„Nicht in Panik geraten"
Lauterbach stellt 7-Punkte-Plan für Corona-Herbst vor
Der Sommerwelle dürfe nicht sorglos begegnet werden, sagt Gesundheitsminister Lauterbach und appelliert an die Bevölkerung, freiwillige Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Für den Herbst will er Deutschland mit einem 7-Punkte-Plan wappnen.
Veröffentlicht:Berlin. Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet an einem 7-Punkte-Plan für den kommenden Corona-Herbst. Das kündigte Gesundheitsminister Professor Karl Lauterbach am Freitag bei der Bundespressekonferenz an. Angesichts steigender Infektionszahlen sprach sich der SPD-Politiker außerdem dafür aus, der „Sommerwelle nicht ohne Gegenmaßnahmen zu begegnen".
Lauterbach appellierte an die Bevölkerung, in Innenräumen freiwillig Maske zu tragen. Auch wies er darauf hin, dass viele Personen noch nicht zum vierten Mal gegen das Coronavirus geimpft seien, obwohl sie in die Empfehlung der STIKO fielen. Zudem sollten auch Personen unter 70 einen zweiten Booster in Erwägung ziehen, so Lauterbach. Die vierte Impfung solle „großzügiger" gehandhabt werden. Trotz steigender Infektionszahlen dürfe man jedoch „nicht in Panik geraten".
Mit „Winterreifen" für den Herbst wappnen
Für den Herbst will der Minister von den „Sommerreifen auf die Winterreifen“ wechseln. Gerade mit Blick auf den Schutz vulnerabler Gruppen und der Gefahr von Long-COVID müssten wirksame Maßnahmen für den Herbst getroffen werden. Zwar sei das Risiko für Long-COVID nach einer Infektion mit Omikron 25 bis 50 Prozent geringer als nach einer Ansteckung mit der Delta-Variante. Bei deutlich mehr Infektionen sei das absolute Risiko, Long-COVID zu bekommen, jedoch schon heute „relativ hoch", warnte Lauterbach.
Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft
Lauterbach erwartet heißen Corona-Herbst
Der 7-Punkte-Plan für den Herbst soll folgende Punkte enthalten:
- Impfkampagne vorbereiten: Lauterbach erwartet, dass ab September drei verschiedene Corona-Impfstoffe verfügbar sind: eine an Omikron angepasste Vakzine von BioNTech/Pfizer, ein bivalenter Impfstoff von Moderna und ein klassischer Wuhan-Impfstoff, der als Schutz gegen die Ursprungsvariante entwickelt wurde. Jeder solle sich mit jedem Impfstoff impfen lassen können, dies bedeute auch, dass erneut ungenutzter Wirkstoff verworfen werden müsse. Von dem erneuten Versuch, eine allgemeine Impfpflicht einzuführen, sieht Lauterbach ab.
- Testkonzept überarbeiten: Die Empfehlungen zu Bürgertests und Maßnahmen der Qualitätssicherung würden derzeit überarbeitet, so der Minister. Das Konzept werde „in den nächsten Tagen" vorgestellt.
- Arzneimittel nutzen: Arzneimittel gegen COVID-19 „werden bei geeigneten Patienten derzeit nicht genutzt", kritisierte Lauterbach. Dies liege einerseits daran, dass viele Personen eine Omikron-Infektion unterschätzten. Andererseits herrsche Unwissenheit, wo Patienten die Medikamente bekämen und wie sie eingesetzt würden. Er habe den Expertenrat gebeten, ein Konzept zum Einsatz von Arzneimitteln, wie Paxlovid, zu erarbeiten.
- Vulnerable Gruppen schützen: In Einrichtungen mit vulnerablen Gruppen, zum Beispiel Pflegeheimen, sollen spezifische Personen für die Einhaltung der Schutzmaßnahmen verantwortlich gemacht werden. Diese Personen sollen kontrollieren, dass Hygienekonzepte umgesetzt werden, monitoren, dass die Bewohner geimpft sind und den Einsatz von COVID-Arzneimitteln betreuen. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf wird es nach Aussage Lauterbachs in Kürze geben.
- Betten-Belegung monitoren: Bis September solle die Zahl der freien und belegten Krankenhausbetten tagesaktuell und elektronisch an das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelt werden können. Hier hat Lauterbach insbesondere die schnellere Meldung von Daten über das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) im Blick.
- Schulen und Kitas offen halten: Die Schließung von Schulen und Kitas „soll mit allen Mitteln verhindert werden". Dazu wollen die Länder selbst Verantwortung übernehmen, schilderte der Minister.
- Infektionsschutzgesetz reformieren: Bis 30. Juni will der Sachverständigenausschuss Lauterbach eine Ausarbeitung des neuen Infektionsschutzgesetzes vorlegen. Noch vor der Sommerpause wolle er sich mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) über die Inhalte einigen, kündigte Lauterbach an.
Lauterbach, der Corona-Minister?
Die Sommerwelle und die Vorbereitung auf den kommenden Herbst führen nach Angaben Lauterbachs nicht dazu, dass andere Baustellen im Gesundheitssystem in den Hintergrund rückten. Er bekräftigte, aktuell an Gesetzesentwürfen unter anderem zur Pflegeentlastung, zu GKV-Finanzstabilisierung und zur Notfallversorgung zu arbeiten.
Den seit Wochen mit Spannung erwarteten Entwurf des Ministeriums zum GKV-Finanzierungsgesetz will Lauterbach dem Kabinett noch vor der Sommerpause vorlegen. Die Kassen rechnen für das kommende Jahr mit einem Finanzloch von mindestens 17 Milliarden Euro – einige Wirtschaftsinstitute gehen gar mit deutlich über 20 Milliarden Euro aus. Auch bei der Pflegeversicherung sieht die Finanzlage mau aus.