Südwesten

Neuer Notdienst wird teuer für Ärzte

2014 startet der völlig neu organisierte Notfalldienst in Baden-Württemberg. Inzwischen ist klar: Ärzte zahlen für ihre Entlastung höhere Kosten.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Der Ärztliche Notdienst, erreichbar unter der Telefonnummer 116117, wird in Baden-Württemberg neu aufgestellt.

Der Ärztliche Notdienst, erreichbar unter der Telefonnummer 116117, wird in Baden-Württemberg neu aufgestellt.

© Patrick Pleul / dpa

STUTTGART. Die Reform des Bereitschafts- und Notfalldienstes in Baden-Württemberg ist beschlossene Sache. Jetzt wissen die KV-Mitglieder, was an Kosten auf sie zukommt.

Die Vertreterversammlung der KV hat am Mittwoch gegen die Stimmen der Psychotherapeuten eine weitere Etappe bei dem Mammutprojekt beschlossen. Dabei wird die bisherige Struktur des Notfalldienstes völlig umgekrempelt.

Die bisher landesweit 380 Notdienstbereiche sollen zu etwa 70 Dienstgemeinschaften zusammengeführt werden. Diese zentralen Notfalldienstpraxen sollen an Krankenhäusern etabliert werden.

Ziel ist, dass Patienten eine solche Praxis außerhalb der Sprechzeiten binnen 30 Fahrminuten erreichen können.

89,3 Millionen Euro Gesamtkosten

Viele Ärzte in den bisherigen Notdienstbezirken ächzen vor allem unter der Wochenend-Belastung. Durch den fehlenden Nachwuchs hätte sich das Problem weiter verschärft.

Seit 2011 arbeitet der KV-Vorstand an einer Grundsatz-Reform. Inzwischen wurde deutlich: Dies macht den Notfalldienst für viele Mitglieder teurer.

Die neue Struktur wird KV-weit ab 2014 jährlich 89,3 Millionen Euro kosten, davon entfallen allein 58 Millionen Euro auf Honorarkosten. 31,3 Millionen Euro beträgt der Aufwand für Strukturkosten. Hier fällt der Fahrservice mit 18 Millionen Euro besonders ins Kontor.

Finanziert wird die neue Struktur vor allem über einen Vorwegabzug der KV, mit dem sie 52 Millionen Euro einnimmt. Mit zehn Millionen Euro, so die Hoffnung, werden sich zudem die Krankenkassen beteiligen.

Bislang zahlen sie jedoch nur 6,3 Millionen Euro. Weitere drei Millionen Euro will die KV aus einer Strukturpauschale erzielen.

Diese Pauschale in Höhe von 30 Prozent bezieht sich auf jene EBM-Honorare Notdienst tuender Ärzte, die über die Mindestumsatzgarantie hinausgehen.

Kopfpauschale und Umlage

Vergütung für Ärzte im Notfalldienst

Wochenende und Feiertage: Ärzte im Sitz- und im Fahrdienst erhalten eine Mindestumsatzgarantie von 50 Euro je Stunde. Selbstfahrer bekommen zudem eine Fahrpauschale von 300 Euro plus Wegegeld.

Werktags: Ärzte im Fahrdienst erhalten eine Mindestumsatzgarantie von 300 Euro. Selbstfahrer bekommen zusätzlich 150 Euro Fahrpauschale plus Wegegeld.

Lange wurde KV-intern über die Frage gerungen, wie die verbleibende Lücke von knapp 25 Millionen Euro geschlossen werden soll.

Am Mittwoch beschlossen die Delegierten auf Vorschlag des Vorstands ein Kompromissmodell: Jeweils zur Hälfte werden eine Kopfpauschale und eine prozentuale Umlage zur Finanzierung herangezogen.

Die Kopfpauschale beträgt 53,80 Euro pro Monat, die prozentuale Umlage 0,3556 Prozent, die sich am GKV-Umsatz des jeweiligen KV-Mitglieds bemisst.

Schnell wurde deutlich, dass bei diesem Modell anteilig Praxen mit geringem Umsatz am stärksten belastet sind. Beispiel: Beträgt der Quartalumsatz einer Praxis 20.000 Euro, dann muss der Praxisinhaber jährlich 1,16 Prozent seiner GKV-Einnahme abführen - hier fällt die Kopfpauschale relativ stark ins Gewicht.

Bei einer Praxis mit 200.000 Euro Quartalsumsatz reduziert sich die Belastung aufs Jahr gesehen auf 0,44 Prozent der GKV-Einnahmen.

Bei den Psychotherapeuten zahle fast die ganze Fachgruppe den höchsten prozentualen Satz, sagte die Delegierte Dr. Birgit Clever. Sie plädierte dafür, bei umsatzschwächeren Praxen auf die Kopfpauschale zu verzichten und eine Belastungsobergrenze einzuziehen.

Arbeitsbelastung bei Hausärzten auf 50 Wochenstunden geschätzt

KV-Vorstandschef Dr. Norbert Metke wies - wie auch die Mehrheit der Vertreter - diesen Vorstoß zurück.

Hinter den unterschiedlichen Quartalsumsätzen stehe auch eine unterschiedliche Arbeitsbelastung. Metke bezifferte diese beispielsweise bei Psychotherapeuten auf 23, bei Hausärzten auf 50 Wochenstunden.

Auch jenseits der Finanzierungsfragen gab es Kritik. Vor allem die zentrale Praxisverwaltungssoftware in Notfallpraxen sorgte für Unmut. KV-Vorstandsvize Dr. Johannes Fechner warb mit Kostenargumenten für die zentrale IT-Lösung.

So koste die Installation ein Euro je KV-Mitglied. Delegierte monierten aber die fehlende Kompatibilität der Software mit anderen Praxis-EDV-Anbietern.

Auch Grundsatzkritik am gesamten Reformvorhaben wurde nochmals in der VV laut. KV-Vize Fechner machte aber klar, dass die Zeit für Grundsatzdebatten vorbei sei: Auch Ärzte, die nicht einverstanden sind, müssten die Umlage zahlen.

Alle Notfallpraxen werden schrittweise mit dem landesweit einheitlichen Logo ausgestattet. Motto: "Wir sind für Sie da".

Das zahlen KV-Mitglieder für den Notdienst

Kosten in Abhängigkeit vom GKV-Umsatz ab 2014

Quartalsumsatz Kopfpauschale
(53,80 m/Monat)
Prozentumlage
0,3556 %
Anteil am Jahresumsatz der GKV-Einnahmen
   20.000 Euro 161,40 Euro       71,12 Euro 1,16 %
   50.000 Euro 161,40 Euro     177,80 Euro 0,68 %
100.000  Euro 161,40 Euro     355,60 Euro 0,52 %
150.000  Euro 161,40 Euro     533,40 Euro 0,46 %
200.000 Euro 161,40 Euro     711,20  Euro 0,44 %
500.000 Euro 161,40 Euro   1.778,00 Euro 0,39 %
Quelle: KV Baden-Württemberg Tabelle: Ärzte Zeitung
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Kommentare
Dipl.-Psych. Sebastian Rühl 17.02.201314:07 Uhr

Psychotherapeuten werden mal wieder abgezockt

Warum müssen eigentlich Psychotherapeuten prozentual besonders dafür herhalten, wenn die somatisch arbeitenden Ärzte ihren Notdienst nicht mehr selber organisieren können oder wollen. Da werden wir Psychotherapeuten mal wieder besonders gemolken, damit somatisch arbeitende Ärzte noch satter werden. Ärzte stehen in der Pflicht Notdienst zu leisten. Sie können sich durch Zahlungen davon befreien oder sich durch Notdienste etwas dazu verdinen. Für uns Psychotherapeuten gilt das nicht. Gerne würde ich lieber Notdienste leisten um mir etwas dazu zu verdienen. Wenn wir Psychotherapoeuten da aber aus wichtigen Gründen außen vorgelassen bleiben, dann sollen wir aber auch bei der Zahlung außen vor bleiben. Wir Psychotherapeuten sollen und können rechtlich hier nicht zur Verantwortung gezogen werden. Jegliche Zahlungen für Notdienste von Psychotherapeuten lehne ich deshalb ab.
Zusätzlich muss man sich fragen warum insgesamt die Ärzte die weniger Pat. haben als andere, und deren Pat. damit die Notdienste im Schnitt weniger in Anspruch nehmen werden, prozentual mehr zur Kasse gebeten werden, als Ärzte mit großen und vollen Praxen.

Dr. Christine Laufersweiler-Plass 13.02.201319:02 Uhr

Psychotherapeuten so fleißig wie Ärzte

Die These, daß Psychotherapeuten durchschnittlich wesentlich weniger Stunden in der Praxis arbeiten würden als Ärzte ist falsch. Psychotherapeuten arbeiten durchschnittlich 47 Std. pro Woche, Ärzte 52 Std. Dies weist die letzte ZIP Studie der KBV nach und gilt auch für Ba-Wü.
Leider nutzen die KVen diese Falschbehauptung immer wieder, um die geringen Honorare der Psychotherapeuten zu rechtfertigen.
Ich bitte die Ärztezeitung darum, die Aussagen der KV-Funktionäre genauer zu überprüfen.
Quellen:
http://www.zi-pp.de/free_pdf/ZiPP_Jahresbericht_2010_final.pdf
http://www.kbv.de/publikationen/41532.html

Dr. Matthias Peisler 10.02.201321:19 Uhr

Mir wird schlecht ...

... beim Gedanken daran, dass ein Sicherstellungsauftrag zur Versorgung von Patienten an die Wand gefahren wird!
Die Politik/Krankenkassen/KVen haben für die Niedriglöhne von uns Hausärzten gesorgt!

FOLGE: Der Nachwuchs schafft schon jetzt kaum mehr die flächendeckende Versorgung! Ausbaden müssen das Desater die noch tätigen Hausärzte: UMLAGE ZUR FINANZIERUNG DES BEREITSCHAFTSDIENST...! FALLPAUSCHALE FÜR BEREITSCHAFTSPRAXISTRÄGER ... etc.!
Im Landkreis Forchheim/Bayern ist inzwischen Krieg an der Tagesordnung... Vielleicht bald ÜBERALL in Deutschland!
Traurig wie man ein ehemals gutes Versorungssytem ohne ausreichende Zahl von Ärzten zu kitten versucht und oft zwischen den Arztgruppen auch noch Hass schürt...
SCHWEDEN, ENGLAND wir kommen! Funktionäre der KVen und Kassen können ja dann mal nachreisen, an finanziellen Mittel mangelt''s jenen sicher kaum!

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