Kritik am GBA-Beschluss
Neue Personalvorgabe in der Psychiatrie erhitzt die Gemüter
Der GBA will nun auch psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen Personalmindestvorgaben auferlegen. Kliniken wie Verbände reagieren empört.
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© Christoph Schmidt / dpa
BERLIN. Psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen müssen nun auch eine personelle Mindestausstattung vorhalten. Laut der vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) am Donnerstag beschlossenen Richtlinie, müssen die Einrichtungen zudem einen Nachweis über die Einhaltung der Mindestvorgaben führen. GBA-Chef Professor Josef Hecken sieht in dem Beschluss „eine qualifizierte Weiterentwicklung der Richtlinie.
Bei ungewöhnlich hohen Patientenzahlen oder Personalausfällen könnten Einrichtungen auch von den Vorgaben abweichen, teilt der GBA per Pressemitteilung mit. Halten Krankenhäuser die Vorgaben nicht ein, drohen nach einem Jahr Sanktionen in Form von Vergütungsausschlüssen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisiert die Richtlinie des GBA scharf: Damit katapultiere der GBA die Versorgung in der Psychiatrie um 40 Jahre zurück.
Der Beschluss zur Mindestpersonalbesetzung in der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung sei ohne die Stimmen der DKG getroffen worden. Die DKG fürchtet, dass nun mehr Personal für Dokumentation und Bürokratie eingesetzt werden müsse und weniger Personal für die psychisch kranken Menschen zur Verfügung stehe.
BPtK: Beschluss ist „patientenmissachtend“
Auch die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) reagiert scharf: Die Entscheidung zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik sei „patientenmissachtend“ und angesichts der seit Jahren bekannten Personalmängel und Behandlungsdefizite beschämend, schreibt die BPtK in einer Mitteilung. Auf den Stationen werde es weiter zu vermeidbarer Gewalt und Zwangsmaßnahmen kommen, da Patienten in psychischen Krisen nicht angemessen behandelt und ausreichend betreut werden könnten, kommentierte BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz die Entscheidung.
Nach von der BPtK vorgelegten Zahlen werden vor allem in der Einzeltherapie die Minutenwerte erhöht, in den Gruppenangeboten bleiben sie unverändert. Die Werte der Leitlinien werden nicht erreicht. Munz kritisiert, dass die neuen Personalvorgaben die Regelungen der Psychiatrie-Personalverordnung nahezu unverändert fortschreiben. Nachhaltig mehr Personal werde es nicht geben. „Der GBA ist an seinem gesetzlichen Auftrag, eine leitlinienorientierte Versorgung in Kliniken für psychisch kranke Menschen umzusetzen, kläglich gescheitert“, so Munz.
Und auch die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde reagiert empört und bezeichnet die neue GBA-Richtlinie als einen „Affront für alle Betroffenen, Angehörigen und in der Psychiatrie Beschäftigten“. Die dringend benötigte Neuregelung der Personalbemessung sei auf ganzer Linie gescheitert, es drohe nun sogar Personalabbau und eine „Rückkehr zur Verwahrpsychiatrie“, so die DGPPN in einer Stellungnahme. Denn der Beschluss lege die bislang geltende Personalverordnung als Personaluntergrenze fest statt sie qualitativ und signifikant zu erhöhen mit der Folge, dass Krankenhäuser noch weniger Personal als bisher von den Krankenkassen finanziert bekämen.
Trotz aller Kritik: Sofern das Bundesgesundheitsministerium keine Einwände hat, tritt die Richtlinie zum 1. Januar 2020 in Kraft. (ato/run)