Südwesten
Neuer Notdienst wird teuer für Ärzte
2014 startet der völlig neu organisierte Notfalldienst in Baden-Württemberg. Inzwischen ist klar: Ärzte zahlen für ihre Entlastung höhere Kosten.
Veröffentlicht:STUTTGART. Die Reform des Bereitschafts- und Notfalldienstes in Baden-Württemberg ist beschlossene Sache. Jetzt wissen die KV-Mitglieder, was an Kosten auf sie zukommt.
Die Vertreterversammlung der KV hat am Mittwoch gegen die Stimmen der Psychotherapeuten eine weitere Etappe bei dem Mammutprojekt beschlossen. Dabei wird die bisherige Struktur des Notfalldienstes völlig umgekrempelt.
Die bisher landesweit 380 Notdienstbereiche sollen zu etwa 70 Dienstgemeinschaften zusammengeführt werden. Diese zentralen Notfalldienstpraxen sollen an Krankenhäusern etabliert werden.
Ziel ist, dass Patienten eine solche Praxis außerhalb der Sprechzeiten binnen 30 Fahrminuten erreichen können.
89,3 Millionen Euro Gesamtkosten
Viele Ärzte in den bisherigen Notdienstbezirken ächzen vor allem unter der Wochenend-Belastung. Durch den fehlenden Nachwuchs hätte sich das Problem weiter verschärft.
Seit 2011 arbeitet der KV-Vorstand an einer Grundsatz-Reform. Inzwischen wurde deutlich: Dies macht den Notfalldienst für viele Mitglieder teurer.
Die neue Struktur wird KV-weit ab 2014 jährlich 89,3 Millionen Euro kosten, davon entfallen allein 58 Millionen Euro auf Honorarkosten. 31,3 Millionen Euro beträgt der Aufwand für Strukturkosten. Hier fällt der Fahrservice mit 18 Millionen Euro besonders ins Kontor.
Finanziert wird die neue Struktur vor allem über einen Vorwegabzug der KV, mit dem sie 52 Millionen Euro einnimmt. Mit zehn Millionen Euro, so die Hoffnung, werden sich zudem die Krankenkassen beteiligen.
Bislang zahlen sie jedoch nur 6,3 Millionen Euro. Weitere drei Millionen Euro will die KV aus einer Strukturpauschale erzielen.
Diese Pauschale in Höhe von 30 Prozent bezieht sich auf jene EBM-Honorare Notdienst tuender Ärzte, die über die Mindestumsatzgarantie hinausgehen.
Kopfpauschale und Umlage
Vergütung für Ärzte im Notfalldienst
Wochenende und Feiertage: Ärzte im Sitz- und im Fahrdienst erhalten eine Mindestumsatzgarantie von 50 Euro je Stunde. Selbstfahrer bekommen zudem eine Fahrpauschale von 300 Euro plus Wegegeld.
Werktags: Ärzte im Fahrdienst erhalten eine Mindestumsatzgarantie von 300 Euro. Selbstfahrer bekommen zusätzlich 150 Euro Fahrpauschale plus Wegegeld.
Lange wurde KV-intern über die Frage gerungen, wie die verbleibende Lücke von knapp 25 Millionen Euro geschlossen werden soll.
Am Mittwoch beschlossen die Delegierten auf Vorschlag des Vorstands ein Kompromissmodell: Jeweils zur Hälfte werden eine Kopfpauschale und eine prozentuale Umlage zur Finanzierung herangezogen.
Die Kopfpauschale beträgt 53,80 Euro pro Monat, die prozentuale Umlage 0,3556 Prozent, die sich am GKV-Umsatz des jeweiligen KV-Mitglieds bemisst.
Schnell wurde deutlich, dass bei diesem Modell anteilig Praxen mit geringem Umsatz am stärksten belastet sind. Beispiel: Beträgt der Quartalumsatz einer Praxis 20.000 Euro, dann muss der Praxisinhaber jährlich 1,16 Prozent seiner GKV-Einnahme abführen - hier fällt die Kopfpauschale relativ stark ins Gewicht.
Bei einer Praxis mit 200.000 Euro Quartalsumsatz reduziert sich die Belastung aufs Jahr gesehen auf 0,44 Prozent der GKV-Einnahmen.
Bei den Psychotherapeuten zahle fast die ganze Fachgruppe den höchsten prozentualen Satz, sagte die Delegierte Dr. Birgit Clever. Sie plädierte dafür, bei umsatzschwächeren Praxen auf die Kopfpauschale zu verzichten und eine Belastungsobergrenze einzuziehen.
Arbeitsbelastung bei Hausärzten auf 50 Wochenstunden geschätzt
KV-Vorstandschef Dr. Norbert Metke wies - wie auch die Mehrheit der Vertreter - diesen Vorstoß zurück.
Hinter den unterschiedlichen Quartalsumsätzen stehe auch eine unterschiedliche Arbeitsbelastung. Metke bezifferte diese beispielsweise bei Psychotherapeuten auf 23, bei Hausärzten auf 50 Wochenstunden.
Auch jenseits der Finanzierungsfragen gab es Kritik. Vor allem die zentrale Praxisverwaltungssoftware in Notfallpraxen sorgte für Unmut. KV-Vorstandsvize Dr. Johannes Fechner warb mit Kostenargumenten für die zentrale IT-Lösung.
So koste die Installation ein Euro je KV-Mitglied. Delegierte monierten aber die fehlende Kompatibilität der Software mit anderen Praxis-EDV-Anbietern.
Auch Grundsatzkritik am gesamten Reformvorhaben wurde nochmals in der VV laut. KV-Vize Fechner machte aber klar, dass die Zeit für Grundsatzdebatten vorbei sei: Auch Ärzte, die nicht einverstanden sind, müssten die Umlage zahlen.
Alle Notfallpraxen werden schrittweise mit dem landesweit einheitlichen Logo ausgestattet. Motto: "Wir sind für Sie da".
Das zahlen KV-Mitglieder für den Notdienst
Kosten in Abhängigkeit vom GKV-Umsatz ab 2014
Quartalsumsatz | Kopfpauschale (53,80 m/Monat) |
Prozentumlage 0,3556 % |
Anteil am Jahresumsatz der GKV-Einnahmen |
20.000 Euro | 161,40 Euro | 71,12 Euro | 1,16 % |
50.000 Euro | 161,40 Euro | 177,80 Euro | 0,68 % |
100.000 Euro | 161,40 Euro | 355,60 Euro | 0,52 % |
150.000 Euro | 161,40 Euro | 533,40 Euro | 0,46 % |
200.000 Euro | 161,40 Euro | 711,20 Euro | 0,44 % |
500.000 Euro | 161,40 Euro | 1.778,00 Euro | 0,39 % |
Quelle: KV Baden-Württemberg Tabelle: Ärzte Zeitung |