GKV-Chefin sauer

Koalition plant Transparenz-Zwang für Kassen

Katzenjammer bei den Krankenkassen. In letzter Minute haben ihnen die Regierungsfraktionen scharfe Transparenz- und Aufklärungspflichten ins Lastenheft geschrieben. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) findet das gut.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Die geplanten Vorgaben für die Krankenversicherungen beim Zusatzbeitrag sorgen bei den Kassen für Verdruss.

Die geplanten Vorgaben für die Krankenversicherungen beim Zusatzbeitrag sorgen bei den Kassen für Verdruss.

© Ohde / dpa

BERLIN. Krankenkassen sollen künftig ihre Mitglieder umfassend über Veränderungen auf dem Kassenmarkt informieren. Das geht aus einer Gesetzesinitiative der Koalitionsfraktionen hervor, die der "Ärzte Zeitung" vorliegt. Sie ist Teil der Krankenkassenreform, die der Bundestag am Donnerstag beschließen wird. Das Gesetz soll, mit Ausnahme einzelner Bestimmungen, Anfang 2015 in Kraft treten.

Erhebt eine Kasse künftig einen prozentualen Zusatzbeitrag oder erhöht ihren Zusatzbeitrag, soll sie dies ihren Mitgliedern in einem Brief mitteilen müssen. Gleichzeitig soll sie damit die Mitglieder auch auf das dadurch ausgelöste Kündigungsrecht hinweisen.

Damit nicht genug: Die Kassen müssen die Versicherten zudem auf günstigere Angebote aufmerksam machen, die sie auf einer Internet-Übersicht des GKV-Spitzenverbandes abrufen können sollen.

Das Vorhaben ist auf heftige Kritik der Kassenseite gestoßen. "Wir sind uns hoffentlich alle einig, dass es nicht um billig, billig gehen soll", warnte GKV-Spitzenverbandschefin Dr. Doris Pfeiffer vor einem nur auf den Preis fokussierten Wettbewerb.

"Die vorgeschriebenen Hinweispflichten sind völlig verfehlt", sagte sie am Dienstag beim Frühjahrsempfang des GKV-Spitzenverbandes in Berlin. Das sei ein falsches Signal für die Diskussion um Qualitätsverbesserungen in der Patientenversorgung. Man wolle einen ausgewogenen Wettbewerb um Qualität, Service und Preis, schob der Verband am Mittwoch nach.

Die Mitglieder per Brief informieren zu müssen, bedeute ein Übermaß an Bürokratie, sagte die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen, Ulrike Elsner. Kranke Versicherte könnten die Post auch als Aufruf zum Kassenwechsel begreifen.

Viele weitere Neuerungen im Schlepptau

"Das kann die Bundesregierung nicht ernsthaft wollen", sagte Elsner. An Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) perlte die Kritik ab. Er sei davon überzeugt, man werde einen guten Wettbewerb bekommen, entgegnete er Pfeiffer.

"Ich kenne keine Krankenkasse, die damit wirbt, wir sind der billige Jakob. Ich kenne nur Kassen, die sagen, bei uns gibt's prima Service", sagte Gröhe. Der Minister muss es wissen. Er ist nach eigener Aussage freiwillig gesetzlich versichert.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, verteidigte die neuen Informationspflichten. "Wir wollen auch in Zukunft einen Preis-Wettbewerb bei den Krankenkassen", sagte Spahn. Die Aufklärungspflichten bedeuteten Transparenz und Verbraucherschutz.

Das Vergleichsportal im Internet, um die günstigste Kasse zu finden, sei ein "perfider Bluff" der Koalition, sagte dagegen die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink. Gleichzeitig lade sie mit den Zusatzbeiträgen alle künftigen Kosten bei den Versicherten ab.

Im Schlepptau der Reform (GKV-Finanzstruktur- und Qualitätsweiterentwicklungsgesetz, FQWG) hängen weitere Neuregelungen.

Der Gesetzgeber plant zum Beispiel, Hebammen in zwei Stufen bei der Haftpflicht zu entlasten. Damit soll die flächendeckende Versorgung mit Hebammenleistungen gewahrt bleiben. Das geht aus aktuellen Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen hervor.

Schon am Freitag tritt demnach ein Passus des Gesetzes in Kraft, das aller Voraussicht nach Donnerstagnachmittag verabschiedet werden wird. Kassen und Hebammenverbänden wird damit aufgegeben, bis zum 30. September 2014 zusätzliche Zuschläge auf die Geburtshilfeleistungen zu vereinbaren.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 05.06.201419:23 Uhr

Spitzbübischer SpiBu-Sturm im Wasserglas?

Die GKV-Spitzenverbands-Chefin (SpiBu) Frau Dr. Doris Pfeiffer sollte sich nicht künstlich aufregen:

Zweitmeinungen, Darstellung von diagnostischen und therapeutischen Alternativen, Außenseitermethoden nach Ausschöpfen konventioneller schulmedizinischer Ansätze, Expertenrat und Exzellenz-Initiativen müssen Haus-, Fach-, Spezial- und Klinik-Ärztinnen und -Ärzte schon seit Jahrzehnten bei g e d e c k e l t e r GKV-Gesamtvergütung von kurativen und rehabilitativen Leistungen k o s t e n n e u t r a l zusätzlich stemmen. Dazu Fortbildungs- und Qualitätssicherungs-Nachweise, Begehungsprotokolle, Prozess- und Ergebnisqualitäts-Sicherung bzw. umfassende Protokollierung und Dokumentation aller diagnostischen und therapeutischen Abläufe.

Die GKV-Kassenseite hat dagegen in den letzten Jahren durch rigide Sparpolitik bis zur Leistungsverweigerung, Ablehnung von sogenannten Bagatellfällen und -Arzneimitteln, "Negativlisten", Streichung der "besonderen Therapierichtungen" und Boykott der Zusatzleistungen für die qualifizierte Hausarzt-zentrierte Versorgung (HzV) in Gesundheitsfonds und eigenen Rücklagen knapp 31 Milliarden Euro angesammelt. Zugleich wurden jahrelang alle Leistungserbringer und Leistungsträger in der Gesundheits- und Krankheitsversorgung mit der Regresskeule, mit Retaxierung (Apotheken), mit "off-label"-Vorwürfen, Zahlungsverweigerungen (Kliniken) und mit einer Flut von sinnlos-bürokratischen Anfragen drangsaliert und geschurigelt.

Jetzt müssen zum allerersten Mal die gesetzlichen Krankenkassen der GKV eine GROKO-Gesetzesinitiative der Bundestags-Fraktionen aushalten, die hier versucht, Waffengleichheit zu schaffen, und krümmen sich sogleich schwer getroffen vor Schmerzen. Doch es geht gerade um die T r a n s p a r e n z, welche die GKV-Kassen z. T. mit Unterstützung von Transparency International (TI) bisher nur bei allen a n d e r e n, aber nicht bei sich s e l b s t unerbittlich propagiert, eingefordert und eingeklagt haben. Von daher muss selbst ich dem gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktionen, Jens Spahn, mit den neuen Informationspflichten Recht geben: "Wir wollen auch in Zukunft einen Preis-Wettbewerb bei den Krankenkassen. Die Aufklärungspflichten bedeuteten Transparenz und Verbraucherschutz."

Qualität, angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis, eine für den Verbraucher nachvollziehbare "pay for performance" gilt nach dem Gleichheitsgrundsatz für die Gesetzlichen u n d Privaten Krankenkassen ebenso wie für alle anderen Gesundheits- und Krankheitsdienstleister. Alles andere hieße anderen Wasser predigen, aber selber guten Wein trinken.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dipl.-Med Wolfgang Meyer 05.06.201410:59 Uhr

Seit wann macht sich die Bürokratie gedanken über die Bürokratie?

Da spricht eine Frau Elsner von einem "Übermaß an Bürokratie"! Wenn es um die Interessen der GKV-Kassen geht, indem Patienten und Ärzte mit Papier "erschlagen" werden, redet von den Verantwortlichen keiner davon! Auch eine Frau Dr. Pfeiffer operiert hier mit Begriffen aus Werbung und Marketing, die in einem solidarischen Gesundheitssystem eigentlich nichts verloren hätten! Es sei denn, man macht bei dessen Zerstörung mit, weil man auch etwas davon hat. Es geht im System der Krankenversicherung weder um billig, noch um das Abjagen von Versicherten. Ein solidarisches Gesundheitssystem sollte den kranken Menschen verpflichtet sein und nicht deren Beiträge unnötig verpulvern!

Erwin Bader 05.06.201407:21 Uhr

Die Regierung macht jetzt wieder den selben Fehler ...

... den Wettbewerb der Krankenkassen fast ausschließlich über den Preis laufen zu lassen. Qualitäts- und Serviceunterschiede sind nur schwer vermittelbar, der Preis aber einfach. Viele Versicherte werden sich nur daran orientieren.

Bevor jetzt eine Kasse mit anerkannt guten Leistungen den Beitragssatz erhöhen muss, wird sie "sparen bis es quietscht" in der Hoffnung, dass andere Kassen vorher erhöhen müssen.

Mal wieder steht der gesunde Versicherte im Mittelpunkt (für den nur der Preis ausschlaggebend ist) zu Lasten der ernsthaft kranken Patienten, aber auch zu Lasten derjenigen Leistungserbringer, bei denen die Kasse die Vergütungen reduzieren kann.

Da stellt sich doch die Frage, ob die von der Politik derzeit geführte Diskussion über Qualität wirklich ernst gemeint ist!

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