die Informationen zuverlässig sind. 40 Prozent empfinden es zudem als schwierig herauszufinden, ob hinter Gesundheitsinformationen kommerzielle Interessen stehen.
Luft nach oben bei Chronikern
Jüngere sowie Frauen und Menschen mit höherem Einkommen und besserer Bildung zeigen laut Studie tendenziell eine größere Digitalkompetenz. Personen mit sehr gutem oder gutem Gesundheitszustand weisen eine bessere digitale Kompetenz auf als Menschen mit mittelmäßigem oder schlechtem Gesundheitszustand (siehe nachfolgende Grafik).
Gut die Hälfte der Personen ohne chronische Erkrankung verfügen über eine hohe oder sehr hohe digitale Gesundheitskompetenz. Bei Menschen mit mehreren chronischen Krankheiten sind es lediglich 43 Prozent.
Leicht verständliche Informationen nötig
„Während die Digitalisierung immer weiter voranschreitet, wächst die Gefahr, dass die Bürger nicht mehr mitkommen“, sagte der Vorstandschef des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch. Nötig seien daher verlässliche und leicht verständliche Informationen. Zudem müssten Barrieren bei der Nutzung digitaler Instrumente abgebaut werden. Nur dann könnten Menschen die richtigen Entscheidungen zur eigenen Gesundheit treffen.
Das gelte auch für die elektronische Patientenakte (ePA), die von den Kassen ab 2021 angeboten wird. Die ePA biete die Chance, dass Informationen zwischen Patienten und Ärzten schneller fließen könnten, betonte Litsch. Das mache das Gesundheitssystem besser – die Nutzung von Gesundheitsdaten aber auch komplexer.
Flut von Informationen
„Das ist die Herausforderung, und da spielt digitale Gesundheitskompetenz eine große Rolle.“ Er gehe nicht davon aus, dass es bereits zum 1. Januar 2021 den „großen Durchbruch“ bei der ePA gebe, so Litsch. Erst wenn Ärzte die Akten befüllen könnten, entstehe daraus ein „Mehrwert“ für die Patienten. „Das ist kein Kurzstreckenlauf.“
Mit der zunehmenden Digitalisierung prassele eine „Flut“ von Gesundheitsinformationen auf die Menschen ein, sagte Matthias Mohrmann, Mitglied des Vorstands der AOK Rheinland/Hamburg und Co-Autor der Studie. Seriöse und aberwitzige Hinweise zu Krankheitsbildern vermischten sich dabei immer mehr. „Hier bedarf es fundierter Informationen, um Gefährdungen auszuschließen.“
Gesundheitskompetenz sei womöglich die am meisten unterschätze Ressource im Gesundheitswesen. „Wir wissen ja, dass chronische Erkrankungen wie etwa Diabetes bei Menschen häufiger auftreten, die vielleicht weniger gesundheitskompetent sind.“
Höhere Anforderungen bei DiGAs
Chronisch Kranke bräuchten wiederum mehr Unterstützung bei der Nutzung digitaler Informationen und Tools – etwa durch Patientenlotsen, so Mohrmann. Auch in den DMP lasse sich die digitale Komponente stärken.
Mit Blick auf die DiGAs betonte Litsch, die AOK beobachte die Entwicklung „wachsam und kritisch“. Für die Patienten sei entscheidend, dass die Anwendungen einen echten medizinischen Nutzen bieten. „Das würden wir gerne wissen, bevor so etwas zugelassen wird.“
Für digitale Anwendungen müssten ähnliche Anforderungen an Evidenz gelten wie für entsprechende Leistungen aus der bisherigen Regelversorgung. Leider stellten die Auflagen an die DiGAs bisher keine gute Basis dar, „um die Spreu vom Weizen zu trennen“. Hier brauche es Nachbesserungen.