Mutterschutz
Mutterschutz: Ärztinnen hoffen, dass aus der Reform kein Reförmchen wird
Mit der Novellierung des Mutterschutzgesetzes soll es schwangeren Ärztinnen erleichtert werden, ihre Weiterbildung ohne rigorose Beschäftigungsverbote fortzusetzen. Doch manche Formulierungen lassen viel Interpretationsspielraum.
Veröffentlicht:Mit der Reform des Mutterschutzgesetzes verbinden Ärztinnen in der Weiterbildung große Hoffnungen. Denn bei einer Schwangerschaft soll es künftig leichter sein, Teile der Weiterbildung trotzdem zu absolvieren. Bislang folgte auf die Bekanntgabe einer Schwangerschaft häufig ein sofortiges Op-Verbot sowie der Ausschluss von vielen anderen Tätigkeiten. Das soll nun nicht mehr so einfach sein. Aber die Frage ist: Wird sich die Lage zum Jahreswechsel 2018, wenn große Teile des Gesetzes in Kraft treten, wirklich deutlich verbessern oder birgt das Gesetz so schwammige Formulierungen, dass am Ende doch vieles beim Alten bleibt?
Befürchtungen löst Paragraf 9 Absatz 2 im neuen Mutterschutzgesetz aus. Dort heißt es: "Der Arbeitgeber hat die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Gefährdungen einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes möglichst vermieden werden und eine unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen wird. Eine Gefährdung ist unverantwortbar, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist."
Ausschuss für Mutterschutz hat Schlüsselrolle
"Was ist eine unverantwortbare Gefährdung?", fragt Professor Sabine Wicker, Leitende Betriebsärztin am Uniklinikum Frankfurt. "Ich bin mit dieser Formulierung alles andere als glücklich und fürchte, dass viele meiner Kollegen sagen: ‚ich weiß nicht was das ist, da sage ich mal lieber, die Beschäftigte soll da nicht arbeiten", sagte Wicker auf einer gemeinsamen Veranstaltung des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) und des Marburger Bundes in Frankfurt.
Eine Schlüsselrolle bei der Definition wird der noch zu schaffende Ausschuss für Mutterschutz haben. Die Ausschussmitglieder sollen mögliche Gefährdungen von schwangeren und stillenden Frauen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ermitteln sowie sicherheitstechnische, arbeitsmedizinische und hygienische Regeln zum Schutz der Frauen am Arbeitsplatz aufstellen. "Durch die Einrichtung eines Ausschusses für Mutterschutz wird sichergestellt, dass auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse in angemessener Zeit reagiert werden kann", heißt es im Gesetzentwurf. Auch soll er "berufsgruppenbezogene Ausarbeitungen zur Umsetzung mutterschutzrechtlicher Vorgaben erstellen". Dem Ausschuss sollen nicht mehr als 15 Vertreter von unter anderem Arbeitgebern und Gewerkschaften sowie "weitere geeignete Personen, insbesondere aus der Wissenschaft" angehören. Der Ärztinnenbund und der Marburger Bund hoffen, dass ihre Expertise gefragt sein wird. Vor allem wenn es um die berufsbezogenen Regelungen für Ärztinnen geht, würden sie gerne ein Wörtchen mitreden.
Doch schwangere Ärztinnen haben offenbar nicht nur Probleme mit ängstlichen Betriebsmedizinern und Arbeitgebern, die haftungsrechtliche Konsequenzen im Falle von Komplikationen fürchten, sondern auch mit Kollegen. So berichtete eine schwangere Ärztin aus der Notaufnahme eines Offenbacher Krankenhauses, dass ihr Chef auf die für sie freudige Nachricht toll reagiert habe. Er sei zuversichtlich, dass sich für sie eine gute Lösung innerhalb des Hauses finden würde. Doch die beiden wurden eines Besseren belehrt. Sie habe auf keine andere der drei internistischen Stationen des Hauses wechseln können, berichtete die sichtlich aufgewühlte Ärztin. Es sei zwar nicht offiziell kommuniziert worden, aber letztlich sei klar gewesen, kein Chefarzt wollte eine Schwangere auf seiner Station.
Probleme nicht nur mit dem Mutterschutzgesetz
Denn eine schwangere Ärztin auf der Station heißt: Die anderen müssen mehr Dienste übernehmen und ihnen fehlt ebenfalls Zeit für den Weiterbildungskatalog, weil sie mit zusätzlichen Routineaufgaben belastet sind. Dr. Silke Bauer, mittlerweile Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Mutter dreier Kinder, wurde nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz von einem Oberarzt, den sie als "eigentlich sehr nett" beschreibt, gesagt: Nach der Schwangerschaft stehe sie erst einmal in der Bringschuld.
Ein anderes Problem: "Freie Stellen sind frühestens nach drei Monaten nachbesetzt, wenn überhaupt", sagt Professor Marion Haubitz, Chefärztin am Klinikum Fulda und Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Der Ärztemangel erschwert die Situation der Betroffenen also zusätzlich.