Kandidatur angekündigt
Karl Lauterbach will SPD-Chef werden
Die Wahl zur neuen SPD-Parteispitze könnte für Ärzte spannend werden: Fraktionsvize und Gesundheitsexperte Professor Karl Lauterbach kandidiert gemeinsam mit der Umweltpolitikerin Nina Scheer.
Veröffentlicht:BERLIN. Auf die Gesundheitspolitik der Großen Koalition lässt er nichts kommen. Was er gemeinsam mit dem früheren Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) in den Koalitionsvertrag verhandelt hat, soll bis Jahresende abgeschlossen sein.
Dann spätestens will Professor Karl Lauterbach die Weichen für ein Ende der Zusammenarbeit von Union und SPD stellen. Den Startschuss dafür haben Lauterbach und die SPD-Abgeordnete Nina Scheer Ende der Woche gegeben. Gemeinsam wollen sie auf dem SPD-Parteitag vom 6. bis 8. Dezember für den Vorsitz der Partei kandidieren.
Kürzere Wartezeiten ein Ziel
Lauterbach ist einer der der Treiber des Systems aus Terminservicestellen, offenen Sprechstunden für grundversorgende Fachärzte und neuerdings der gesetzlich vorgeschriebenen Verlängerung der Praxisöffnungszeiten. Damit sollen die Wartezeiten für gesetzlich Versicherte im Vergleich zu denen von Privatversicherten verkürzt werden.
Diese Regelungen aus dem Terminservice-und Versorgungsgesetz (TSVG) plus der Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung gelten Lauterbach und der SPD als Kompensation für die Bürgerversicherung, die sich weder in der Jamaika-Konstellation nach der Wahl 2017 noch mit der Union in der GroKo hat umsetzen lassen.
Die Vertragsärzte sehen darin vor allem unbotmäßige Eingriffe in ihre Praxisorganisation. KBV-Chef Dr. Andreas Gassen verweist auf Umfragen unter Patienten, die seiner Ansicht nach nahe legen, dass das Wartezeitenproblem nachrangig ist.
Lauterbach will Gesundheitspolitik treu bleiben
Auch als möglicher Part des SPD-Vorsitzes will Lauterbach der Gesundheitspolitik treu bleiben. Sie gilt ihm geradezu als Politikfeld, in dem sich viele sozialdemokratische Anliegen verdichten. „Ich kämpfe dafür, dass Menschen sich gesund ernähren können, ich verknüpfe Gesundheitsthemen mit der sozialen Frage“, sagte Lauterbach dem „Spiegel“.
Bereits Ende Juni hatte Lauterbach ein gesundheitspolitisches Zukunftsprogramm entworfen, ohne allerdings auf die geplante Kandidatur für den Parteivorsitz einzugehen. Als Hauptproblem hat er den Ärztemangel ausgemacht. Dieser Entwicklung will er demnach mit 5000 zusätzlichen Medizinstudenten jährlich begegnen. Das sei die Mindestzahl, um in den kommenden zwölf bis 15 Jahren der demografischen Erosion des Ärztebestandes entgegenzuwirken.
Mit einer Reform des Präventionsgesetzes will Lauterbach auf der gesundheitspolitischen Schiene der sozialen Ungleichheit etwas entgegensetzen. „Arme Menschen essen immer ungesünder“, sagte Lauterbach. Der Einsatz von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner an dieser Stelle sei nicht zufriedenstellend.
Auf die Tagesordnung dürfte dann wohl auch wieder ein Tabakwerbeverbot kommen, mit dem Lauterbach in den Koalitionsverhandlungen 2017 und 2018 gescheitert ist.
Bürgerversicherung bleibt ein Thema
Ungleichheit hat Lauterbach auch bei der ärztlichen Versorgung in Stadt und Land ausgemacht. Das Überangebot in den Ballungsräumen müsse zugunsten des Landes verringert werden, sagte er Ende Juni. Diese Forderung verknüpft er mit der nach einer engeren Verzahnung von niedergelassen Ärzten und stationärer Versorgung in den Krankenhäusern.
Die „Zwei-Klassen-Medizin“ nehme trotz der Reformen in Teilen der Gesellschaft immer noch zu, schreiben Lauterbach und Scheer in ihrem Bewerbungsschreiben. Deshalb wird auch die Bürgerversicherung wieder stärker in den Fokus der gesundheitspolitischen Debatte rücken. Die SPD vertritt dabei das im Vergleich zu Bündnis 90/Die Grünen und der Linken am wenigsten radikale Konzept. Es zielt vor allem darauf, die Private Krankenversicherung auszutrocknen.
Anders als die beiden anderen Bürgerversicherungskonzepte verzichtet das SPD-Modell weitgehend darauf, andere Einkommensarten einzubeziehen. Über einen dynamisierten Steueraufschlag könnten aber indirekt auch Kapitaleinkünfte einbezogen werden.
Auch in der Union sind die Gedankenspiele, wie es nach dem SPD-Parteitag mit der Koalition weitergehen könnte, schon im Gange. Laut sagen will es keiner. Dafür, dass die Koalition den Jahreswechsel übersteht, will aber kaum noch jemand die Hand ins Feuer legen. Im zweiten Halbjahr 2020 übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft.
Das ginge auch mit einer nur kommissarischen Regierung. Besser allerdings sei, so dringt es aus der Union, eine voll funktionsfähige und durch Wahlen legitimierte Regierung spätestens im Mai kommenden Jahres. Das könne die jetzige GroKo mit einem umgebauten Kabinett oder eine neue Regierung sein, heißt es.
Wir haben den Beitrag aktualisiert am 15.07.2019 um 11:22 Uhr und den ursprünglichen dpa-Text durch einen eigenen Beitrag ersetzt.