Gesetz endgültig beschlossen

Kein Vermittlungsausschuss: Bundesrat lässt Lauterbachs Klinikreform passieren

Die Krankenhausreform kann in Kraft treten. Die Länderkammer hat grünes Licht für das Prestigeprojekt von Gesundheitsminister Lauterbach gegeben. Haus- und Fachärzte stoßen sich besonders an einem Punkt.

Veröffentlicht: | aktualisiert:
Blick in die Sitzung des Bundesrats

Grünes Licht für Lauterbachs Klinikreform: Der Bundesrat hat das Vorhaben am Freitagvormittag passieren lassen.

© picture alliance / dts-Agentur

Berlin. Lange war der Ausgang ungewiss – jetzt steht fest: Die Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kann wie geplant zum 1. Januar 2025 starten. Der Bundesrat hat das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) am Freitag passieren lassen.

Eine Mehrheit für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses kam bei der Sitzung der Länderkammer nicht zustande. Für die Anrufung des Ausschusses stimmten Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Zusammen verfügen sie im Bundesrat über 30 Stimmen. Damit blieben sie unter dem Quorum von 35 Stimmen, das nötig ist, um den Ausschuss anzurufen.

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Obwohl die Kieler Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) in der Aussprache zum KHVVG heftige Kritik an Lauterbachs Konzept geübt hatte, enthielt sich die schwarz-grüne Landesregierung von Schleswig-Holstein der Stimme. Das Votum aus Thüringen wurde nicht gezählt, weil es nicht einheitlich war.

Beide Länder hatten zuvor signalisiert, das KHVVG in den Ausschuss überweisen zu wollen. Das taten sie dann nicht, womit das Quorum nicht zustande kam – auch wenn Brandenburg wider Erwarten und nach der Entlassung von Ministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) mit Ja stimmte.

Lauterbach: Hohe Ausgaben, zu geringe Qualität

Bis zuletzt war offen, wie einzelne Länder – etwa Brandenburg oder Thüringen – abstimmen. Ein Dutzend Redner hatten das Wort in der rund 70-minütigen Aussprache im Bundesrat ergriffen.

Lauterbach betonte, Deutschland leiste sich eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt, allein im stationären Bereich seien es 100 Milliarden Euro, die man pro Jahr ausgebe. „Trotzdem haben wir nicht die Qualität.“ Die Reform wolle diesen Zustand überwinden, in dem sie für mehr für Spezialisierung sorge.

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Der Bundestag hatte die Klinikreform im Oktober beschlossen. Vorausgegangen war eine zwei Jahre lange, teils hitzige Debatte – vor allem zwischen Bund und Ländern.

Änderungen bei der Krankenhausvergütung

Einige Länder fürchten Klinikschließungen insbesondere in ländlichen Regionen und einen zu großen Einfluss des Bundes auf die Krankenhausplanung. Die, so das Argument, sei eindeutig Ländersache.

Ziel der Reform ist es, Leistungen in spezialisierten Kliniken zu konzentrieren, um so die Qualität der Behandlungen zu verbessern. Neuerungen sieht die Reform auch bei der Krankenhausabrechnung vor.

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Diese soll weniger durch Fallpauschalen, stattdessen zu 60 Prozent über eine Vorhaltevergütung erfolgen. Anders als bisher richtet sich die Finanzierung nicht ausschließlich nach der Anzahl der Behandlungen, sondern nach den Leistungen, die die Häuser vorhalten.

Hierzu sind – in Anlehnung an die neue Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen – 65 Leistungsgruppen vorgesehen. Diese wiederum sind an Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen geknüpft.

Ermächtigung der Kliniken zur ambulanten Versorgung

Aus Sicht der niedergelassenen Ärzte hochumstritten ist die weitere Öffnung der Kliniken für ambulante Leistungen. In Gebieten, in denen Facharztsitze unbesetzt sind, sollen sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen – Level 1i-Krankenhäuser – und Sicherstellungskrankenhäuser fachärztliche Leistungen anbieten können.

Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen sollen dort, wo Hausärztinnen und Hausärzte fehlen, auch allgemeinmedizinische Behandlungen vorhalten. Die Klinik wird dafür innerhalb des KV-Systems wie eine Praxis bezahlt. Voraussetzung ist, wie gesagt, dass der betreffende Bezirk bei den Zulassungen nicht „gesperrt“ ist.

Der Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) zeigte sich ob der nun kommenden „flächendeckenden Öffnung von Krankenhäusern für vertragsärztliche Leistungen“ entrüstet. „Diese Maßnahme führt zu ineffizienten Doppelstrukturen und schwächt die Praxen. Das darf nicht zum Modell der Zukunft werden,“ sagte BDI-Präsidentin Christine Neumann-Grutzeck am Freitag.

BDI und KBV warnen vor Doppelstrukturen

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) erklärte, die Klinikreform könne nun kommen – leider auch mit vielen handwerklichen Fehlern. „Auch wenn wir eine Krankenhausreform dringend brauchen, wird dieses KHVVG kaum Probleme lösen, aber viele neue schaffen“, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen der Ärzte Zeitung.

Eine neue Bundesregierung müsse das Klinikgesetz in Abstimmung mit allen Beteiligten „zügig“ so abändern, dass Strukturreformen tatsächlich möglich werden und geordnet und planbar abliefen. „In der jetzigen Form ist das Gesetz dafür ungeeignet“, so Gassen.

In der Vergangenheit hatten KBV, Hartmannbund und auch der Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands (SpiFa) die Ermächtigung der Kliniken für weitere ambulante Behandlungen bereits als „Irrweg“ und „falsche Weichenstellung“ zurückgewiesen. Es müssten mehr Patienten in Praxen versorgt werden statt in teuren Kliniken.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hatte bis zuletzt an die Länder appelliert, das Klinikgesetz an den Vermittlungsausschuss zu überweisen. Profiteure der Reform seien Häuser der Maximalversorgung , die die „hohen“ Vorgaben für die Vorhaltung der Leistungsgruppen bedienen könnten. Verlierer seien hingegen kleinere und mittlelgroße Klinikstandorte. Sie müssten bei den Anforderungen passen. (hom/bwa)

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