Zweifel an Wirksamkeit

Krankenkassen wehren sich gegen Cannabis auf Rezept

Seit voriger Woche dürfen Ärzte schwerkranken Patienten Cannabis auf Rezept verschreiben. Den Krankenkassen fehlt der Nachweis der Wirksamkeit.

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Cannabis-Zuchtpflanzen: Die Bundesopiumstelle hat eine Studie in Auftrag gegeben, die die Wirkungen von Cannabis weiter erforschen soll.

Cannabis-Zuchtpflanzen: Die Bundesopiumstelle hat eine Studie in Auftrag gegeben, die die Wirkungen von Cannabis weiter erforschen soll.

© Rick_Thompson / Getty Images / iStock

FRANKFURT/MAIN. Die deutschen Krankenkassen bezweifeln, dass sie die Kosten von Cannabis-Therapien langfristig übernehmen. "Für den dauer- und regelhaften Leistungsanspruch in der gesetzlichen Krankenversicherung fehlt der Nachweis der Wirksamkeit", sagte ein Sprecher des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) der Deutschen Presse-Agentur.

Deshalb sei es richtig, dass die Bundesregierung bei der Bundesopiumstelle eine neue Studie in Auftrag gegeben habe, welche die Wirkungen von Cannabis weiter erforschen soll. Auf deren Basis werde sich in einigen Jahren zeigen, "ob die Cannabis-Therapie dauerhaft zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung gehört", erklärte der Verband.

Durch ein neues Gesetz, das am 10. März in Kraft trat, können Schwerkranke auf Rezept Cannabis in der Apotheke erhalten. Krankenkassen müssen die Therapie-Kosten übernehmen. Das Gesetz sieht monatliche Behandlungskosten von im Schnitt 540 Euro vor.

Der Wirkstoff von Cannabis kann etwa bei Multipler Sklerose und gegen die Folgen von Chemotherapien bei Krebspatienten helfen. Die Wirksamkeit ist aber noch nicht völlig erforscht. Die Bundesopiumstelle will daher begleitend zum neuen Cannabis-Gesetz Daten zu Therapien binnen fünf Jahren analysieren.

(dpa)

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Kommentare
Thomas Georg Schätzler 16.03.201712:26 Uhr

Pharmakologisch-pharmazeutisch-therapeutisch-evidenzieller Wissensstand defizitär!

Cannabis-Blüten Freigabe, Wunschdiagnosen und Zeitgeist?
Wenn dieser "Stoff" inhaliert (nein, keinesfalls geraucht!?) oder als Tee-Aufguss angeblich so positive Effekte bei kranken GKV-Versicherten haben soll, könnten das doch auch die gesunden Versicherten ohne Restriktionen sozusagen zur primär- und sekundärpräventiven Entspannung genießen!
Extrem Zeitgeist-verdächtig und medizinisch fragwürdig: Es gibt mittlerweile ein Füllhorn von Diagnosen, Krankheits- und Befindlichkeitsstörungen, bei denen u. a. Cannabis-Blüten geradezu inflationär als Allheilmittel angepriesen werden. Etablierte Indikationen für Cannabis-basierte Medikamente seien "chronische Schmer­zen, Spastik bei multipler Sklerose, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen".

Blühendes, breiteres thera­peutisches Spektrum?
"Darüber hinaus wird allgemein angenommen, dass Cannabis ein sehr breites thera­peutisches Spektrum hat, wie Kirsten Müller-Vahl und Franjo Grotenhermen im Deutschen Ärzteblatt Dtsch Arztebl 2017; 114(8): A-352 / B-306 / C-300 berichten". Ich zitiere die beiden genannten Autoren wie folgt: "Bereits aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, im Gesetz einzelne Indikationen aufzuführen, wird deutlich, dass bis heute unbekannt ist, bei welchen Erkrankungen oder Symptomen Cannabis indiziert ist. Aktuell besteht für Cannabis für keine einzige Indikation eine Zulassung. In den Jahren 2007 bis 2016 erhielten allerdings Patienten mit mehr als 50 verschiedenen Erkrankungen/Symptomen eine Ausnahmeerlaubnis vom BfArM für eine ärztlich begleitete Selbsttherapie mit Medizinal-Cannabis. Es wird daher allgemein angenommen, dass Cannabis ein sehr breites therapeutisches Spektrum hat."

Weitere positive Wirkungen?
"Als etablierte Indikationen für Cannabis-basierte Medikamente gelten chronische – insbesondere neuropathische – Schmerzen, Spastik bei MS, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen. Hinweise für positive Wirkungen reichen von neurologischen (Spastik und Schmerzen unterschiedlicher Ursachen, hyperkinetische Bewegungsstörungen), über dermatologische (Neurodermitis, Psoriasis, Akne inversa, Hyperhidrosis), ophthalmologische (Glaukom) und internistische (Arthritis, Colitis ulzerosa, Morbus Crohn) bis hin zu psychiatrischen Erkrankungen/Symptomen (Depressionen, Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörung, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung [ADHS], Schlafstörungen)." http://m.aerzteblatt.de/print/186476.htm

Extreme Wirkstoff-Schwankungen
Wenn dann auch noch zugegeben werden muss: "Die Verschreibungshöchstmenge für Cannabis beträgt 100 000 mg (100 g) in 30 Tagen. Zwecks einfacherer Handhabbarkeit wurde die Höchstmenge unabhängig vom Gehalt einzelner Cannabinoide in der jeweiligen Cannabissorte festgelegt. Derzeit können Cannabisblüten mit einem Gehalt an THC – dem am stärksten psychotrop wirksamen – Cannabinoid von circa ein bis circa 22 % verordnet werden. Bei einer Verschreibung von 100 g Cannabis kann die verordnete Menge an THC daher zwischen 100 und 22 000 mg schwanken" (Zitat Ende), fragt man sich unwillkürlich, wer soll eigentlich hier wen, was und warum bzw. auf welche Weise therapieren?

Bei der derzeitigen Rechts- und Verordnungslage haben doch mal wieder verschreibende Vertrags-Ärztinnen und Ärzte allein den "Schwarzen Peter"!

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund (z.Zt. Mauterndorf/A)

Rudolf Hege 16.03.201709:08 Uhr

Homöopathika?

Homöopathika kosten aber auch keine 540 EUR pro Monat und auf Dauer. Auch eine "Placebo-Wirkung" ist eine Wirkung. Ist einfach eine Frage von Kosten/Nutzen-Relationen. Abgesehen davon besteht bei Cannabis natürlich die generelle Problematik, dass es eine Droge ist - und Missbrauch kaum ausgeschlossen werden kann.

Rene Gottschalk 15.03.201713:26 Uhr

Cannabis auf Rezept

Mit Interesse habe ich gelesen, dass die deutschen Krankenkassen bezweifeln, dass sie die Kosten von Cannabis-Therapien langfristig übernehmen. Der Grund hierfür sei der bislang fehlende Nachweis der Wirksamkeit. Ohne auf eine Wirksamkeit bzw. Nichtwirksamkeit von Cannabis eingehen zu wollen, finde ich diese Verlautbarung des Verbandes der deutschen Krankenkassen bemerkenswert, da sie so genannte „Homöopathika“ durchaus finanzieren – und diese Medikamente haben nun wirklich keine Wirksamkeit.
Professor Dr. Dr. René Gottschalk

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