Kommentar zu GKV-Halbjahreszahlen
Kassenfinanzen: Die Krux mit der Statistik
Flüchtig gelesen, laden die Halbjahreszahlen der Kassen zur Fehlinterpretation ein. Die Überschüsse sind eine Momentaufnahme, die ganze Rechnung kommt noch.
Veröffentlicht:Wer die Finanzergebnisse der Krankenkassen zur Jahresmitte nur flüchtig liest, der droht in eine Denkfalle zu laufen: Rund 1,3 Milliarden Euro Überschuss, alles in Butter.
Nichts ist gut. Die Halbjahreszahlen sind ein hochgradig statistisches Artefakt: Der Prognosegehalt der Ergebnisse des ersten Quartals gilt mit Blick auf die Entwicklung des Gesamtjahres traditionell als niedrig. Im zweiten Quartal kommt nun die historisch einzigartige Situation durch die Corona-Pandemie hinzu.
Operationen wurden verschoben, Arzt-Besuche gemieden, Vorsorge-Termine und Reha-Aufenthalte erst gar nicht angetreten. So sanken etwa bei den Ersatzkassen die Leistungsausgaben je Versicherten um fast drei Prozent – plus fünf Prozent waren es noch im ersten Quartal.
Hinzu kommt, dass die GKV-Zahlen nur einen Teil der Wahrheit enthalten. Ausgaben wie etwa für die Kompensation leerstehender Klinikbetten werden aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert. Dessen Rücklagen schmelzen aktuell so schnell wie Schnee in der Hochsommerhitze.
Die ganze finanzielle Dimension der Corona-Folgekosten kommt erst 2021 ans Licht. Dann schlagen sinkende Beitragseinnahmen und steigende Leistungsausgaben gleichzeitig durch. Den Kassen-Mitgliedern würden flächendeckend höhere Zusatzbeiträge drohen. Ob es die Gesundheitspolitiker der Koalition dazu im Bundestags-Wahljahr 2021 wirklich kommen lassen?
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