Gesündere Ernährung
Klares Ziel, unklare Umsetzung
Eine gesündere Ernährung der Bevölkerung ist auch politisch gewollt. Erläuterungen der Bundesregierung legen jedoch offen: Für die Lebensmittelwirtschaft sind noch keine Verpflichtungen in Sicht.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Bundesregierung stärkt Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) bei der bisherigen Umsetzung der Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie (NRI) für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten den Rücken. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke hervor, die Bezug nimmt auf die Kritik von Gesundheits- und Verbraucherschutzorganisationen.
Sie monieren immer wieder, die geplanten Reduktionsziele seien zu niedrig und zu unverbindlich. Aktuell gibt es keine gesetzliche Verpflichtung zur Umsetzung der NRI. Die teilnehmenden Verbände des Lebensmittelhandels, der Lebensmittelwirtschaft und des Lebensmittelhandwerks haben sich im September 2018 allerdings "freiwillig verpflichtet, in einem mehrjährigen Prozess seit Anfang des Jahres 2019 die Gehalte an Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten zu reduzieren", betont die Bundesregierung.
Die unterzeichneten Grundsatzvereinbarungen seien eine klare Zusage, sich im Rahmen der NRI zu engagieren und bis 2025 Salz, Zucker und Fette zu reduzieren.
Effekte der Zuckersteuer fraglich
Die NRI konzentriert sich nur auf ausgewählte Produktkategorien. Sie habe nicht zum Ziel, das bundesweite Angebot von Fertigprodukten abzudecken, heißt vonseiten der Regierung.
Zur möglichen Einführung einer Zuckersteuer äußert sich die Bundesregierung in ihrer Antwort kritisch. Die Effekte der Steuereinführung auf die Zuckergehalte in Fertigprodukten oder auf das Konsumverhalten der Verbraucher ließen sich derzeit nicht zuverlässig bewerten, heißt es mit Blick über den internationalen Tellerrand: Mexiko hat 2013 eine Steuer auf zuckergesüßte Getränke eingeführt.
Hier habe sich nach Auskunft der Bundesregierung zwar ein Rückgang des Pro-Kopf-Konsums eingestellt (- 3,8 Prozent), dieser sei aber deutlich geringer ausgefallen als prognostiziert (- 13 bis 17 Prozent).
Auch die Wirksamkeit einer Steuereinführung auf Übergewicht, Adipositas und andere ernährungsbedingte Erkrankungen sei laut Bundesregierung nicht eindeutig zu beurteilen. Am Beispiel Ungarn zeigte sich demnach, dass Verbraucher auf preisgünstigere Alternativen zurückgreifen würden.
Die Bundesregierung kritisiert, dass Modellschätzungen keine Ausweichreaktionen der Konsumenten berücksichtigt würden und damit keine Aussage über die Gesamtkalorienaufnahme der Bevölkerung getroffen werden kann.
Objektive Bewertung möglich?
Im Blick hat die Bundesregierung die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen, wenn es um mögliche Sanktionen bei Nicht-Einhaltung der Grundsatzvereinbarung geht. Auf die Frage der Links-Fraktion in Bezug auf geplante Maßnahmen heißt es: "Bei fehlender Bereitschaft zur prozess- und zielbezogenen Zusammenarbeit wären unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkungen auf die betroffenen Unternehmen regulatorische Maßnahmen zu prüfen." Bis dahin werde man regelmäßige Erhebungen durchführen, um die Umsetzung der NRI wissenschaftlich zu erfassen.
Grundlage der NRI sind laut Bundesregierung Nährstoffdaten von 12.500 industriell vorgefertigten Produkten, die das Max-Rubner-Institut (MRI) zwischen 2015 und 2016 untersucht hatte. Jetzt hat das MRI nach Auskunft des Lebensmittelverbands (BLL) im Begleitgremium zur NRI Ende Juni Konzepte für Folgerhebungen bis 2025 vorgestellt.
Über konkrete Inhalte wollte man sich nicht äußern. Seitens der Wirtschaft versichert der BLL jedoch, dass die Umsetzung der Strategie "gemäß der Branchenvereinbarungen" läuft.