„Menschen müssen sich Sorgen machen“
Krankenhausgesellschaft warnt vor Insolvenzwelle unter Kliniken
Sinkende Patientenzahlen sorgen für Erlösausfälle in den Kliniken. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert schnelle Hilfen und will ihre Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe unterbreiten. Der AOK-Bundesverband warnt vor einer Scheindebatte über angebliches Kliniksterben.
Veröffentlicht:Berlin. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnt vor einer bevorstehenden Insolvenzwelle unter Krankenhäusern. 20 Prozent der Krankenhäuser müssten beim Jahresabschluss 2022 mit einer negativen Prognose für einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb rechnen, sagte der Vorstandsvorsitzende der Gesellschaft, Dr. Gerald Gaß, am Dienstag. Bereits im Jahr 2022 schrieben 60 Prozent der Häuser laut Krankenhaus Rating Report des RWI Leibniz-Instituts rote Zahlen. 20 Prozent galten als insolvenzgefährdet.
Die Kliniken litten unter einem verschärften strukturellen Defizit von insgesamt 15 Milliarden Euro und benötigten einen vollständigen Inflationsausgleich, sagte Gaß. Hintergrund sei, dass die Häuser in Kostenstrukturen arbeiteten wie noch 2019, wegen der coronabedingt niedrigeren Fallzahlen allerdings Erlösausfälle verzeichneten.
Landesbasisfallwerte an Preisentwicklung koppeln
Mittel zum Zweck könne sein, die Landesbasisfallwerte an die durchschnittliche Preisentwicklung anzupassen. Allein für 2023 seien fünf Milliarden Euro vonnöten. „Die Menschen müssen sich Sorgen machen um ihre Krankenhausversorgung“, warnte Gaß.
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Diese Situation treffe die Branche in einer Zeit, in der sie kurz- und mittelfristig investieren müsse. Seit Jahrzehnten aber kämen die Länder ihren Investitionsverpflichtungen nicht nach. Seit 2015 seien 22 Milliarden Euro an nicht gezahlten Investitionsmitteln zusammengekommen.
Handlungsbedarf bestehe vor allem bei der energetischen Sanierung der Häuser. „Ein Krankenhausbett benötigt so viel Wärme und Strom wie zwei Einfamilienhäuser rechnete Gaß vor. Noch sei kein Geld aus der „Energiepreisbremse“ an die Krankenhäuser geflossen. Die Bürokratie im Zusammenhang mit den Hilfen sei hoch.
Gaß: 657 Krankenhäuser fallen weg
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warf Gaß vor, die Menschen über die Konsequenzen der geplanten Krankenhausreform im Unklaren zu lassen. 657 der aktuell 1900 Krankenhäuser würden aus der stationären Versorgung herausfallen und als ambulant-stationäre Versorgungszentren auf dem Level 1i weitergeführt, wenn die Vorschläge der Regierungskommission eins zu eins umgesetzt würden. Damit wären 38 Prozent der heutigen Einheiten de facto keine Krankenhäuser mehr.
Eine umfassende Reform des Sektors sei gleichwohl „zwingend erforderlich“, sagte Gaß. Die DKG werde ihre Vorstellungen in die Bund-Länder-Arbeitsgruppe einbringen. Die ambulanten Fähigkeiten der Kliniken müssten genutzt werden, um den Patienten über die stationäre Versorgung hinaus auch klinisch-ambulante Versorgungsangebote unterbreiten zu können. Diese sollten über Hybrid-DRG bezahlt werden.
DKG plant Auswirkungsanalyse der Krankenhausreform
Anfang Februar wolle man der Bund-Länder-Arbeitsgruppe eine datengestützte „Auswirkungsanalyse“ des Forschungsinstituts für Health Care Business in Essen vorlegen. In einem weiteren Schritt werde die DKG bis Mitte Februar Vorschläge unterbreiten.
„Wir favorisieren ein bundesweites Stufenkonzept mit grundsätzlicher Zuordnung von Leistungsgruppen als sinnvollen Ansatz für eine Landeskrankenhausplanung nach gemeinsamen, bundesweiten Maßstäben. Um den wirtschaftlichen Druck von den Häusern zu nehmen, bedürfe es zudem einer differenzierten fallzahlunabhängigen Vorhaltefinanzierung.
Gaß räumte ein, dass nicht alle Krankenhäuser gerettet werden könnten. Eine Bestandsgarantie gebe es nicht.
Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands Dr. Carola Reimann hat davor gewarnt, die Reformvorschläge der Expertenkommission der Bundesregierung zu zerreden. Sie böten eine gute Basis, um die dringend notwendige Modernisierung der verkrusteten Krankennhausstrukturen endlich voranzubringen. Es helfe aktuell nicht weiter, Scheindebatten über ein angeblich drohendes Kliniksterben zu führen. (af)