Gesundheitsversorgung
Migranten rücken stärker in den Fokus
Deutschland ist ein attraktives Ziel für Flüchtlinge und Asylbewerber. Die Versorgung dieser Menschen hält jedoch mit der aktuellen Entwicklung nicht Schritt. Das Bundesgesundheitsministerium will ihnen den Gang zum Arzt leichter machen - aber es gibt Hürden.
Veröffentlicht:BERLIN. Das gerade begonnene Jahr soll Verbesserungen für die Gesundheitsversorgung von Migranten, vor allem Flüchtlinge und Asylbewerber bringen.
Darauf haben sich das Bundesgesundheitsministerium und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özoguz (SPD) verständigt.
Das Gesundheitsministerium hat bereits im März vergangenen Jahres auf die Entwicklungen reagiert und die bislang verteilten Dienste für Migranten in einer eigenen Organisationseinheit gebündelt, im neuen Referat für Migration, Integration, Demografie und Gesundheit.
Arztbesuch bei Behörden anmelden
Noch steckt der politische Wille im Verlautbarungsmodus. "Ich will, dass jeder - unabhängig von Herkunft oder Migrationshintergrund - einen gerechten Zugang zu unserem Gesundheits- und Pflegesystem hat", sagte Özoguz bei einem parlamentarischen Abend im Dezember.
Dieser gerechte Zugang ist flächendeckend noch nicht hergestellt. Das hat eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums gegenüber der "Ärzte Zeitung" eingeräumt.
Das Ministerium bemühe sich darum, dass Flüchtlinge und Asylbewerber einfacher und unbürokratischer an Gesundheitsleistungen kämen, hieß es am Dienstag im Gesundheitsministerium.
Bislang müssen Asylbewerber und Flüchtlinge einen Arztbesuch zunächst bei den Sozialbehörden der Kommunen beantragen, in der sie untergebracht sind. Die von den Ärzten berechneten Leistungen werden wiederum penibel geprüft.
Lediglich in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen genießt die betroffene Bevölkerungsgruppe die Vorteile einer Gesundheitskarte. Dort kommen die Krankenkassen für die Behandlungskosten von Flüchtlingen und Asylbewerbern auf. Die Länder erstatten den Kassen die Kosten und eine Aufwandspauschale.
Das Verfahren spare Personal- und Verwaltungsaufwand in Millionenhöhe, hat der Hamburger Senat mitgeteilt. In allen anderen Regionen zahlen die Länder die Arztrechnungen für die zugelassenen Indikationen direkt.
Die Initiativen des Bundes, Erleichterungen zu schaffen, stoßen deshalb an die Beschränkungen des föderalen Systems.
In der Gesundheitsforschung unterrepräsentiert
Bund und Länder hatten 2014 eine Frist bis Ende Dezember vereinbart, zu der die Länder dazu Stellung beziehen sollten. Im Gesundheitsministerium werde daraus derzeit ein Meinungsbild erstellt, hieß es am Dienstag aus der Verwaltung von Hermann Gröhe (CDU).
Migranten sind in der Gesundheits- und Pflegeforschung unterrepräsentiert. 15,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben in Deutschland. Dazu kommen Flüchtlinge und Asylbewerber.
Von Januar bis Oktober 2014 waren es knapp 136.000 Erstanträge, was im Vergleich zum Jahr davor eine Steigerung von rund 55 Prozent bedeutet.
Die Zahlen hat die Migrationswissenschaftlerin Professorin Thea Borde von der Alice Salomon Hochschule in Berlin zusammengestellt. Dass diese Gruppe demnach knapp 20 Prozent der Bevölkerung stellt, spiegelt sich in der Forschung nicht wider.
In der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS) des Robert Koch-Instituts seien gerade 3,9 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund befragt worden, berichtete Borde beim Pfizer-Forum "Demografie - Gesundheit - Migration" in Berlin.
Offen sei nach wie vor, ob und wie sich die Versorgungswege nach sozialer Lage und Migrationsstatus unterschieden.
Es gibt Hinweise auf Fehl- und Unterversorgung von Migranten in Deutschland. So nutzt die Bevölkerungsgruppe beispielsweise Präventionsangebote in geringerem Umfang.
Ausnahme ist das Brustkrebsscreening, das von türkischen Frauen mehr in Anspruch genommen wird als von deutschen.
Die Deutsche Diabeteshilfe weist darauf hin, dass Menschen mit Migrationshintergrund häufiger an Diabetes mellitus erkrankten als der Durchschnitt der deutschen Bevölkerung.
In Nordrhein-Westfalen wird deshalb derzeit in einem Projekt die aufsuchende Diabetesberatung erprobt.
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