Öffentlicher Appell

Mediziner und Wissenschaftler fordern Umsteuern in Corona-Politik

Schluss mit dem „passiven Abwarten“: 35 Mediziner und Wissenschaftler rufen Bund und Länder auf, endlich Maßnahmen zu ergreifen, um die vierte Corona-Welle zu brechen. Dazu gehöre ein Krisenstab, in dem Praktiker aus Kliniken mit dabei säßen.

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Die Zahl der Corona-Infizierten und damit der COVID-Patienten in den Kliniken steigt.

Die Zahl der Corona-Infizierten und damit der COVID-Patienten in den Kliniken steigt.

© Weber/ Eibner-Pressefoto / picture alliance

Köln/Berlin. 35 führende Mediziner und andere Fachleute aus ganz Deutschland haben die Regierungen von Bund und Ländern zu einem Umsteuern in der Corona-Politik aufgefordert. Statt mit „passivem Abwarten“ die Verantwortung für ein Brechen der vierten Welle zunehmend „in den Ermessensspielraum jedes einzelnen Menschen zu verlagern“, müsse die Politik endlich „ihrer Verantwortung umfassend gerecht werden“, schreiben die Forscher und Forscherinnen in einem dreiseitigen Aufruf, den der „Kölner Stadt-Anzeiger“ und das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Samstagausgaben) veröffentlichten.

„Jeder Tag des Abwartens kostet Menschenleben“, heißt es in dem Text unter Federführung des Kölner Internisten Michael Hallek und der Braunschweiger Virologin Melanie Brinkmann. „Wir empfinden eine tiefe Enttäuschung über die Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und über den wiederholt nachlässigen Umgang mit dem Wohlergehen der Menschen, die auf den Schutz des Staates angewiesen sind.“ Die Forscher fordern die Einrichtung eines nationalen Krisenstabs mit Fachleuten aus Virologie, Medizin und Öffentlicher Gesundheit, aber auch Praktikern mit Leitungserfahrung, etwa aus Kliniken oder Unternehmen.

Merkel ruft zu Impfungen auf

Einen eindringlichen Appell – allerdings an die Bevölkerung – gab es auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie rief in ihrem aktuellen Podcast am Samstag zum Impfen und zum Gemeinsinn auf. „Wenn wir zusammenstehen, wenn wir an unseren eigenen Schutz und fürsorglich an andere denken, dann können wir unserem Land in diesem Winter viel ersparen“, sagte Merkel.

Sie sei in großer Sorge wegen des Anstiegs der Corona-Neuinfektionen, der hohen Zahl an Intensivpatienten und der hohen Zahl an Todesfällen besonders in Regionen mit relativ niedriger Impfquote. Ärzte, Pflegekräfte und Intensivstationen stünden hier erneut am Rand der Überforderung. Wichtig seien nun geschlossenes Handeln von Bund und Ländern, Fortschritte bei den Impfungen und eine „nationale Kraftanstrengung“ bei den Auffrischungsimpfungen, betonte Merkel.

Bund und Länder sollen neuen Schwellenwert erarbeiten

Ein einheitliches Vorgehen von Bund und Ländern sei insbesondere bei der Anwendung des Hospitalisierungsindex notwendig. Bund und Länder müssten hier „sehr schnell“ einen Schwellenwert festlegen, ab dem zusätzliche Schritte eingeleitet werden müssten, erklärte die Kanzlerin. Dieser Schwellenwert müsse „klug gewählt werden, damit die notwendigen Maßnahmen nicht zu spät ergriffen werden“. Auch darüber würden Bund und Länder in der nächsten Woche beraten.

Die Pandemie sei nur durch eine höhere Impfquote in den Griff zu bekommen, das zeigten Länder wie Portugal und Spanien. Anders als in der ähnlich ernsten Lage vor einem Jahr habe man nun mit dem Impfstoff das wirksamste Mittel gegen die Pandemie in der Hand: „Wir müssen nur zugreifen, schnell zugreifen“, mahnte Merkel.

In einer „nationalen Kraftanstrengung unter großem Zeitdruck“ bei den Auffrischungsimpfungen müsse man schnell vorangehen. Hier sei in den letzten Monaten „zu wenig, enttäuschend wenig geschehen“. Die sogenannten Booster-Impfungen seien aber eine „reale Chance, die schwere Herbst- und Winterwelle der Pandemie zu brechen“, so Merkel. (dpa/KNA)

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