„Optisch unversehrt und dennoch nicht arbeitsfähig“
Long-COVID: Ärztin warnt vor mehr Erwerbsunfähigkeit
Long-COVID wird die Sozialversicherungssysteme als Corona-Folge erheblich belasten. Betroffen seien bis zu einer Million – oft junge – Menschen in Deutschland, warnt die Chefärztin einer Long-COVID-Klinik, Dr. Jördis Frommhold.
Veröffentlicht:Berlin. Long-COVID sei kein Einzelfall mehr, mehrere 100.000 bis zu einer Million Menschen seien in Deutschland betroffen, sagte Dr. Jördis Frommhold, Chefärztin der inzwischen auf Long-COVID spezialisierten Median-Klinik in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern), am Freitag auf einer Pressekonferenz. Darunter seien nicht nur ältere, sondern auch viele „junge dynamische Menschen zwischen 20 und 50 Jahren“, die Long-COVID-Symptome häufig nach einem milden Infektionsverlauf entwickeln.
An Beispielen erzählte Frommhold, mit welchen Folgen Patienten in der Rehaklinik im traditionsreichen Ostseebad Heiligendamm in Mecklenburg-Vorpommern zu kämpfen haben. Ein 40-jähriger Triathlet sei fast nicht mehr in der Lage, einen 20-minütigen Spaziergang zu bewältigen. Eine Mutter könne ihren Kindern bei den Hausaufgaben nicht mehr helfen, weil sie Texte zwar lesen könne, sie aber nicht mehr verstehe. Eine 42-jährige Krankenschwester überflutet ihre Küche, weil sie vergessen hat, den Wasserhahn abzustellen.
Vielfältige Symptome, zeitintensive Versorgung
Kognitive Defizite, die teilweise schon demenzähnlich seien, massive Erschöpfung oder Beeinträchtigung der Atemmechanik: Die Symptome von Long-COVID seien vielfältig, die Diagnostik aufwendig und die Versorgung er Patienten aufwendig und zeitintensiv. „Die Menschen sehen optisch unversehrt aus und sind dennoch krank und nicht arbeitsfähig. Dadurch kommen noch Ängste und Depressionen dazu“, sagte Frommhold. In Zukunft würden die „Erwerbsunfähigkeitsstatistiken gefüllt. Wir müssen uns über diese Folgen Gedanken machen“.
Wie lange Long-COVID die Patienten belaste, sei noch nicht klar. „Zwölf Monate sind keine Seltenheit“, so die Ärztin. Bislang könne noch nicht gesagt werden, wann die Krankheit genau beendet sei. Die Ursachen seien noch nicht geklärt, Long-COVID sei auch noch nicht heilbar und es gebe keine medikamentöse Therapie.
Möglich sei nur, die Symptome zu lindern. Die müssten deshalb früh bei den Patienten erkannt werden. Nötig sei zudem, die Menschen über Long-COVID aufzuklären. Das Risiko, an diesen Spätfolgen einer COVID-Infektion zu leiden, reduziere sich nach israelischen Studien nach einer Impfung um 68 Prozent, warb Frommhold für die Immunisierung. (juk)