Kein Linagliptin für Deutschland

Der Fall Linagliptin zeigt die Kehrseite der frühen Nutzenbewertung: Weil das Diabetes-Mittel mit einem extrem günstigen Generikum verglichen wurde, wollten die Kassen nur Cent-Beträge erstatten. Jetzt hat der Hersteller aus Protest das Präparat vom Markt genommen.

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Therapie mit Trajenta - nicht in Deutschland.

Therapie mit Trajenta - nicht in Deutschland.

© Boehringer Ingelheim

INGELHEIM/BERLIN (HL). Den neuen DPP-4-Inhibitor Linagliptin (Trajenta®) wird es für Patenten in Deutschland nicht geben. Boehringer Ingelheim und Lilly haben entschieden, Linagliptin nun auch offiziell aus dem Handel zu nehmen.

Zuvor waren die Verhandlungen über einen Erstattungsbetrag mit dem GKV-Spitzenverband wegen unüberbrückbarer Differenzen über einen angemessenen Preis gescheitert.

Es ist das erste Mal, dass ein in Deutschland entwickeltes und produziertes Arzneimittel, das bereits in anderen EU-Ländern einen ausgehandelten Erstattungsbetrag hat, im Heimatmarkt nicht angeboten wird.

Ursächlich für den jetzigen Schritt ist die vom GBA für die frühe Nutzenbewertung vorgegebene Vergleichstherapie mit Sulfonylharnstoffen. Boehringer hatte dagegen den Vergleich mit anderen Gliptinen für sachgerecht gehalten.

Im Dossier ebenfalls enthaltene Vergleichsdaten zu Sulfonylharnstoffen hatte das IQWiG in seiner Empfehlung nicht anerkannt und war zu dem Schluss gekommen, dass für Linagliptin kein Zusatznutzen zur vom GBA vorgegebenen Vergleichstherapie zu erkennen sei.

Dem hat sich der GBA angeschlossen und dem Unternehmen angeboten, mit einem neuen Dossier nach zwölf Monaten erneut in die Bewertung zu starten.

Erstattung im niedrigen zweistelligen Cent-Bereich

In dieser Woche fand die erste Runde der Verhandlungen über einen Erstattungsbetrag mit dem GKV-Spitzenverband statt. Boehringer Ingelheim unterbreitete einen Preis, der auf Tagestherapiekosten von 1,20 Euro hinausgelaufen wäre.

Begründung: In neun von 15 Ländern, deren Preise als Referenz für Deutschland gelten, sind die Erstattungspreise nach Verhandlungen mit den dortigen Institutionen laut Boehringer auf durchschnittlich 1,27 Euro festgelegt worden.

Der GKV-Spitzenverband ging hingegen vom generischen Preisniveau der Sulfonylharnstoffe aus und bot einen niedrigen zweistelligen Cent-Betrag an.

"Das war eine unakzeptable Spannbreite der Vorstellungen. Wir können uns nicht vorstellen, dass es zu einer Einigung kommt", so Boehringer-Deutschland-Chef Dr. Engelbert Günster.

Er fordert einen sofortigen Neustart der Nutzenbewertung mit einem neu konzipierten Dossier, das die Vorteile von Linagliptin zu Sulfonylharnstoffen aufzeigt.

Konsterniert ist man bei Boehringer Ingelheim, das bei weltweiter Vermarktung seiner Produkte den Schwerpunkt von Forschung und Produktion in Deutschland hat, über die mangelnde wirtschafts- und forschungspolitische Sensibilität der Gesundheitspolitik. Günster: "Das ist völlig disparat."

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