Steigende Corona-Infektionszahlen
Merkel: „Bitte bleiben Sie zu Hause“
Gesundheitsämter am Limit und steigende Infektionszahlen: Kanzlerin Angela Merkel bereitet die Bundesbürger auf schwierige Monate vor. Das Ziel ist klar: den zweiten Shutdown zu verhindern.
Veröffentlicht:Berlin. Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen appelliert Bundeskanzlerin Angela Merkel an die Bürger, jetzt alles zu tun, damit sich das Virus nicht unkontrolliert ausbreitet. „Der vergleichsweise entspannte Sommer ist vorbei, jetzt stehen uns schwierige Monate bevor“, sagte sie in ihrem Videopodcast am Samstag.
Mit 7830 Neuinfektionen meldete das Robert Koch-Institut (RKI) am Samstag zum dritten Mal in Folge einen Höchstwert. Am Sonntag waren es mit 5587 weniger. Aber: An Sonn- wie auch an Montagen sind die erfassten Fallzahlen meist niedriger, auch weil am Wochenende nicht alle Gesundheitsämter Daten an das RKI übermitteln.
Gesundheitsämter kommen nicht hinterher
Die Pandemie breite sich wieder rapide aus, schneller noch als zu Beginn vor mehr als einem halben Jahr, mahnte die Kanzlerin. Die Gesundheitsämter leisteten Großartiges bei der Kontaktnachverfolgung von SARS-CoV-2-Infizierten. „Aber wo die Zahl der Infizierten zu hoch wird, da kommen sie nicht mehr hinterher“, stellte Merkel klar.
Wie prekär die Situation mancherorts ist, hatte erst vergangene Woche das Beispiel Hessen gezeigt. Angesichts der hohen Belastung der Gesundheitsämter stellte der Verband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes die Strategie der Nachverfolgung von Corona-Infektionsketten dort infrage. Seit Ende September sei bei 76 Prozent der gemeldeten COVID-Fälle in der Landeshauptstadt Wiesbaden der Ort oder Anlass der Infektion nicht mehr nachvollziehbar, so ein Sprecher der Stadt. In NRW sollen nun Landesmittel bei der personellen Aufstockung der Ämter helfen.
Neben den AHA-Regeln (Abstand halten, Hygieneregeln einhalten und Alltagsmaske tragen) müssten vor allem die Kontakte reduziert werden, appellierte Bundeskanzlerin Merkel. „Die Wissenschaft sagt uns klar: Die Ausbreitung des Virus hängt direkt an der Zahl der Kontakte, der Begegnungen, die jeder von uns hat“, so Merkel. „Bitte bleiben Sie, wenn immer möglich, zu Hause, an Ihrem Wohnort.“ Es gehe darum, dass das Gesundheitswesen nicht überfordert werde, dass Schulen und Kitas geöffnet bleiben könnten, aber auch um „unsere Wirtschaft und unsere Arbeitsplätze“.
Sorge um lokale Shutdowns
„Es wird darauf ankommen, wie sich die Bevölkerung verhält“, meint auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Viele Auflagen ließen sich ohnehin schwer überprüfen, sagte er der Funke Mediengruppe. Man müsse vor allem den R-Wert senken. Sonst stiegen die täglichen Fallzahlen innerhalb kürzester Zeit so stark an, dass die Kliniken und Gesundheitsämter überlaufen werden. „Dann kommen lokale Shutdowns.“
Diese Reproduktionszahl, kurz R-Wert, lag in Deutschland laut Lagebericht des Robert Koch-Institut vom Samstag bei 1,40. Das bedeutet: Ein Infizierter steckt im Mittel rund 1,4 weitere Menschen an. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab.
Es fehlt eine einheitliche Linie
Erschwert wird die Lage aber dadurch, dass sich Bund und Länder vergangene Woche nur bedingt auf einheitliche Corona-Maßnahmen einigen konnten. Zwar gilt etwa bundesweit für private Feiern, dass in Regionen mit stark steigenden Corona-Zahlen diese auf zehn Personen begrenzt werden, die aus höchstens zwei Haushalten kommen dürfen. Die Regel soll ab einer Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen gelten. Schon ab einer Inzidenz von 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in sieben Tagen wird zudem die Pflicht ausgeweitet, eine Maske zu tragen. Sie gilt dann überall dort, wo Menschen länger und dichter zusammenkommen. Beim Beherbergungsverbot gibt es hingegen keine einheitliche Linie, was bereits zu einigen Gerichtsverfahren geführt hat.
Bund und Länder könnten aber schon bald wieder zusammenkommen. Bei den Beratungen mit den Ministerpräsidenten am vergangenen Mittwoch machte Merkel deutlich, die beschlossenen Maßnahmen reichten nicht aus, man würde darum „in zwei Wochen eben wieder hier“ sitzen. (reh/dpa)