Zucker-Debatte

Lebensmittelindustrie – Partner oder Buhmann?

Ist die Selbstverpflichtung der Lebensmittelindustrie der richtige Weg, um das politisch konsentierte Reduktionsziel des Gehaltes an Zucker, Fetten und Salzen in Lebensmitteln zu erreichen? Hier streiten sich die Geister.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
In Zukunft „gesünder“? Fertigprodukte sollen nach dem Willen der Bundesregierung künftig weniger Zucker, Fette und Salz enthalten.

In Zukunft „gesünder“? Fertigprodukte sollen nach dem Willen der Bundesregierung künftig weniger Zucker, Fette und Salz enthalten.

© luiscarceller / Fotolia

BERLIN. „Jetzt ist es also amtlich: Diese Ministerin ist gesundheitsgefährdend“ – mit harschen Worten kritisierte Martin Rücker, Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch, die am Mittwoch im Bundeskabinett verabschiedete „Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten“ von Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU).

Selbstverpflichtung von Industrieseite ist neben Transparenz die zweite Säule, auf die Klöckner zur Erreichung der vereinbarten Reduktion der Zucker-, Fett- und Salzgehalte in bestimmten Nahrungsmitteln bis 2025 setzt. Ein „Begleitgremium“ mit Vertretern der Bundesregierung, der Bundesländer sowie von Verbänden aus den Bereichen Ernährung, Gesundheit, Lebensmittelwirtschaft, Verbraucherschutz und Wissenschaft solle die Fortschritte der Partner in der Lebensmittelindustrie überwachen.

Auf die konkreten Ziele haben sich Klöckner, die Lebensmittelindustrie sowie weitere Partner im Rahmen einer Grundsatzvereinbarung am Runden Tisch geeinigt.

"Zuckerlobby dürfte ihr Glück kaum fassen"

Die Verbraucherschützer von foodwatch glauben keineswegs an die Selbstheilungskräfte der Lebensmittelindustrie. „Die Zuckerlobby dürfte ihr Glück kaum fassen, dass die Ministerin die Verantwortlichen für ein krankmachendes Nahrungsmittelangebot so billig davonkommen lässt. Jeder weiß, dass freiwillige Selbstverpflichtungen scheitern – gerade erst ist die freiwillige Reduktionsstrategie in den Niederlanden gefloppt“, wettert Rücker.

Versöhnlicher mit Klöckners Prozessstrategie gibt sich da schon der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). „Der Versuch, mit einer Selbstverpflichtung schnelle Fortschritte zu erzielen, verdient eine Chance. Bisherige Erfahrungen geben jedoch viel Anlass zu Skepsis und Kritik“, so vzbv-Vorstand Klaus Müller.

Und ergänzt: „Freiwillige Vereinbarungen mit der Lebensmittelwirtschaft sind nur dann ein Erfolg, wenn sie nicht auf anderem Wege umgangen werden. Veränderte Verpackungsgrößen, vermeintliche Produktinnovationen oder der Austausch durch ungesunde Ersatzstoffe hintergehen alle gut gemeinten Ankündigungen. Die Strategie darf nicht bei Kinderlebensmitteln stehen bleiben.“

Digitale Plattform soll öffentlich über Fortschritte informieren

Wie Klöckner in ihrer Nationalen Reduktionsstrategie weiter ausführt, solle der Prozess der Strategie transparent gestaltet werden, „damit zum einen die Öffentlichkeit sich umfassend informieren kann und zum anderen zeitnahe Bewertungen der Umsetzungsprozesse erfolgen können. Um dies zu gewährleisten, wird eine digitale Plattform etabliert, durch die sich die Öffentlichkeit über die Fortschritte der Strategie informieren kann“, heißt es.

Der Fortschritt der Strategie soll jährlich im Rahmen eines Runden Tisches unter dem Vorsitz des Ernährungsministeriums diskutiert werden. Das Max Rubner-Institut wird in seiner Datenbank die Energie- und Nährstoffgehalte von 12.500 im deutschen Lebensmitteleinzelhandel häufig gekauften und vorgefertigten Produkten dokumentieren.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Süße Industrie-Bescherung

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