GKV
Krankenkassen zehren 2021 von Rücklagen aus guten Tagen
Noch immer ist das Vermögenspolster der Kassenarten unterschiedlich. Doch mit dem zwangsweisen Abschmelzen dieser Rücklagen fehlt der GKV für 2022 der Puffer. Wie es um die einzelnen Kassenarten steht.
Veröffentlicht:Berlin. Im laufenden Jahr kumulieren sich für die gesetzlichen Krankenkassen die Unsicherheiten: Zu den schwer kalkulierbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie kommt der von der Koalition erzwungene Abbau von Vermögen bei den Kassen hinzu.
Obwohl das AOK-System schon im ersten Quartal hohe Summen aus den Rücklagen an den Gesundheitsfonds abführen musste, addiert sich das Vermögen der AOKen noch auf 7,67 Milliarden Euro (4. Quartal 2020: 8,31 Milliarden Euro). Das geht aus Aufstellungen des BKK-Dachverbands hervor. Die gesetzlich vorgeschriebene Mindestrücklage beträgt für die AOKen lediglich 1,68 Milliarden Euro.
Zum Vergleich: Die Ersatzkassen müssen knapp 1,7 Milliarden Euro an Rücklagen vorhalten, tatsächlich haben sie 5,16 Milliarden Euro in Form von Betriebsmitteln, Rücklagen oder Geldmitteln vorliegen (4. Quartal 2020: 4,68 Milliarden Euro). Betriebskassen weisen im ersten Quartal ein Vermögen von 2,1 Milliarden Euro aus (Mindestrücklage: 614 Millionen Euro), bei den Innungskassen sind es 1,03 Milliarden (Mindestrücklage: 300 Millionen Euro).
AOK bei Rücklagen je Versicherten immer noch in Vorhand
Setzt man Vermögen und Zahl der Versicherten ins Verhältnis, dann spielen AOK-System (284 Euro je Versicherten) und Knappschaft (287 Euro) in einer Liga. Mit Abstand folgen dann Innungskassen (200 Euro je Versicherten), Betriebskassen (194 Euro) und Ersatzkassen (184 Euro).
Deutlich anders sieht die Rangfolge aus, wenn man den durchschnittlich je Kassenart erhobenen Zusatzbeitragssatz im ersten Quartal vergleicht: Hier liegt der Wert im AOK-System mit 1,17 Prozent deutlich unter dem Zusatzbeitragssatz bei den Betriebs- (1,27 Prozent) und Innungskassen (1,31 Prozent). Die Ersatzkassen erheben im Schnitt 1,36 Prozent Zusatzbeitrag, bei der Knappschaft sind es 1,6 Prozent.
Allerdings weichen das amtliche Finanzergebnis für das erste Quartal 2021 und das tatsächliche Ergebnis je Kassenart deutlich voneinander ab, berichtet der BKK-Dachverband. Grund dafür sind sogenannte Korrekturbuchungen – die Kassen können Rückstellungen für unvorhergesehene Risiken in ihre Bilanzen einbuchen, die dann im Jahr darauf wieder aufgelöst werden müssen.
Defizit deutlich geringer als in der amtlichen Statistik
Werden diese Extra-Buchungen berücksichtigt, dann weist das AOK-System nicht mehr ein Defizit von 563 Millionen Euro im ersten Quartal auf, sondern „nur“ noch 375 Millionen Euro: Umgekehrt verhält es sich bei den Ersatzkassen: Das amtliche Ergebnis weist einen Überschuss von 435 Millionen Euro aus, tatsächlich sind es aber 527 Millionen Euro.
Jenseits dieser kassenartenbezogenen Unterschiede steht die GKV als Ganzes unter erheblichem Druck. Die Pandemie hat zwar bedingt durch den Lockdown im ersten Quartal – etwa wegen verschobener Behandlungen – einen entlastenden Effekt gehabt. Neben den zu erwartenden Nachholeffekten sorgen die Kassen sich auch über die Folgen der ausgabenträchtigen Gesetzgebung. Denn bereits seit 2017 sind die Leistungsausgaben in der GKV stärker gestiegen als die Einnahmen.
Doch im kommenden Jahr kann der Gesetzgeber nicht mehr die Ausgabenwelle durch das zwangsweise Abführen von Rücklagen an den Gesundheitsfonds abfedern – dieses Geld kann nur einmal ausgegeben werden.