Zwei Gesetze angekündigt
So will Lauterbach der Digitalisierung in Praxen einen kräftigen Schub geben
Mit zwei Gesetzen will Bundesgesundheitsminister Lauterbach bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen durchstarten. Neben elektronischer Patientenakte und E-Rezept werden eine „assistierte Telemedizin“ und Videosprechstunden ohne Limit eine Rolle spielen.
Veröffentlicht:Berlin. Eine aktualisierte „Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege“ hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Donnerstag vorgestellt. Sie soll in den nächsten Wochen in zwei Gesetzentwürfe einfließen.
Er plant einen Entwurf für ein Digitalgesetz, in dem unter anderem verbindliche Startzeitpunkte für das E-Rezept und die elektronische Patientenakte (ePA) festgelegt werden. Ein anderer Entwurf wird das angekündigte Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) betreffen, das vor allem die Verwendung sowie Verknüpfung von Versorgungs- und Forschungsdaten erleichtern soll.
Die Gesetzentwürfe seien schon weitestgehend fertig, sagte Lauterbach in der Bundespressekonferenz. Einzelheiten befänden sich aber noch in der Abstimmung.
Kernpunkte des Digitalisierungsgesetzes sollen sein:
- Die automatische Einrichtung der elektronischen Patientenakte für alle gesetzlich Versicherte bis Ende 2024 über die Opt-out-Funktion. Die Befüllung soll nach den Worten des Ministers „so simpel wie möglich“ sein. Vieles sei aber noch nicht komplett durchdacht, etwa die Frage, wer beim Eintragen der Patientendaten und Übertragen der Befunde in die Akte „helfen“ könne außer den Hausärzten. Diese sollten mit der Befüllung der ePA nicht überlastet werden, so Lauterbach.
- Automatisiert soll die elektronische Patientenakte auch mit einer digitalen Medikationsübersicht befüllt werden.
- Der verbindliche Start des E-Rezeptes zum 1. Januar 2024. Dieses soll dann sowohl mit der Gesundheitskarte als auch mit einer App eingelöst werden können.
- Die gematik wird zur Digitalagentur in 100-prozentiger Trägerschaft des Bundes umgebaut. Bislang hält der Staat lediglich 51 Prozent. „Wir wollen Tempo gewinnen. Es soll schneller gehen“, sagte Lauterbach auf Nachfrage. Da der Bund bei der Digitalisierung in der Verantwortung sei, brauche er auch eine entsprechende Mehrheit. Die gematik wurde 2005 von den Spitzenorganisationen der Selbstverwaltung mit dem Ziel gegründet, eine sichere Telematikinfrastruktur für den sicheren Austausch medizinischer Daten aufzubauen. 2019 übernahm der Bund auf Betreiben des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) 51 Prozent der Gesellschaft.
- Das 30-Prozent-Limit für telemedizinische Leistungen, also für die Videosprechstunde, soll fallen - und zwar „kurzfristig“, heißt es in der Digitalstrategie. Wann das konkret sein soll, konnte Minister Lauterbach auf der Pressekonferenz nicht sagen.
- Gesundheitskioske und Apotheken sollen künftig auch „assistierte Telemedizin“ anbieten können, „insbesondere in unterversorgten Regionen“. Für Disease-Management-Programme ist vorgesehen, sie stärker um digitalisierte Programme zu ergänzen.
- Beschleunigen will der Bund auch die Abstimmung mit dem Bundesdatenschützer (BfDI) und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Der bisherige Prozess der Einvernehmensherstellung mit beiden wird abgeschafft und stattdessen ein interdisziplinärer Ausschuss eingerichtet, der unter anderem mit Vertretern des BfDI, BSI, sowie aus Medizin und Ethik besetzt wird. Aufgabe des Ausschusses wird es sein, die Digitalagentur künftig bei allen Entscheidungen zu beraten.
- Nicht auf der Pressekonferenz angesprochen, aber nach Informationen aus dem BMG vorgesehen ist die Einführung eines „Medical Messengers“ zwecks Datenaustausch zwischen Patient und Arzt. Der Dienst soll mittels einer „Medical-ID“ vom Versicherten genutzt werden.
Neuer Turbo für die Forschung
Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) will das Gesundheitsministerium der Forschung einen „Turboschub“ verpassen und verhindern, dass Unternehmen wie BioNTech ins Ausland abwandern, um dort klinische Studien durchzuführen.
Die Coronavirus-Pandemie habe gezeigt, dass Deutschland über „null“ Versorgungsdaten verfüge, und daran habe sich bis heute nichts geändert, so Lauterbach. Kernpunkte des GDNG sind laut Strategiepapier:
- Der Aufbau einer zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle, die den Zugang zu Forschungsdaten ermöglicht. Eine Pseudonymisierung soll die Verknüpfung der unterschiedlichen Datenquellen ermöglichen, die Daten bleiben dezentral gespeichert.
- Die Datenschutzaufsicht wird gestrafft: Künftig soll nur noch ein Landesdatenschutzbeauftragter für ein länderübergreifendes Forschungsvorhaben zuständig sein.
- Die Freigabe von ePA-Daten für die Forschung sollen Patienten „nutzerfreundlich“ in einer ePA-App steuern können. Pseudonymisierte ePA-Daten sind automatisch über das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) abrufbar.
- Auch die forschende Industrie darf Anträge auf Datenzugang beim FDZ stellen. Entscheidend soll nicht der Absender, sondern der Nutzungszweck sein. Kriterien dafür müssen noch entwickelt werden.
Unterschiedliche Reaktionen
Die Reaktionen auf die Digitalstrategie der Ampel-Koalition im Gesundheitswesen fallen gemischt aus. Die Ärzte warnen vor gefährlicher Eile, die Kassenseite fordert die Verpflichtung der Ärzteschaft zur Mitarbeit. (juk/af/hom)