Christentum

Suizidbeihilfe und Schwangerschaftsabbruch: Moraltheologe kritisiert Haltung evangelischer Kirche zu Ethikfragen

Der katholische Moraltheologe Franz-Josef Bormann sieht ein Abrücken der evangelischen Kirche von bisher gemeinsam geteilten Positionen – wie zu Suizidbeihilfe oder Abtreibung.

Veröffentlicht:
Professor Franz-Josef Bormann, Mitglied des Deutschen Ethikrates

Sieht bisher geteilte medizinethische Positionen von evangelischer und katholischer Kirche in Gefahr: Der katholische Moraltheologe Professor Franz-Josef Bormann, Mitglied des Deutschen Ethikrates.

© Reiner Zensen / Deutscher Ethikrat

Freiburg/Tübingen. Bei wichtigen ethischen Fragen wie Suizidbeihilfe und Abtreibung hat sich die evangelische Kirche aus Sicht des Tübinger katholischen Moraltheologen Franz-Josef Bormann „vom Konsens mit der katholischen Kirche verabschiedet“. Das kritisiert das Mitglied des Deutschen Ethikrats in einem Beitrag für das theologische Portal communio.de.

Der langjährige ökumenische Konsens habe zu vielen guten gemeinsamen Texten und Stellungnahmen geführt – etwa zu Organspende und Sterbehilfe. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) habe sich zudem von 1994 bis jetzt an der jährlichen „Woche für das Leben“ beteiligt. Und auch im Streit um die Präimplantationsdiagnostik und das „therapeutische Klonen“ habe es auf EKD-Seite lange geheißen, hier passe „kein Blatt Papier“ zwischen die beiden Kirchen. „Von alledem ist gegenwärtig nicht mehr viel zu spüren“, bedauerte der Ethiker.

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Besonders markante Beispiele seien der Umgang mit der Beihilfe zum Suizid und mit dem Thema Abtreibung, fügte Bormann hinzu. Hier sei es eine „ökumenische Provokation“, dass sich etliche evangelische Theologen für ein Angebot der Suizidassistenz in den eigenen Einrichtungen ausgesprochen hätten.

Auch die Stellungnahme des EKD-Rats vom Oktober 2023 zur Abtreibung zeige das Auseinanderdriften, ergänzte der Theologe. Aus der Perspektive einer christlichen Ethik sei es „höchst befremdlich“, wenn sich der Rat „in vorauslaufendem Gehorsam“ für Regulierungen des Schwangerschaftsabbruchs für bestimmte Konstellationen auch außerhalb des Strafrechts ausspreche.

„Generalangriff auf die Position der katholischen Kirche“

Noch viel beunruhigender sei das „unverhohlene Eintreten für ein ‚abgestuftes Lebensschutzkonzept‘, das von einer ‚kontinuierlichen Zunahme des Lebensrechts des Ungeborenen und der Schutzpflicht ihm gegenüber im Verlauf der Schwangerschaft‘ ausgeht“. Konkret bedeute dies, dass der strafrechtliche Schutz des Ungeborenen erst etwa ab der 22. Schwangerschaftswoche greifen solle.

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Dies sei „nicht weniger als ein Generalangriff auf die von der katholischen Kirche vertretene Position“, die das Lebensrecht des Ungeborenen von Beginn seiner Existenz an verteidige und dazu auch strafrechtliche Sanktionen für unverzichtbar erachte.

Da die EKD auch noch den Ausstieg aus der „Woche für das Leben“ angekündigt habe, verstärke sich der Eindruck, „dass hier ohne Not Grundsatzpositionen aufgegeben werden, die bislang die Basis für eine ökumenische Verständigung bildeten“. (KNA)

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Kommentare
Claus F. Dieterle 31.01.202422:20 Uhr

Das wundert mich nicht!

Nicht jeder, der ein geistliches Amt ausübt, ist von Jesus Christus berufen.
Manch einer wollte Medizin, Jura usw. studieren und hat keinen Studienplatz bekommen und dann Theologie studiert.
Bei anderen war das Motiv, dass man als Pfarrer ja nicht einer Aufsicht und den Anforderungen wie in einem Wirtschaftsunternehmen unterliegt…
Andere wollten ein sicheres Einkommen und nichts für ihre Altersvorsorge einzahlen.

Wie viele Pfarrer glauben überhaupt an die wesentlichen Aussagen der Bibel?
Es ist eben sehr bequem, den Glauben nur ein bisschen zu verwalten. Aber laue Christen wird Jesus aus Seinem Mund ausspucken (Offenbarung 3,14-22).

Mein Freund Roman Herzog sagte in seiner Rede 1998 in der Frankfurter Paulskirche:
"Was ich vom kirchlichen Engagement erwarte - und zwar nicht nur als Person, sondern dezidiert von meinem Amt her - ist, um es vorsichtig zu sagen, die Konfrontation der Menschen mit einer Vertikalen, mit einer ganz anderen Perspektive. Zu vieles, was Staat und Gesellschaft heute beschäftigt, macht den Eindruck es gehe um Allerletztes und Allerwichtigstes. Die Kirche sollte daran erinnern, dass viele unserer Debatten - sich im besten Fall - um Vorletztes drehen. Das scheint mir die Aufgabe der Kirche zu sein, die heute am notwendigsten ist."

Die Kirche soll also den Menschen mit der Vertikalen konfrontieren, der Perspektive Gottes.

Was nutzen die Preußentalare mit Bartschutz (Beffchen), wenn der Charakter fehlt?

Gandhi sagte einmal: „Wenn es keine Christen gäbe, wäre ich selbst einer geworden.“

Ich bin Mitglied der Ev. Landeskirche, meine Devise lautet "Auftreten und nicht austreten!"
In allen drei Gerichtsverfahren vor dem Gemeinsamen Verwaltungsgericht der Union Evangelischer Kirchen in der EKD habe ich micht erfolgreich durchgesetzt.

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