Krankschreibung
Massiver Protest gegen GBA-Beschluss zu Tele-AU
Keine Verlängerung der Telefon-AU: Der GBA-Beschluss von Freitag stößt bei den Wenigsten auf Gegenliebe. Im Gegenteil: Die Kritik an dem Gremium ist massiv.
Veröffentlicht:Berlin. Ärztevertreter, Gesundheitspolitiker und Verbraucherschützer üben massive Kritik an der Entscheidung, die Möglichkeit für telefonische AU-Bescheinigungen nicht zu verlängern.
Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) nannte den Schritt am Samstag „verfrüht“. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es wichtig, Infektionsrisiken konsequent zu vermeiden. Auch Ärztevertreter und Vertreter anderer Parteien und Verbraucherschützer sprachen von einem Fehler und forderten, dass die Entscheidung zurückgenommen wird.
„Es ist zu befürchten, dass nun auch COVID-19-Patienten wieder in den Arztpraxen erscheinen und dadurch andere Menschen anstecken. Das muss verhindert werden“, sagte Huml. Sie forderte eine Verlängerung der Ausnahmeregelung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hatte am Freitag beschlossen, die Sonderregelung zum 20. April auslaufen zu lassen. Ärzte dürfen Erkrankte ab dann nur mehr nach persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt krankschreiben. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hatte das begrüßt. Die Möglichkeit zur Telefon-AU hatte die Selbstverwaltung Anfang März beschlossen.
BHÄV: „GBA ist größte Gefahr der Pandemiebekämpfung“
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schrieb am Samstag bei Twitter: „Jetzt die telefonische Krankschreibung auslaufen zu lassen ist klar falsch. Es hat sehr geholfen, dass Kranke nicht in den Wartezimmern gesessen haben.“ KBV-Chef Dr. Andreas Gassen hatte den „abrupten Stopp“ bereits am Freitag als „höchst problematisch“ kritisiert.
Der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbands (BHÄV), Dr. Markus Beier, sagte am Sonntag in München, der GBA werde „zur derzeit größten Gefahr in der Pandemiebekämpfung gegen COVID-19“. Die Nichtverlängerung gefährde „die bereits erzielte Erfolge gegen Corona“. Die Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) sprach von einem „verheerenden Signal“.
Der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, nannte den Beschluss des Bundesausschusses einen Fehler und „unverantwortlich“. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Maria Klein-Schmeink, forderte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf, diesen kurzfristig außer Kraft zu setzen.
BMG: „Entscheidung der Selbstverwaltung“
Hessens Sozialminister Kai Klose (Grüne) schrieb in einem am Samstag veröffentlichten Brief an Spahn: „Die Entscheidung geht in eine falsche Richtung und gefährdet die positive Entwicklung, die in der laufenden SARS-CoV-2-Pandemie erreicht werden konnte.“ Bürger, andere Patienten und das in der Praxis tätige Personal würden damit einem vermeidbaren Risiko ausgesetzt.
Das Bundesgesundheitsministerium wollte sich nicht näher äußern, ein Sprecher sagte: „Das ist eine Entscheidung der Selbstverwaltung“. Der GBA-Beschluss war nach Informationen von Ärzteseite nur mit den Stimmen des GKV-Spitzenverbands und des unparteiischen GBA-Vorsitzenden Josef Hecken gefallen. Kliniken, Ärzte und Zahnärzte hätten geschlossen dagegen gestimmt.
Dem Vernehmen nach soll im GBA davon ausgegangen worden sein, dass eine Verlängerung der Ausnahmeregelung zu einer Beanstandung durch das Bundesgesundheitsministerium hätte führen können. (dpa/nös)