Baltrum

Mit der Apotheke steht und fällt der Status als Nordseeheilbad

526 Einwohner, aber 65.000 Gäste. Die auch deshalb kommen, weil Baltrum ein Nordseeheilbad ist. Doch diesen Status könnte die kleine Insel verlieren, wenn die Apotheke schließt.

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BALTRUM/HANNOVER. Baltrum hat zwei Ärzte, eine Apotheke und 526 Einwohner. Würden nicht jährlich 65.000 Gäste auf die Nordseeinsel Baltrum kommen, könnten Ärzte und Apotheker nicht überleben. Doch nun schließt womöglich die Insel-Apotheke.

Als die Gemeinde Baltrum die jährlich 15.000 Euro Mietzuschuss an die Apotheke nicht mehr zahlen konnte, dürfte dies das Zeichen für die Betreiber, beide über 75 Jahre alt, gewesen sein, in den Ruhestand zu gehen. 35 Jahre haben sie in der Sommersaison die Türe offen gehalten. Ein neuer Apothekenbetreiber ist bisher nicht zu finden.

Baltrum ohne Apotheke - das wäre fatal nicht nur für die Kurgäste. "Wenn die Apotheke schließt, dann verlieren wir den Status als Nordseeheilbad", sagt Baltrums Bürgermeister Berthold Tuitjer zur "Ärzte Zeitung".

Bisher arbeitete die Apotheke in der Saison als Zweigapotheke einer Zentrale in Norden. Im Winterhalbjahr betrieb man auf Baltrum nur eine Rezeptsammelstelle. Die angeforderten Medikamente wurden dann per Schiff gebracht und auf der Insel verteilt.

Kurgäste brauchen Apotheke

Dieses Procedere müsste auch im Sommerhalbjahr stattfinden, wenn die Apotheke dicht macht. "Völlig unmöglich", sagt Eva Bach, seit elf Jahren Hausärztin auf Baltrum.

"Die meisten Touristen kommen wegen akuter Beschwerden. Da kann man nicht aufs nächste Schiff warten, das die Medikamente bringt." Drei Mal am Tag geht ein Schiff hinüber nach Neßmersiel.

Laut Landesapothekerverband ist das Problem in Baltrum nur die Spitze des Eisberges und illustriert die angespannte Lage der Landapotheken in Niedersachsen allgemein.

Denn "gerade in dünn besiedelten Regionen wie zum Beispiel der Unterelbe, Wesermarsch, im Harz oder auf den ostfriesischen Inseln wird die Versorgungslage immer kritischer", erklärt der Apothekerverband. Oft fehle auch auf dem Lande die Laufkundschaft.

Tatsächlich verdient die Apotheke auf Baltrum nur in den Sommermonaten Geld. Den Rest der Zeit wäre der neue Betreiber auf seinen Idealismus oder seine Liebe zu einer Nordseeinsel angewiesen, sagt Tuitjer. Und inzwischen nutzen auch die Insulaner zunehmend das Internet. "Viele lassen sich heute ihre Medikamente per Post schicken."

Apothekendichte nimmt ab

Im Gegensatz zur Stadtapotheke erziele eine typische Landapotheke rund 80 Prozent ihrer Einnahmen mit rezeptpflichtigen Medikamenten. Das heißt, wenn ein Landarzt keinen Nachfolger findet und seine Praxis zuschließen muss, sei dies das "K.o.-Kriterium für die Apotheke", so der LAV-Vorsitzende Berend Groeneveld.

Das sie auch für mögliche Nachfolger unattraktiv werden, ist eine weitere Folge. Die flächendeckende Arzneimittelversorgung in Niedersachsen drohe wegzubrechen, sagt Groeneveld.

In Niedersachsen wurden im Jahr 2014 genau 16 Apotheken neu eröffnet, aber 30 mussten schließen. Von 2010 bis Ende 2014 haben in Niedersachsen 113 Apotheken geschlossen, so der Landesverband. 2014 gab es in Niedersachsen 1994 Apotheken mit rund 16.500 Beschäftigten.

In Baltrum zeichnet sich unterdessen ein Hoffnungsschimmer ab. "Ein Apotheker aus Nordrhein-Westfalen, der Stammgast der Insel ist, überlegt, die Inselapotheke als Filiale seiner Hauptgeschäfte zu übernehmen", berichtet Tuitjer.

Der Apotheker würde dann seine Angestellten reihum auf die Insel zum Dienst schicken. Die Hoffnung: "Die Angestellten würde die Regelung halb als Arbeit und halb als Urlaub erleben", so Tuitjer. So könnte die Apotheke sogar das ganze Jahr geöffnet bleiben.

Allerdings verbieten rechtliche Regelungen diese Lösung. Filialpraxen müssen für die Zentrale in erreichbarer Nähe sein. Dieses Problem will man auf Baltrum aber auch noch lösen. Tuitjer: "Ich bin mit der Apothekerkammer im Gespräch." (cben)

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