Anschubfinanzierung oder Bonifizierung

Medi wirbt für mehr Facharztverträge

Der Mediverbund wünscht sich finanzielle Anreize für Kassen, neue Selektivverträge aufzulegen. Digitalisierung und Vernetzung stehen bei Medi-Projekten oben auf der Agenda.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
So könnten Haus- und Fachärzte eines Tages arbeiten: Vernetzt – und nicht mehr per Fax-Austausch.

So könnten Haus- und Fachärzte eines Tages arbeiten: Vernetzt – und nicht mehr per Fax-Austausch.

© vege / stock.adobe.de

STUTTGART. Medi-Chef Dr. Werner Baumgärtner hält an seiner Forderung fest, dass der Gesetzgeber Krankenkassen verpflichten sollte, Facharztverträge aufzulegen. "Allerdings bin ich kein politischer Traumtänzer", sagte Baumgärtner der "Ärzte Zeitung" – wissend, dass dafür gegenwärtig keine politische Mehrheit absehbar ist. "Eine Anschubfinanzierung oder eine Bonifizierung der Kassen, die solche Verträge schließen, würde mir schon reichen."

Der Medi-Verbund arbeitet unterdessen daran, mit Vertragspartnern das Netz an Facharztverträgen in Baden-Württemberg weiter auszubauen. Zuletzt ist der Vertrag mit der AOK zur Versorgung insulinpflichtiger Diabetiker aufgelegt worden. Dort werden, erinnert Frank Hofmann, Vorstand der Mediverbund AG, "anders als in der Regelversorgung auch die Beratungsleistungen der Ärzte und Diabetesberaterinnen bezahlt".

Welche Facharztgruppe ist am Zug?

Hofmann nennt die Vereinbarung "bundesweit einzigartig", die in der Szene "hochgelobt worden" sei. Wichtig sei es Medi gewesen, dass auch die hausärztlichen Diabetologen mitmachen können, berichtet Hofmann. Dies seien aktuell rund 60 der insgesamt 140 teilnehmenden Ärzte.

Welche Fachgruppen Gegenstand eines weiteren Facharztvertrags sein werden, ist noch nicht entschieden, sagt Hofmann. "Infrage kommen HNO-Ärzte, Augenärzte oder Gynäkologen. Die Mandatierungen dazu laufen gerade." Wichtig ist aus der Sicht von Medi-Chef Baumgärtner, dass der 2016 gestartete Urologievertrag mehr Rückenwind erhält. "Ich habe die Hoffnung, dass auch im Raum Stuttgart die Zahl der teilnehmenden Praxen wächst", sagt Baumgärtner. Das sei nicht zuletzt wichtig, um den nächsten geplanten Vertrag ans Laufen zu bringen. Im zweiten Quartal dieses Jahres waren landesweit 118 Urologen eingeschrieben.

Insgesamt haben sich zur Jahresmitte insgesamt 1749 Fachärzte in die Verträge nach Paragraf 73c oder 140a SGB V zwischen Medi und der AOK sowie der Bosch BKK eingeschrieben. Die Vergütungssumme belief sich im zweiten Quartal dieses Jahres auf 26,1 Millionen Euro, rund eine Million Euro mehr als im gleichen Quartal 2016. Sehr stark eingeschlagen ist der Orthopädie-Vertrag, an dem landesweit 573 Fachärzte teilnehmen.

Digitalisierung und Vernetzung sind bei Medi seit Jahren auf der Agenda. Das gilt auch für das Vernetzungsprojekt in Heilbronn. Dort sind zur Zeit 80 Ärzte aktiv, deren Zahl auf 125 erhöht werden soll, berichtet Werner Conrad, Vorstand der Medi AG. AOK, Audi BKK und Medi erproben dort mit Haus- und Fachärzten sowie rund 10.000 Versicherten digitale Alternativen zum Fax-Standard in Arztpraxen. Man habe bei dem Projekt viel gelernt, bekennt Baumgärtner. "Auch, dass ein solches Vorhaben kein Selbstläufer ist."

Unbezahlte Mehrarbeit für Ärzte

Mediverbund-Vorstand Conrad kündigt an, man wolle neue Module in die Software der Praxen integrieren, nämlich für Arbeitsunfähigkeit (AU) und für die Terminvergabe. Gerade bei der AU-Bescheinigung führe die Digitalisierung bei den Kassen zu erheblichen Einsparungen, weil sie bisher sämtliche Belege zur Weiterverarbeitung einscannen müssen, erläutert Conrad.

De facto bedeute das Projekt Mehrarbeit, die den teilnehmenden Praxen auch bezahlt werden sollte, fordert Baumgärtner. Denn ein Teil der Prozesse sei weiterhin fax-basiert, ein anderer Teil werde digitalisiert.

Beim Projekt "Arztpraxen 2020" meldet Medi die Etablierung eines zweiten MVZ, dessen Gründung von Medi begleitet wurde. Bei dem Vorhaben ermuntert der Verband Vertragsärzte, bei der Praxisübergabe neue Wege zu gehen und Freiberufler-MVZ zu gründen.

Wichtig ist für Baumgärtner, dass Medi niedergelassenen Kollegen vor Ort keine Konkurrenz macht. "Wir bieten Planungen für ein MVZ nur dort an, wo wir gerufen werden", erläutert er. Anfang des Jahres war das erste Medi-MVZ mit fünf Ärzten in Aalen an den Start gegangen. "Unser Ziel ist es, in jeder Region mit einer Medi-GbR ein MVZ als Kristallisationspunkt zu etablieren", sagt Mediverbund AG-Vorstand Conrad. Nun wurde im August in Baiersbronn (Landkreis Freudenstadt) von fünf Hausärzten die "Ärzte am Reichenbach – MEDI-MVZ GmbH" gegründet. Der Start ist für April 2018 anvisiert. Die Mediverbund AG hat den Aufbau der Organisation übernommen. Der Bürgermeister der Gemeinde hatte den Prozess aktiv unterstützt. Denn in Baiersbronn ist die Situation ähnlich wie in vielen anderen Gemeinden: Zwei der praktizierenden Hausärzte sind über 70 Jahre alt, zwei über 60.

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