Einigung vertagt
Bund und Länder brauchen mehr Zeit für die Klinikreform
Es sollte eine abschließende Runde zur Krankenhausreform sein – doch weil viele Punkte weiterhin offen sind, vertagen sich Bund und Länder erneut. Am 10. Juli soll der Sack nun zugemacht werden. Die Reaktionen auf die Runde fallen skeptisch aus.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Die Beratungen über die Eckpunkte der geplanten Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) brauchen noch mehr Zeit. Am Donnerstag gelang es den Gesundheitsministern von Bund und Ländern nicht, zu einer abschließenden Einigung zu kommen.
Er glaube aber, dass beide Seiten „sehr nah beim Endergebnis sind“, sagte Lauterbach im Anschluss an die Beratungen. „Wir sind sehr viel weiter gekommen und haben in einigen Punkten Gemeinsamkeiten entdeckt.“
Ein bisschen Annäherung
Angenähert habe man sich etwa in der Frage, wer Leistungsgruppen definiere, auch bei der Frage, wie sich die Qualität der Häuser heben lasse, gebe es Fortschritte, so Lauterbach. „Die hohen Ansprüche, die der Bund immer wieder vorgetragen hat, werden von den Ländern geteilt.“ Übereingekommen sei man auch, dass über Vorhaltepauschalen das Budget so verteilt werden solle, „dass sich Qualität lohnt“.
Keine Einigkeit habe es dagegen bei der Forderung der Länder gegeben, per Vorschaltgesetz vor der eigentlichen Reform neue Mittel für die Krankenhäuser bereitzustellen, so Lauterbach. „Da konnte ich den Ländern keine Zusagen machen“.
An der vom Bund geplanten Klinik-Transparenzliste halte er ebenfalls fest. In der Vergangenheit sei versäumt worden, die Qualitätsdaten hinreichend auszuwerten und für die Patienten sichtbar zu machen.
Vor Bund-Länder-Beratungen
„Zur Not ohne Einigung“: Lauterbach bleibt bei Klinik-Transparenzliste hartnäckig
Lucha: Kliniken nicht über Wupper gehen lassen
Der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder, Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne), sprach ebenfalls davon, dass sich Bund und Länder aufeinander zu bewegt hätten. „Das Konkreteste sind die sektorenübergreifenden Versorger. Da stimmt die Richtung.“
Man wolle das „richtige Angebot am richtigen Ort mit der richtigen Ausstattung“ schaffen. „Was am Ende planungsrechtlich überbleibt, muss in die Lage versetzt sein, keine Defizite mehr zu haben“, sagte Lucha. „Unsere Aufgabe ist es, genau die Kliniken nicht über die Wupper gehen zu lassen, die systemrelevant sind.“
Lob für Neuordnung der Notfallmedizin
Vor Journalisten begrüßte Lucha die Vorlagen des Ministeriums zur Neuordnung der Notfallmedizin. Diese seien „sehr exzellent“ und von „hoher Qualität“. Sie seien auf große Zustimmung der Länder gestoßen.
Die Beratungen über die Krankenhausreform sollen nächste Woche auf der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) am Bodensee fortgesetzt werden. Am 10. Juli wolle man sich dann – unter Einbezug der Fraktionen des Bundestags – abschließend beraten, sodass das Gesetz zur Krankenhausreform in der Sommerpause geschrieben werden könne, kündigte Lauterbach an. Er erwarte ein Inkrafttreten der Reform zum 1. Januar 2024.
Die erneute Verhandlungsrunde von Bund und Ländern stieß auf ein gemischtes Echo. Die bundeseinheitlich und verbindlich vorgegebenen Leistungsgruppen, die als Basis für die Auszahlung der Vorhaltepauschalen dienen sollen, seien der richtige Weg, betonte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann.
Bei dieser Definition der Leistungsgruppen dürfe es aber „keine faulen Kompromisse“ geben, die am Ende wieder „Gelegenheitsversorgung“ auf Kosten der Sicherheit von Patienten möglich machten, warnte Reimann.
Reinhardt: Nächste Runde muss Durchbruch bringen
Man sehe mit Sorge, dass aus den Reihen der Bundesländer „die Vorschläge der Regierungskommission immer weiter relativiert werden und zusätzliche Finanzmittel aus Beiträgen der Versicherten und Arbeitgeber ins Zentrum der Verhandlungen rücken“, sagte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen. Ziel müsse der Umbau der Krankenhauslandschaft hin „zu modernen Strukturen sein“, forderte sie.
BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt mahnte, das nächste Bund-Länder-Treffen müsse den Durchbruch bringen. Er mahnte, die mit der Umsetzung betroffenen Akteure sollten möglichst bald „an den Tisch kommen“: Wenn man die Reform auf Basis der NRW-Leistungsgruppen angehe, ergänzt um weitere drei bis fünf Leistungsgruppen, dann seien auch keine weiteren wissenschaftlichen Vorarbeiten nötig.
„Stattdessen sollten wir unmittelbar damit beginnen, alle Leistungsgruppen auf ihre Auswirkungen bei bundesweiter Anwendung hin zu analysieren und die weiteren Umsetzungsschritte zu konkretisieren“, forderte Reinhardt. Unbedingt geboten sei dabei eine Auswirkungsanalyse mit Blick auf die Facharztweiterbildung von Ärzten in den Krankenhäusern.
Johna: Gegenfinanzierung der patientennahen Personalkosten ist zentral
Aus Sicht von Dr. Gerald Gaß, Vorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft, ist die Botschaft des Treffens der Minister eindeutig: „Der kalte Strukturwandel in der Krankenhauslandschaft und das Kliniksterben werden weitergehen und sogar eine neue Dynamik entfalten.“ Viele Geschäftsführungen in den Kliniken würden von der Politik gezwungen, „unmittelbar einen Antrag auf Insolvenz zu stellen, weil sie absehbar die Rechnungen des Krankenhauses sowie Löhne und Gehälter nicht mehr bezahlen können“, warnte Gaß.
Der Marburger Bund mahnte, endlich den Fokus auf die Daseinsvorsorge für die Patienten und den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen zu setzen. Deswegen sei es zentral, die „patientennahen Personalkosten über die Vorhaltevergütung komplett gegenzufinanzieren, damit nicht nur die Pflege, sondern auch Ärztinnen und Ärzte sowie weiteres patientennahes Personal vom ökonomischen Druck der Stelleneinsparungen entlastet werden“, forderte die MB-Vorsitzende Dr. Susanne Johna. Die konkrete Ausgestaltung der geplanten Vorhaltepauschalen sei somit eine entscheidende Stellschraube der Reform, betonte sie. (lass/hom/fst)