Risiko Operation

Medizinischer Dienst beklagt: Es fehlt ein System, um Arztfehler zu vermeiden

Der Medizinische Dienst hat eine neue Behandlungsfehler-Statistik vorgelegt – und an die Politik appelliert: Es müsse viel mehr getan werden, um ärztliche Fehler im Krankenhaus und in der Praxis zu verhindern.

Von Anno Fricke Veröffentlicht:
14.042 Fehler haben Patienten ausweislich der MD-Untersuchungen für das Jahr 2020 behandelnden Ärzten in Krankenhäusern und Praxis vorgeworfen.

14.042 Fehler haben Patienten ausweislich der MD-Untersuchungen für das Jahr 2020 behandelnden Ärzten in Krankenhäusern und Praxis vorgeworfen.

© Sven Hoppe/dpa

Berlin. Nach einer Biopsie wird die Gewebeprobe vertauscht. Die Patientin erhält eine Chemotherapie, obwohl sie keinen Befund hat. Ein Patient mit Cochlea-Implantat wird in den MRT geschoben. Die Magneten verschieben das Implantat im Kopf. Ein anderer Patient benötigt eine Magensonde. Statt in den Magen wird die Sonde in die Lunge gesetzt. Es kommt zu einer Lungenentzündung.

Drei Beispiele von Behandlungsfehlern in Krankenhäusern, die der Medizinische Dienst in seine Fehlerstatistik des Jahres 2020 aufgenommen hat. Insgesamt 14.042 Fehler haben Patienten ausweislich der MD-Untersuchungen behandelnden Ärzten in Klinik und Praxis vorgeworfen.

Mit Faktor 30 zur Dunkelziffer

4099 Fehler haben sich bei der Nachverfolgung durch fachärztliche Gutachter bestätigt, in 3550 Fällen kamen die Betroffenen tatsächlich zu Schaden. Eine Kausalität zwischen Behandlung und Schaden ließ sich in 2826 Fällen herstellen, heißt es in dem Bericht. Operative Therapien (30,8 Prozent aller Fehler) sind die häufigsten Fehlerquellen, gefolgt von der Befunderhebung (22,6) und der Pflege (13,3).

Als repräsentativ sieht der MD-Geschäftsführer Dr. Stefan Gronemeyer die beim MD aufschlagenden Behandlungsfehlervorwürfe nicht an. Es sei bekannt, dass nur etwa drei Prozent der „unerwünschten Ereignisse“ nachverfolgt würden. „Wir sehen immer nur die Spitze des Eisbergs, sagte Gronemeyer bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin. Die tatsächlichen Werte könnten jeweils das Dreißigfache der ermittelten Zahlen ausmachen.

Zwei Drittel der Vorwürfe (9293) richten sich auf Operationen im Krankenhaus. Die Behandlung mit den häufigsten vom MD festgestellten Fehlern ist die Implantation einer Hüftgelenksprothese. 144 Mal ließen sich bei dieser Anwendung Fehler nachweisen.

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82 Todesopfer in einem Jahr

Für rund ein Drittel der Betroffenen bedeutet das, dauerhaft mit einer Beeinträchtigung leben zu müssen. Knapp drei Prozent starben in der Folge des Behandlungsfehlers. Die MD-Statistik listet hier 82 Opfer auf, bei denen ein Zusammenhang zwischen Behandlung und Tod bestehe.

Auch Arztpraxen sind vor Behandlungsfehlern nicht gefeit. 4723 Vorwürfe gegen Praxen haben sich bestätigt. Bei gut einem Viertel dieser Fehler haben die Patienten einen Schaden erlitten. Behandlungsfehler in Praxen sein in der Regel Fehldiagnosen, sagte die Leitende Ärztin des Medizinischen Dienstes Bayern, Professor Astrid Zobel.

Auch das Kombinieren inkompatibler Medikationen werde festgestellt. Für Patienten seien Fehler in Praxen meist weniger gut erkennbar als die im Krankenhaus, sagte Zobel. „Hier landet viel in der Dunkelziffer“, sagte Zobel. Die Zahlen aus 2020 bewegen sich auf dem Niveau der Jahre zuvor.

Für Gronemeyer kein Grund zur Entwarnung. „Was fehlt, ist ein verbindlicher systematischer Ansatz zur Verbesserung der Patientensicherheit in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens“, sagte Gronemeyer. In vielen Ländern existierten bereits verpflichtende Meldesysteme, in Deutschland nicht.

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Ansetzen könne die neue Regierung bei besonders folgenschweren, aber vermeidbaren Ereignissen. Dazu zählten Dekubiti bei stationärem Aufenthalt, im Körper vergessene Gegenstände bei Operationen oder Operationen an falschen Körperteilen.

Kritische Ereignisse in der medizinischen Versorgung müssten angstfrei und ohne Furcht vor haftungsrechtlichen Konsequenzen gemeldet und erfasst werden können. Bereits installierte Fehlermeldesysteme wie das Fehlermeldesystem CIRS in den drohten zu verpuffen, weil die darüber gewonnenen Informationen nicht vernetzt würden.

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Kommentare
Harald Schneider 14.10.202116:55 Uhr

Ausgerechnet der MDK schwingt sich zum Ankläger auf. Theoretische Ex-post Besserwisser, die jegliche Mühen vermeiden Patienten tatsächlich untersuchen zu müssen. Entscheidung nach Aktenlage ist die Regel und beiläufig gefragt: Wer erhebt eigentlich bei deren teilweise krassen Fehlentscheidungen eine Statistik, die aussagekräftig ist?
Um nicht falsch verstanden zu werden: Jeder Schaden aufgrund einer Fehlbehandlung ist einer zuviel.
Aber und das muss gesagt werden, der aktuelle Medizinbetrieb lässt weder eine vernünftige Ausbildung von Medizinern in der Kliniken zu, noch ermöglicht er es diesen vernünftige patientenorientierte Medizin auszuüben. Statt dessen wird eine DRG konforme Behandlung in den Kliniken und eine budgetkonforme in den Praxen erzwungen.
Auch wäre eine Korrelation der 144 Prothesenprobleme zur Gesamtzahl der implantierten Prothesen erforderlich, um die Risikoabwägung auf ein statistisch solides Fundament zu stellen. Gleiches gilt natürlich analog für die anderen Fälle auch. Das Ausblenden solcher wissenschaftlicher Basics entlarvt die Aussagen von Herrn Gronemeyer als das was sie sind: reine zweckgerichtete Propaganda.

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