Patientensicherheit
Kliniken sehen bei interner Fehlerkultur noch Luft nach oben
In deutschen Krankenhäusern sind Meldesysteme für kritische Ereignisse und Beinahe-Fehler fast flächendeckend eingeführt, offenbart eine Studie. Patientensicherheit sei aber mehr als Checklisten abzuhaken, betont das Aktionsbündnis.
Veröffentlicht:Berlin. Ärzte und Pflegekräfte haben ihr Engagement beim klinischen Risikomanagement (kRM) ausgebaut.
Meldesysteme für kritische Ereignisse und Beinahe-Fehler – Critical Incident Reporting-Systeme (CIRS) – seien in Krankenhäusern inzwischen nahezu flächendeckend etabliert, teilte das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) am Donnerstag bei der Vorstellung einer neuen Studie mit.
Ein CIRS steht demnach in 95 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser bereit, im Mittel werden darüber 54 kritische Ereignisse pro Jahr und Haus gemeldet. Im Schnitt reicht etwa jede zweite Krankenhausabteilung einen CIRS-Bericht ein.
„In aller Regel“ würden aus den Berichten Schritte abgeleitet und deren Wirksamkeit überprüft. Über das interne CIRS hinaus beteiligten sich gut 90 Prozent der Krankenhäuser an einrichtungsübergreifenden Berichts- und Lernsystemen wie dem CIRS-Netz Deutschland.
Ziele beim kRM oft noch schwammig
Luft nach oben sehen die Autoren der KhaSiMIR-21-Studie bei der internen Verortung des Risikomanagements. So seien strategische und operative Ziele entsprechender Maßnahmen nicht immer verbindlich festgelegt. Auch regelmäßige Fortbildungen zum Thema fänden noch zu wenig statt.
Seit der vergangenen Erhebung zur Patientensicherheit in Krankenhäusern 2015 habe es bei der Umsetzung von Systemen zur Sicherheitskultur und Fehlermeldung Fortschritte gegeben, sagte APS-Vorsitzende Dr. Ruth Hecker. Gleichwohl sei die Sicherheitskultur im Gesundheitswesen „längst nicht dort, wo sie sein sollte.“
Fehlerfreie Versorgung könne es freilich nicht geben, betonte die Ärztin. „Wir sind Menschen und machen Fehler.“ Umso wichtiger sei es, dass Ärzte wie Pflegekräfte darüber „mutig, offen und ehrlich“ sprechen könnten.
Hier stünden auch Leitungskräfte in der Pflicht. Am Ende umfasse Patientensicherheit mehr, „als nur eine Checkliste abzuhaken und festzustellen, ob man ein Medikament vertauscht hat“. Es brauche dafür gute Rahmenbedingungen.
Ein Drittel unerwünschter Ereignisse vermeidbar
Laut Aktionsbündnis treten bei fünf bis zehn Prozent aller Patienten unerwünschte Ereignisse während der Behandlung auf – ein Drittel gilt als vermeidbar. Für Krankenhäuser sind Fehlermeldesysteme seit einigen Jahren verpflichtend.
Laut einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses müssen die Häuser einen Beauftragten für Risikomanagement benennen und ein Fehlermeldesystem vorhalten. Dies soll für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach zugänglich und handhabbar sein.
„Es gibt Fortschritte, es gibt aber auch Potenziale“, machte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß, deutlich. Das Gros der Beschäftigten stelle sich trotz schwieriger Rahmenbedingungen den Anforderungen des klinischen Risikomanagements. „Dennoch wird deutlich, dass es noch einiges zu verbessern gilt.“
Bei der Unterstützung durch Geschäftsführungen und Aufsichtsgremien gebe es etwa eine „noch mehr oder weniger große Streuung zwischen den Häusern“.
„Sehen manchmal Wald vor lauter Bäumen nicht“
An die Politik appellierte der DKG-Chef, beim Qualitätsmanagement „auch einmal zu priorisieren“, da viele Ärzte und Pflegekräfte „vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen“. Das gelte auch für die geplante Krankenhausreform, die Bund und Länder vorbereiten. „Wir müssen Bilanz ziehen, wir dürfen nicht noch etwas oben draufsetzen.“
Die KhaSiMIR-21-Studie wurde vom Aktionsbündnis Patientensicherheit koordiniert und vom Institut für Patientensicherheit am Universitätsklinikum Bonn unter Mitwirkung des Deutschen Krankenhausinstituts erstellt. In die mittels Online-Befragung durchgeführte Studie wurden rund 2700 Krankenhäuser und Reha-Kliniken einbezogen. Gut 600 Häuser beantworteten die Fragen „ganz oder teilweise“. (hom)